Sascha81 schrieb:In dem 70er und 80er Jahren sind in jeder Bundesliga Saison mindestens 1000 Tore gefallen und seit Anfang der 90er sind nur noch über 800 oder über 900 Tore gefallen. Kann es sein das die FIFA da auch irgendetwas gemacht hat, so dass die Spieler dafür bezahlt werden absichtlich am Tor vorbei schießen, auch bei einer klaren Torchance?
Der Fussball hat sich in den höchsten Spielklassen ab dem Beginn des 21.Jahrhunderts verändert. In den letzten Jahren war es so das im durchschnittlichen Verhältnis weniger Tore geschossen wurden als in den Jahrzehnten zuvor.
Warum ist das so ?
Meiner Ansicht nach hat das damit zu tun weil die Spieler seit dem neuen Jahrtausend sehr viel besser ausgebildet werden, sowohl im taktischen wie auch im physischen Bereich. Darüber hinaus ernähren sie sich auch besser nach modernen sportwissenschaftlichen Erkenntnissen. Gerade im letzteren Fall ergibt sich daraus mehr Laufleistung pro Spieler und die Räume werden somit automatisch enger bei gleichzeitig schnellerem Spiel.
Eine weitere Erklärung sind die modernen taktischen Systeme mit denen die Bundesligisten heutzutage operieren.
In den 70´ern bis in die 80´er spielten die Bundesligisten mit einem Libero hinter zwei Innenverteidigern und davor einem Vorstopper in einem 1-4-3-2 System bei defensiver Ausrichtung oder auch einem 1-4-2-3 System bei offensiver Ausrichtung. Da die Laufleistung in dieser Zeit im Verhältnis zu heute unterirdisch war und man im wahrsten Sinne des Wortes von Standfussball sprechen konnte waren die Räume groß und es gab mehr Platz zum agieren was somit zu mehr Toren führte.
In den 90´ern fand eine "Revolution" des Fussballs statt auf taktischer Ebene. Gerade die Teams aus Italien wie der AC Mailand spielten in einem neuen taktischen System, das berühmte 4-4-2. Bei Ballverlust bildeten sich 2 Abwehrreihen von je 4 Spielern die eng gestaffelt miteinander interagierten. Man ging außerdem dazu über auf Manndeckung zu verzichten und die Spieler des Gegners im Raum zu decken. Dadurch wurde das Spielfeld aus taktischer Sicht sehr eng für den Gegner. Allerdings war die Laufleistung im Verhältnis zu heute immer noch mangelhaft was im Durchschnitt immer noch zu mehr Toren führte.
Heute wird zumeist nur noch mit einer echten Sturmspitze gespielt, wahlweise auch mit einer "falschen 9", was somit einen oder gar zwei Spieler frei macht für´s Mittelfeld. Dort werden dann folgerichtig bei Ballverlust die Räume enger als je zuvor und es wird "gepresst". Borussia Dortmund unter Jürgen Klopp benutzte dabei ein System das bis zur Perfektion einstudiert wurde, das sogn. "Gegenpressing". Die Laufleistung der Spieler ist bei diesem System von entscheidender Bedeutung da schon tief in der Hälfte des Gegners versucht wird den Ball zurück zu erobern. Darüber hinaus ergibt sich aus taktischer Sicht eine Einteilung des Spielfelds in "Zonen". In manchen "Zonen" wird der Mann gedeckt und in anderen geht das Team in die Raumdeckung über. Das macht das Spiel in der Verteidigung sehr variabel und macht es dem Gegner schwerer als je zuvor überhaupt bis an den eigenen 16´er zu kommen.
Eine weitere Erklärung die zur Ermangelung an Toren führt sehe ich in der philosophischen Grundausrichtung moderner Trainer. Die Bundesligisten sind heute Wirtschaftsunternehmen und dabei ist es die oberste Pflicht NICHT ZU VERLIEREN. Demzufolge legen die Trainer besonders viel Wert aus das Vermeiden von Gegentreffern. Jedes Gegentor kann in der heutigen Zeit zum Verlust der Partie führen und somit im schlimmsten Fall Millionen von Euro kosten.
Auch sitzen die Trainer heutzutage auf einem "heissen Stuhl". Verliert ein Trainer 3-4 Spiele in Folge dann steht sein Job auf dem Spiel. Demnach versuchen die Trainer in erster Linie alles um keine Tore zu kassieren. Die sogn. "0" muss dabei stehen. Wenn man sich dahingehend sicher fühlt dann wird an Offensivaktionen gedacht, aber nicht vorher.
Noch eine Erklärung im philosophischen Sinne ist die Art wie die Trainer Fussball spielen wollen. Wollen sie Konterfussball spielen oder wollen sie Ballbesitzfussball spielen ?
Treffen 2 Mannschaften aufeinander bei der die eine Mannschaft den Konterfussball beherrscht und die andere den Ballbesitzfussball dann ergeben sich die meiste Zeit Spielsituationen in der die eine Mannschaft den Ball hin-und her passt und dabei die Breite des Platzes nutzt ohne Raum zu gewinnen weil die Kontermannschaft sprichwörtlich "den Laden dicht macht" und nur auf seine Chance wartet um überfallartig zu kontern was zu einer Art "Zerstörung" des Spielflusses führt.
Gerade der FC Bayern München beherrscht in der Bundesliga den Ballbesitzfussball wie keine zweite Mannschaft und ist in der Lage bei Ballverlust sofort gegen zu pressen so das die Kontermannschaft selten Chancen besitzt nach vorn zu spielen denn sie verliert den Ball sofort wieder weil keine Anspielstationen verfügbar sind. Bedingt wird das im Besonderen durch Manndeckung in Ballnähe und einer sehr hoch stehenden Innenverteidigung, sehr oft bis in den Hälfte des Gegners hinein.
Ja, also so erkläre ich mir das.