@Destructivus Destructivus schrieb:Das Marlboro-Männchen sitzt schon lange nicht mehr im Sattel und ist verschieden- hatte aber letztlich die Freiheit sein Leben negativ zu beeinflussen. Im Faschismus undenkbar- die Freiheit ist der Feind der Freunde des Stechschritts. Freiheit ist nicht immer schön, Freiheit kann auch mit negativen Kosequenzen verbunden sein, so gesehen ist das von dir angesprochene Recht auf Krebs, COPD & Co. zu bejahen.
Das Marlboro-Männchen war meines Wissens damals noch nicht besonders gut über die negativen Folgen des Rauchens informiert, weshalb ich das nicht unbedingt als Ausdruck von Freiheit sehen würde.
Überhaupt sehe ich eine Sucht doch als ziemlich fragwürdiges Symbol für Freiheit an, schließlich gibt die Mehrheit der Raucher an, schon mindestens einen Versuch hinter sich zu haben, damit aufzuhören. Von freier Entscheidung kann man da wohl nur sehr eingeschränkt sprechen.
Destructivus schrieb:Auf das Gaststättendiktat gehe ich nur mehr insoferne ein, als dass in einer freien Wirtschaft der Wirt und nicht der Staat für die Hausordnung zuständig sein soll. Was daheim erlaubt ist, soll dem Wirt (mit ganz wenigen Ausnahmen) auch in seinem Lokal gestattet sein zu gestatten. Handelt es sich nicht um eine Schutzhütte ist niemand gezwungen ein Lokal zu besuchen und niemand gezwungen darin zu arbeiten. Wenn ein freier Unternehmer die Entscheidung eines Raucherlokal trifft, weil er sich davon Erfüllung und Brot erhofft, ist ihm dieses Recht nur mit einem zweifelhaften Zugang zum Freiheitsbegriff per se zu verwehren.
In diesem Punkt haben deine Zweifel auf den ersten Blick tatsächlich eine gewisse Existenzberechtigung, weshalb es in Deutschland in fast allen Bundesländern tatsächlich auch Ausnahmegenehmigungen gibt. Unter strengen Auflagen - wie beispielsweise, dass die Wirte von Raucherkneipen kein Essen servieren und nur Personen ab 18 Jahren hereinlassen dürfen. Kann ich auch vollkommen mit leben.
Genauer betrachtet macht aber auch die strengere Regelung Sinn. Es gibt gute Gründe, Wirten dieses Hausrecht zu verwehren.. So ist der pro forma natürlich nicht gegebene "Zwang" eine Gaststätte zu besuchen schon anders zu bewerten, wenn es sich beispielsweise um einen kleineren Ort ohne Ausweichmöglichkeiten handelt, in dem Nichtraucher dann nur die Wahl haben, sich entweder mit einräuchern zu lassen - oder eben nicht mehr am sozialen Leben teilzunehmen.
Außerdem kollidiert dieses Modell häufig mit dem Schutz der Angestellten. Die Dorfkneipe, in der tatsächlich nur der Wirt und seine Gattin zugegen sind, hat heute wohl eher Seltenheitswert.
Destructivus schrieb:Um eine konkrete Antwort auf deine Frage zu geben: Dort wo Menschen gezwungenermaßen zusammen sind, kann ich mit Rauchverboten leben. Wenn es gegebenenfalls gebrochen wird, ist es immer noch ein Zeichen einer emanzipierten Gesellschaft. Ich war selbst Zeuge, als ein Sterbender am Totenbett im Krankenhaus um Tabak bat und ihm diese Bitte gewährt wurde. Für solche Gesten (zumindest in den USA undenkbar) liebe ich mein Land und habe die Hoffnung des Widerstands gegen die neoliberalen Gesundheitsfaschisten noch nicht ganz aufgegeben.
"Gezwungenermaßen" ist eben auch nicht immer ganz eindeutig. Ich kenne Asthmatiker, die bis zur Einführung des Rauchverbotes keine Restaurants, Bars oder Diskotheken besuchen konnten - frage mich dann halt, wo für deren Freiheit in deiner Vorstellung noch Platz ist?
Dass man dem Patienten das Rauchen erlaubt hat, finde ich im übrigen eine schöne Geste, der hatte ja nicht die Möglichkeit, vor die Tür zu gehen. Der durchschnittliche Wirtshausbesucher im Gegensatz dazu schon.
Destructivus schrieb:Ein Staat, der seinen Bürgern Lebensentwürfe vorschreibt, ist ein faschistischer Staat. Eine gewisse Prise Faschismus ist somit in allen Staaten der Welt drin, weil den Lebensentwurf von meinem Avatar kann ein Gemeinwesen nicht dulden.
Da stimme ich mit deinem Faschismusbegriff eben überhaupt nicht überein. Gesetze sind nötig um Menschen in einer Gesellschaft voreinander zu schützen. Solange es in dieser Hinsicht einen rationalen Grund für ein Verbot gibt, sehe ich daran nichts faschistisches.
Unter deiner Prämisse könnte man fast alles als faschistoid abstempeln. Geschwindigkeitsbegrenzungen? Nee, soll doch jeder die Freiheit haben, sich um einen Baum zu wickeln. Wird ja niemand gezwungen, am Straßenverkehr teilzunehmen...
Destructivus schrieb:Spekulativ? Ja sicher. Aber die Indikatoren die solche Spekulationen erlauben sind vorhanden. Es wäre jedenfalls naiv, beim Raucherthema nur den Nichtraucherschutz im Auge zu haben.
Welche Indikatoren sind das denn deiner Ansicht nach? Dass mal ein - freiwilliger! - Veggie-Day eingeführt werden sollte um uns unseren Fleischkonsum bewusster zu machen?
Dass man sich endlich mit dem massiven gesellschaftlichen Problem des über Jahrzehnte bagatellisierten und tabuisierten weit verbreiteten Alkoholismus öffentlich auseinandersetzt? Ja, klingt alles sehr faschistisch für mich.