Die Zukunft Europas steht und fällt mit der Zusammenarbeit der europäischen Nationen.
Die Probleme und Fragestellungen der nächsten Jahrzehnte sind zu groß um von jedem europäischen Land einzeln behandelt zu werden.
Zudem sind die Staaten wirtschaftlich zu klein um, auf sich allein gestellt, weltwirtschaftlich langfristig relevant zu bleiben.
Wenn Europa seine Stellung in der Welt behalten möchte, dann muss es seine Differenzen überwinden und seine Interessen in der Weltpolitik als geschlossene Gemeinschaft vertreten.
Die Fragestellung dieser Diskussion fragt etwas unspezifisch nach der "Zukunft Europas". Aufgrund der oben genannten Zusammenhänge beziehe ich das nun auf die EU, genau wie
@vincent in seinem Beitrag.
Der Kerngedanke hinter der Europäischen Union - ein politisch und wirtschaftlich geeintes Europa zu schaffen, kulturelle Gemeinsamkeiten zu betonen, allerdings trotzdem die kulturelle Identität jedes Mitgliedslands zu bewahren - ist meiner Meinung nach uneingeschränkt zu unterstützen.
Allerdings bin ich der Auffassung, dass die EU, in ihrer jetzigen Form, keine Zukunft hat.
Warum ist das so? Warum merken wir es erst jetzt? Und was können wir tun um das zu ändern?
In den letzten Jahren wurde in Europa immer öfter Unmut über die EU laut. So richtig begonnen hat das mit der Griechenlandkrise und jetzt geht es weiter mit der Flüchtlingskrise.
Diese zwei Themen scheinen erst einmal nicht viel miteinander zu tun zu haben, aber sie zeigen sehr gut auf welche Prozesse innerhalb der EU die Kritik der Bürger auf sich ziehen.
Die EU ist eine supranationale demokratische Institution, die sich über den Großteil des europäischen Kontinents spannt.
Heute ist die EU föderalistisch organisiert, aber das war nicht immer so. Während ihre Vorgänger EWG und EG schlichte Staatenbündnisse waren hat die EU nun tatsächlich Kompetenzen in Form von EU Parlament, europäischem Gerichtshof und mehr.
Die EU ist zwar kein Staat und es gibt keine zentrale Regierung, aber die EU hat politische Macht über ihre Mitglieder, da diese gewisse Souveränitäten an sie abgeben.
Die Idee dahinter ist, dass die EU viel besser in der Lage ist Themen zu behandeln die mehrere Mitglieder betreffen als die entsprechenden einzelnen Mitglieder selbst.
Bezogen auf die beiden zuvor erwähnten Themen, Griechenland und Flüchtlinge, bedeutet das, dass die europäischen Staaten besser beraten sind als Gemeinschaft vorzugehen, als jeweils an Einzellösungen zu arbeiten. Föderalismus eben.
In Deutschland sind wir mit Föderalismus bestens vertraut, unser Land ist so organisiert, aber die meisten anderen Länder in der EU sind es nicht.
Wikipedia: Datei:Map of federal states.svgNur die grün markierten Staaten sind föderalistisch organisiert.
Die Politikverdrossenheit von der man seit Jahren immer wieder hört erreicht vor allem auf dem Level der EU neuen Höhen. Die EU ist zwar demokratisch, aber sie schafft es nicht die Bürger dazu zu bewegen an dieser europäischen Demokratie teilzunehmen.
Die EU schafft es in vielen Fällen nicht den Bürger das Gefühl zu geben, dass sie Teil einer Gemeinschaft mit gleichen Interessen ist, sie schafft es nicht den Bürger aufzuzeigen, dass die internationale Zusammenarbeit bei vielen Themen für alle von Vorteil ist.
Unter Stricht kann man sagen, dass der EU als Institution der Draht zum Bürger fehlt. Und das ist in einer Demokratie kein Zustand, der dauerhaft haltbar ist. In der Theorie sind die Einflussmöglichkeiten vorhanden, aber praktisch hat der Bürger nicht das Gefühl, dass seine Meinung europapolitisches Gewicht hat. Lobbyverbände hingegen wissen genau wie sie Einfluss auf die Europapolitik nehmen können. Ein "Europa der Konzerne" mag zwar ein populistische Übertreibung sein, aber in seinen Grundzügen ist dieser Vorwurf nicht falsch.
Die EU hat gewaltige strukturelle Probleme die nun auch ihre Stabilität bedrohen.
