@Heide_witzka Heide_witzka schrieb am 21.05.2019:Eine Erlaubnis Alkohol frei zu erwerben muss nicht zwangsläufig dazu führen auch andere Drogen zu legalisieren.
Vielleicht mal ein paar Argumente, die man diskutieren kann.
Mit einer Legalisierung könnte dem Schwarzmarkt zwar einen Großteil seiner Kunden nehmen, allerdings könnte er gerade für Jugendliche weiterhin attraktiv sein, die legal noch nicht berechtigt wären, Cannabis zu erwerben. In der Hinsicht sehe ich eigentlich auch keine Möglichkeit, Jugendliche wirklich zuverlässig davon abzuhalten, irgendwie an die Droge ranzukommen, sei es am Ende nun der Schwarzmarkt, der davon profitieren könnte, oder die älteren Freunde, die dann eben schnell was mitbringen oder holen.
Trotz allem müsste der Schwarzmarkt dann nicht mehr die Hauptbezugsquelle sein, sondern eben Shops, in denen man Cannabis legal erwerben kann. Problematisch könnte es hier allerdings auch wieder werden, wenn die Preise im illegalen Bereich deutlich unter die Erwerbspreise im legalen Bereich gehen.
Ein weiterer Punkt im Bezug auf den Schwarzmarkt wäre der Zugang zu anderen Drogen. Das ist hier natürlich deutlich einfacher, als in einem legalen Shop, aber auch hier wären wohl Zahlen nötig, wie viele Konsumenten durch den Schwarzmarkt auf härtere Drogen umgestiegen sind, um wirklich effektiv aufzuzeigen, was sich mit einer Legalisierung ändern würde/könnte.
Der große Vorteil, den ein legaler Erwerb mit sich bringt sehe ich ganz klar im Konsumentenschutz. Zum einen wäre es möglich, den Konsumenten genau darüber aufzuklären, was er da erwirbt und letztendlich zu sich nimmt. Das würde ja allein schon damit anfangen, dass man zumindest weiß, ob man Indica oder Sativa raucht und die unterschiedlichen Wirkungen beim Konsum berücksichtigen kann.
Auch wichtig ist der THC Gehalt, der sich beim illegalen Erwerb nicht nachvollziehen lässt.
Ein erhöhter THC-Gehalt in illegalen Cannabisprodukten und ein erhöhtes Konsumverhalten ist mit einer höheren Wahrscheinlichkeit an einer psychotischen Störung (u. a. Schizophrenie) zu erkranken assoziiert.Quelle:
Wikipedia: Tetrahydrocannabinol#cite note-PMID30902669-32M. Di Forti, D. Quattrone u. a.: The contribution of cannabis use to variation in the incidence of psychotic disorder across Europe (EU-GEI): a multicentre case-control study. In: The lancet. Psychiatry. [elektronische Veröffentlichung vor dem Druck] März 2019
Wobei ich auch das hier noch mit einwerfen möchte, weil wichtig (selber Wiki-Artikel):
Ein ursächlicher Zusammenhang ist bislang jedoch noch nicht gefunden worden. Deshalb bleibt unklar, ob Cannabis hier als alleiniger Faktor oder nur in Kombination mit anderen als Auslöser auftritt.Auch wenn die Meldungen über stark erhöhte THC Gehalte von amerikanischen Forschern als "übertrieben" betitelt werden, spielt der THC Gehalt eine Rolle bei der psychotropen Wirkung und erhöht das Risiko einer psychotischen Störung, je höher er ist. Wie genau das im Gehirn funktioniert, kann ich nicht sagen, wenn du dazu mehr rausfindest oder weißt, gern!
Jedenfalls könnte der legale Erwerb und das damit einhergehende Wissen über den Gehalt verhindern, dass Konsumenten ohne es zu wissen, Cannabis mit hohem THC Gehalt konsumieren. Wer trotzdem auf hochpotente Sorten zurückgreifen möchte, müsste dies dann auf eigene Verantwortung tun. Aber zumindest ermöglicht man den Konsumenten, sich damit auseinanderzusetzen, was sie da rauchen.
Außerdem könnte man so verhindern, dass irgendwas mit ins Gras "reingepanscht" wird. Ich weiß nicht, wie das generell so ist, hab dazu also auch keine Zahlen, Statistiken oder sonst was, aber in Bayern, da wo ich herkomme, hab ich es nicht selten erlebt, dass Leute da gepanschtes Zeug hatten, das dann z.B. auch ganz komisch roch. Wäre aber natürlich zu überprüfen, inwieweit das tatsächlich gefährlich ist.
