@MissAnthrop Schranken zwischen Franken, der "fränkische Clasico"Nürnberg und Fürht treffen am Sonntag das zweite Mal in der Bundesliga aufeinander. Die Rivalität der beiden Klubs ist aber viel älter; Rot und Grün verbindet eine Hassliebe, vielleicht sogar noch viel mehr... . Eine ganze Region ist elektrisiert. Das Frankenderby ist mit bislang 255 Begegnungen das älteste und am häufigsten ausgetragene Fußballderby Deutschlands.
Ein Kontrollgang an der innerfränkischen Grenze.
Das Allerheiligste lagert im Keller, hinter einer Schranktür: grün-weiße Fanschals, Pullis, Mützen, Dutzende Trikots. Der Hüter des Schatzes heißt Helmut Ell. Vor jedem Spiel von Greuther Fürth, auch vor dem fränkischen Derby an diesem Sonntag gegen Nürnberg (17:30 Uhr), geht er in den Keller und wählt die optische Unterstützung aus. Dabei hat Ell keine ungehinderte Entscheidungsfreiheit: Was er in dieser Saison bereits bei einer Niederlage im Stadion getragen hat, ist tabu. Aberglaube gehört bei ihm ebenso dazu wie grenzenlose Gefolgschaft des hiesigen Fußballvereins. Auf der Treppe nach oben, zurück in die Küche und vorbei an all den gerahmten Bildern alter Mannschaftsfotos, berichtet Ell stolz, dass seine Enkelin zwar noch nicht viel sprechen kann, „Kleeblatt“ kommt ihr aber schon über die Lippen.
Ells Haus steht in Sack, einem Stadtteil von Fürth, im Knoblauchsland, wie sich diese Gegend in Mittelfranken nennt. Keine 500 Meter weiter ist die Stadtgrenze. Dort beginnt Nürnberg. Ell sagt: „Zum Arbeiten gehe ich darüber, wenn ich muss. Aber sonst? Was soll ich da?“ Ell setzt sich auf seine Eckbank, über ihm zig Bierkrüge, er arbeitet seit zwei Jahren für die örtliche Brauerei. Ell bringt seinen Job mit nach Hause, gut ausgestattet mit Bier im Keller und im Bauch, schmale Brille, lange Stirn, 51 Jahre. Er lacht viel. Ihm gegenüber: Matthias Schreppel, der lacht auch viel und hat noch ein paar Haare weniger als Ell, ist dafür aber zehn Jahre jünger. Auf seinem T-Shirt: ein Kleeblatt. Seine Oberarme sind grün tätowiert. Schreppel führt die Fanvereinigung Sportfreunde Ronhof, die Ell einst mitgegründet hat. Sie ist die größte des Vereins. Auch Schreppel geht nur in Ausnahmefällen ins rote Nürnberg. Er sagt: „Die behandeln uns von oben herab.“ Ell sagt: „Die sind gönnerhaft. Solange wir nicht ihren Hegemonialanspruch angreifen.“
Genau das aber hat Fürth getan: mit dem Aufstieg. Die Spielvereinigung Greuther Fürth ist nun (UND WAR
:D)erstklassig, genau wie der 1. FC Nürnberg. Die Rivalität der Städte zeigt sich nicht nur beim Fußball, dort aber am deutlichsten. Am Sonntag wird das älteste und meistgespielte Derby im deutschen Fußball zum zweiten und vorerst letzten Mal in der Bundesliga ausgetragen, Nummer 256. Die Stadien sind keine 15 Kilometer voneinander entfernt, doch die Bewohner der Städte trennt weit mehr als das Autokennzeichen.
Helmut Ell nimmt einen Schluck Bier. Am Fahnenmast im Vorgarten wird vor Auswärtsfahrten das Kleeblatt gehisst, das Vereinswappen. „Immer, wenn ich auf Tour bin für meine Jungs.“ Ell blickt nach Boxdorf, drüben, hinter dem Acker. Das ist Nürnberg. „Die sind genauso Provinz wie wir“, sagt Ell. „Nur werden die Nürnberger damit nicht fertig, die wollen mehr sein. Wir können damit locker leben.“
In den Chroniken kann man weit zurückblättern und entdeckt Unterschiede, die auch heute noch erzählt werden. Fürth ist einige Jahrzehnte älter, erstmals schriftlich erwähnt 1007. Fürth galt immer als etwas freiheitlicher, liberaler, hatte nie eine Stadtmauer. Nürnberg dagegen war eine Reichsstadt, der Kaiser errichtete hier seine Residenz. Stadtmauern, Festungsbauten prägten das Bild der Stadt. Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung sagt dazu: „Die Nürnberger haben dadurch sicherlich ein anderes Selbstbewusstsein. Bei einigen schlägt das dann auch mal in Überheblichkeit um.“ Jungs Nürnberger Kollege Ulrich Maly sieht das berufsbedingt anders. „Als großer Bruder steht man automatisch unter Imperialismusverdacht, ich glaube, es hat sich eine beidseitige Hassliebe entwickelt.“ Eine halbe Million Einwohner hat Nürnberg, Fürth nur etwa ein Viertel davon.