Lange Zeit schlummerten diese Missstände unter der Oberfläche. Die EU beschäftigte sich vor allem mit Kleinigkeiten oder Wirtschaftsthemen, die den Normalbürger kaum interessierten. Erst in den letzten Jahren stellten schwierige Themen die großes öffentliches Interesse auf sich zogen die Mechanismen der europäischen Demokratie auf die Probe.
Wie schaffen wir es die Wähler besser einzubinden? Wie schaffen wir es den Vorteile der europäischen Idee besser aufzuzeigen? Wie schaffen wir es den Bürgern das Gefühl von Fremdbestimmung zu nehmen wenn die EU handelt?
Grundsätzlich könnte man hier jetzt ein Fass aufmachen und über Staatslehre schwadronieren. Aber ich denke das spare ich mir. Letztendlich läuft es darauf hinaus, dass ein souveräner Staat ein komplexes Konstrukt ist, und die, durch die Bürger anerkannte Staatsgewalt, sich nicht mal eben so ergibt. Die Anlaufschwierigkeiten, die die EU in diesem Bereich hat, sind durchaus zu erwarten gewesen.
Wir müssen jetzt aber auch den Mut haben entschlossen zu handeln um diese Probleme zu beheben. "Mut zu mehr Europa", wie Steinmeier vor einiger Zeit mal sagte, ist im Grunde genommen die Lösung die viele Pro-EU Politiker im Kopf haben.
Aber ich muss euch ja wohl nicht sagen, dass ein solcher Slogan wenig konkretes zu bieten hat.
Europas Probleme wurden zwar erkannt. Aber wir sehen momentan dabei zu wie Europa zerfällt. Großbritannien tritt bereits aus. Würde Frankreich folgen sähe die Zukunft der EU schon sehr düster aus. Auch wenn LePen jetzt nicht gewinnt(danach sieht es ja momentan aus), die Euroskepsis die sich in den letzen Jahren breit gemacht hat wird nach einem Sieg von Macron nicht einfach verschwinden.
Es wird Zeit, dass Lösungen für diese Probleme gefunden werden. Aber bisher habe ich nicht viel mehr als gut gemeinte Phrasen gehört.
Hat Europa also eine Zukunft? In seiner jetzigen Form - Nein.
Ich habe jetzt nur oberflächlich die strukturellen Probleme der EU angesprochen. Aber da hört es ja nicht auf.
Die Währungsunion droht Europa wirtschaftlich zu zerreißen. Eine Währung für dutzende verschiedene Arten von Ökonomien, ohne dringend notwendige Ausgleichsmechanismen? Auch das wird nicht mehr lange gut gehen.
Dann kommen noch kulturelle Differenzen hinzu, die jegliche Zusammenarbeit und gemeinsame Identifikation erschweren.
Es gibt aber auch noch deutlich grundlegendere Probleme: Die Globalisierung der letzten Jahrzehnte verursacht momentan ein extremes nationalistisches Aufbäumen in der westlichen Welt. In den USA sehen wir das mit Trump. Die Globalisierung hat die Weltwirtschaft in kurzer Zeit enorm verändert. Staatliche Systeme, vor allem das Bildungssystem, haben da in vielen Fällen nicht mitgehalten. Ganze Generationen finden sich nun in einer wirtschaftlichen Realität wieder für die sie nie vorbereitet wurden. Die Reaktion auf diese Herausforderungen ist in den meisten Fällen ein Zurückfallen auf national-konservative Gesinnungen. Die Schuld wird auf "das Andere/Fremde/Neue" geschoben. Die Veränderung an sich wird zum Feind, anstatt an der fehlenden Anpassung an die Veränderung zu arbeiten.
In Europa sehen wird genau die selben Tendenzen und bisher haben wir auch keine bessere Antwort darauf gefunden als die USA.
In Anbetracht der strukturellen Unzulänglichkeiten der EU, der wirtschaftspolitischen Unausgegorenheit der Währungsunion und der wachsenden nationalistischen Tendenzen, fällt es mir schwer eine positive Zukunft für Europa vorauszusagen.
PS:
Ich hatte die letzten 2 Wochen meinen Laptop nicht, deswegen dieser späte Beitritt. Sorry. Ich habe nebula gefragt ob wir diese Diskussion wiederholen könnten, da ich denke, dass das Thema es wert ist und ich die Punkte die ich in den letzten beiden Absätzen angesprochen habe gerne noch genauer ausführen würde, aber da vincent gerade gesperrt ist und die Clash Regeln da wohl recht eindeutig sind wird daraus wohl nichts. Evtl. ja mal ausserhalb des Clashs.