@Smiley108Smiley108 schrieb: wie kann man sich das konkret vorstellen? Man arbeitet am rauhen Stein. Finden Seminare statt? Gibt es Psychologen? ... ?
Gibt es Psychologen? Ich weiß zumindest von einem Bruder, dass er Psychologe ist. (Oder war er Psychotherapeut? Na halt irgend so ein Psychoonkel
;) ) Aber das hat nichts mit seiner „Funktion“ in der Freimaurerei zu tun (genauso wenig, wie der Lehrer, der Bankangestellte, der Dachdecker, der Zahnarzt oder der IT-Fuzzy). Es ist halt einfach sein Beruf.
Finden Seminare statt? So pauschal: ja. Haben sie etwas mit der Arbeit am rauen Stein zu tun? Eher nicht.
Wir sind kein Selbsthilfeverein, der über irgendwelche Seminare/Kurse/Workshops (die womöglich noch teuer zu bezahlen sind) verspricht einen besseren Menschen aus jemandem zu machen. Das hieße ja, Vorgaben zu machen, an die sich jemand zu halten hat. Nein, jeder Mensch ist, und bleibt(!!!) ein Individuum. Und jeder muss selber entscheiden, wo er meint, noch an sich arbeiten zu können oder müssen.
Diese ganze Sache ist derart abstrakt, dass es schwer ist, das wirklich zu beschreiben. Ich will es aber trotzdem einmal versuchen. Wir haben, wie bekannt, einen ganzen Kanon an Symbolen (deren bekannteste sicher Winkel und Zirkel darstellen). Jedes Symbol hat auf der einen Seite eine mehr oder weniger feste Bedeutung, ist aber trotzdem von jedem Bruder selbständig mit Inhalt zu füllen.
Ein Beispiel: Der Winkel steht als Symbol dafür, dass alle Handlungen eines (Frei-)Maurers recht sein sollen. Soweit ist das Symbol allgemeingültig. Und was bedeutet nun recht? Rechtmäßig, im Sinne treu dem Gesetz? Ja, ich denke schon. Rechtweisend, wie in der Navigation (also in die richtige Richtung führend)? Denkbar. Es dabei allen Recht machend? Würde ich für mich vehement verneinen, sieht aber vielleicht jemand anders. Das Symbol des Winkels ist uns gemein. Was er in letzter Konsequenz bedeutet muss jeder für sich klären. Und wenn ich es für mich geklärt habe, dann muss ich für mich entscheiden, wo ich diesem Anspruch an den Winkel noch nicht genüge. Wo kann ich mit einer evtl. Abweichung leben, wo nicht. Das kann nur von jedem für sich entschieden werden.
Und nun kann im Rahmen einer so genannten Zeichnung (letztlich nichts anderes als ein Referat) jemand über die Bedeutung des Winkels referieren. Damit gibt er seine Sichtweise publik. Und jeder Bruder kann sich Gedanken machen, ob er diese Sichtweise teilen möchte, sie einfach nur als neuen Aspekt seiner Sichtweise hinzufügt oder sie als kompletten Humbug abtut. (Letzteres wäre zwar nicht Sinn der Sache, aber seien wir ehrlich: es ist unmöglich immer alle Gedankengänge von anderen zu teilen, kommt also vor.)
Wenn ich also die Arbeit am rauen Stein beschreiben sollte, dann würde ich es kurz als: gegenseitige geistige Befruchtung mit permanenter Selbstkontrolle (im Sinne von Überdenken der eigenen Position) bezeichnen.
Aus dieser „Arbeitsweise“ sollte jetzt auch klar sein, weshalb wir Wert darauf legen, nicht dogmatisch zu sein. Wer sich hinstellt (und auch das kommt vor) und sagt: „so ist es, und alles andere ist Blödsinn“, erhält mächtig Gegenwind.
Ich hoffe, ich habe es geschafft, das Prinzip ein wenig klar zu machen und deine Frage zu beantworten.
Auf das Thema Seminar wollte ich noch kurz eingehen: ja, es gibt Seminare. Aber die hängen meistens mit festen Themen zusammen, wie z.B. Seminare für die Zeremonienmeister. Da ist kein Platz für Spielraum. Stell es dir ähnlich vor, wie ein Seminar für Schiedsrichter. Wie der nachher auf dem Platz seinen Job macht, kann ich ihm nicht 100% vorschreiben, aber die Spielregeln sollte er zu 100% kennen. So ähnlich ist das auch mit dem Seminar. Oder es sind mehr so Workshops (Curriculums genannt). Dort treffen sich Brüder und stellen einfach Fragen in den Raum, die anschließend diskutiert werden. Um beim Beispiel Winkel zu bleiben, könnten das Fragen wie: "Warum gerade der Winkel - muss ich jetzt um die Ecke denken?" oder "Wenn es heißt: Wo Unrecht zu Recht wird, da wird Widerstand zur Pflicht - ist das mit der vom Winkel geforderten Rechtmäßigkeit meines Tuns in Einklang zu bringen?" Solche Fragen geben herrlich kontroverse Disskusionen, ohne dass man immer sagen könnte, welche Position ist jetzt richtig, welche nicht. Aber am Ende hat man viele neue Gedanken zum Thema Winkel mitgenommen.