Die Kräfteverhältnisse wechselten in den Jahrhunderten, die Rivalität aber wuchs. 1835 fuhr die erste Eisenbahn Deutschlands zwischen Nürnberg und Fürth, die wenig später errichtete Nord-Süd-Bahn lief allerdings um Fürth herum, angeblich auch auf Druck von Nürnberger Amtsträgern.
Für den Geschichtsinteressierten.
;)GeschichteAnfang des zwanzigsten Jahrhunderts gründeten sich die Fußballvereine 1. FC Nürnberg und SpVgg Fürth, und schnell entwickelte sich eine große Rivalität, die besonders brisant wurde, da beide Mannschaften lange Zeit zu den besten Klubs Deutschlands gehörten. Die Städte grenzen seit 1899 direkt aneinander und sind beinahe verwachsen.
AnfängeErstmals fand es Herbst 1902 statt und endete 15:0 für Nürnberg. Allerdings können die ersten drei Spiele nicht bedingungslos in die Statistik eingerechnet werden, da damals noch die Fußballabteilung des TV 1860 Fürth antrat, die erst am 23. September 1903 selbstständig wurde. Im Dezember 1908 endete erstmals ein Spiel unentschieden (3:3) und am 20. Oktober 1910 gab es den ersten Sieg für Fürth (2:1). Dieser erste Sieg war zudem das erste Derby, das auf dem Fürther Sportplatz am Ronhofer Weg, dem damals größten Sportplatz des Deutschen Reiches, ausgetragen wurde. Die Zuschauerzahl betrug rund 10.000.
Franken als deutsche FußballhochburgAllgemein gelang es Fürth in den 1910ern, an Nürnberg vorbeizuziehen, was in der ersten deutschen Meisterschaft im Jahr 1914 gipfelte. 1920 gewann dann erstmals Nürnberg die Victoria, nachdem im Finale Fürth geschlagen worden war. Es war die unmittelbar folgende Meisterschaftssaison, da der Erste Weltkrieg zwischendurch zur Unterbrechung des Spielbetriebs geführt hatte. Vom 8. Juli 1918 bis zum 5. Februar 1922 blieb Nürnberg in 104 Verbandsspielen ungeschlagen. Anfang und Ende dieser Serie wurden von Niederlagen gegen Fürth bestimmt. Die 1920er bedeuteten für beide Vereine die erfolgreichste Zeit. Größere Bekanntheit erreichte eine Anekdote vom 21. April 1924. Damals waren für ein Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Niederlande ausschließlich Spieler von Nürnberg und Fürth nominiert worden. Deutschland gewann in diesem Spiel erstmals gegen die Niederlande, die Akteure verbrachten jedoch Hin- und Rückfahrt in nach Vereinen getrennten Zugabteilen. 1929 wurde Fürth zum letzten mal Meister, wobei das Finale gegen Hertha BSC im Nürnberger Stadion ausgetragen wurde. Exemplarisch für die Härte, in der die Derbys zu dieser Zeit bestritten wurden, ist ein Spiel vom 6. Oktober 1929. Damals gab es 87 Freistöße und drei Platzverweise. Endstand war 1:1.
Anfang der 50er Jahre schaffte es das Frankenderby nochmals, sich zu einem der hochklassigsten Fußballspiele Deutschlands zu etablieren. Eine 2:7-Heimniederlage der Nürnberger gegen Fürth vom 1. Oktober 1956 kommentierte der ehemalige Nürnberger Außenläufer Hans „Bumbes“ Schmidt mit den Worten: „Die Tränen haben mir in den Augen gestanden, wie die gespielt haben! Und ausgerechnet die Blödel aus Fürth gewinnen das!“ Das Zitat erreichte deswegen Bekanntheit, weil Schmidt zu diesem Zeitpunkt der Fürther Trainer war.