Als letzten Punkt sehe ich noch die möglichen Steuereinnahmen, die durch eine Legalisierung entstehen könnten. Viele meiner Klienten sind Drogenabhängig, sei es nun Alkohol, Cannabis, Amphetamie, Ecstasy oder sonst was. Was ich immer und immer wieder merke - nicht nur bei mir, sondern auch bei Kollegen - die vorhandenen Hilfsangebote sind (zumindest hier im weiteren Umfeld) so gefragt, dass es beinahe unmöglich ist, zeitnah Hilfe zu bekommen. Viele Kliniken sind überlastet, haben keine Plätze mehr, sind überfordert mit der Organisation usw. und vielen Beratungseinrichtungen geht es genauso. Es mag zwar ein allgemeines Problem sein, dass wir hier zu wenig Therapieplätze haben, aber auch im Bereich der Suchtmittelabhängigkeit macht sich das bemerkbar. Ich spreche auch viel mit den Mitarbeitern dort, die Entzugsstation z.B. gehört zu der Einrichtung, bei der ich arbeite und was immer wieder durchkommt ist Überforderung. Zu wenig Personal, zu wenig Zeit für Fortbildungen, zu wenig Zeit für Patienten.. sicher ist das nicht nur hier problematisch, aber Steuereinnahmen könnten hier vielleicht zumindest einen Teil abdecken.
Aber auch hier, es ist nicht förderlich, wenn Mitarbeiter überlastet sind und infolge dessen nicht mehr in der Lage sind, adäquat mit Patienten umzugehen. Nur mal ein Beispiel; bevor man in Langzeittherapie (bei einer Abhängigkeit) geht, muss man erst auf eine Entzugsstation, um clean in der anderen Klinik anzukommen. Einer meiner Klienten (Cannabis) war genau an dem Punkt, nachdem er wirklich hart gekämpft hat, um dahin zu kommen. Wir sind zur Aufnahme und er hat gefragt, ob sich ein Arzt nachher mal seinen Fuß angucken kann, weil der weh tut. Die wurden natürlich hellhörig und haben die Aufnahme verweigert, da sie für eine Behandlung aufkommen müssten, wenn er dort auf Station ist. Mein Klient wusste das nicht, war ziemlich aufgebracht, hat sich aufgeregt, dass das doch nicht sein kann, dass das total scheiße ist, hat seine Tasche gepackt, ist raus und hat die Tür recht laut zugeknallt. Inzwischen hatten das auch andere Mitarbeiter der Station bemerkt und haben mir nicht allen ernstes gesagt, dass sie nach so einem aggressivem Verhalten gar nicht wissen, ob sie ihn noch aufnehmen wollen.. er hat niemanden beleidigt, nichts beschädigt oder sonst was, sondern einfach nur die Tür geknallt. Ganz ehrlich, so ein Verhalten muss man als Entzugsstation abfangen können. Die Mitarbeiter dort schienen sich aber tatsächlich darüber zu wundern.. er wurde letztlich aufgenommen, nachdem ich meinem Chef davon erzählt hab und er auch meinte, dass das nicht gehe und dort angerufen hat. Mich hat es massiv Überzeugungsarbeit gekostet, meinen Klienten zu überreden, doch noch zu gehen, weil er wütend auf das Personal da war. Wäre schade gewesen, wenn sein jetziger Erfolg dadurch verhindert worden wäre, dass die Mitarbeiter dort ihm gesagt haben, sie wissen nicht, ob sie ihn noch aufnehmen. Klar darf er das auf der anderen Seite auch nicht zu persönlich nehmen, aber man muss überlegen, dass es sich hier um einen psychisch kranken Menschen handelt und gerade Personal auf dementsprechenden Stationen eigentlich etwas feinfühliger sein sollten. Und wie gesagt, das ist nur ein Beispiel von vielen.
Was ich sagen will, man könnte durch eingenommene Steuergelder etwas dafür tun, dass sich die Situation für Hilfseinrichtungen verbessert. Man könnte bessere Präventionsarbeit leisten, man könnte mehr Aufklärungsarbeit leisten.
Nur mal ein paar Ansätze.
Ich bin generell für eine Legalisierung, aber auch der Meinung, dass es sich hier keinesfalls um "harmloses Zeugs" handelt, das total unbedenklich ist. Ich denke aber auch nicht, dass man es und gleichzeitig jeden Kiffer verteufeln oder bei jedem davon ausgehen sollte, dass sich der Konsum nur schön geredet wird.