@Hoffmann Hoffmann schrieb:Damit "die Götter" aber dennoch ihren Platz irgendwie einnehmen konnten, kam den Autoren der Umstand entgegen, dass "Elohim" einerseits eine Pluralform ist, aber andererseits bereits schon wie eine Singularform benutzt wurde.
Leuchtet Dir das etwa selber ein? Es wird ausdrücklich das Wasser des Chaos angesprochen, das für die Mesopotamier eine Wesenheit ist. Es werden ausdrücklich die Gestirne, namentlich Sonne und Mond erwähnt, die für die Mesopotamier Hochgötter sind. Kein Gestirnverehrer, der Sonne und Mond despektierlich als an den Himmel gehängte Zeitmesser-Lampen vorgesetzt bekommt, hat die Chance, seine Götter harmonisierend im "Der Die Götter Seiende" genannten Akteur wiederzufinden. Der Gestirnverehrer fühlt sich nur eines: vor den Kopf gestoßen.
Versuch, Dich da mal reinzudenken, wie sowas bei den Betreffenden ankommt, statt Dir was auszudenken, was sich nicht reimt.
Selbst die Mesopotamier kennen den Herrschafts- und Hoheitsplural, wie er in "Elohim" zur Bezeichnung eines Einzelnen vorkommt. In der babylonischen Spätzeit wurde der Mondgott Sin "Götter der Götter" genannt. Jedem war klar, daß das erste "Götter" singularisch gemeint ist, und das zweite pluralisch. Verdammt, es ist ihre Muttersprache, die sind doch nicht blöd! Und wenn in einer jüdischen Schöpfungsgeschichte der Akteur "Götter" genannt wird und die dazugehörigen Verben im Singular stehen - dann denkt keine Sau daran, hier einen aus Harmoniegründen subsumierten Polytheismus rauszuhören.
Hoffmann schrieb:Gut. Dann müsste man herausfinden, wie die Situation zur Zeit des Exils war. Ich könnte mir vorstellen
Bitte nicht! Nicht so. Ich erwarte nicht, daß Du erst mal ein paar Wochen/Monate lang in die Bibliothek gehst und Dich ausführlich in die aktuelle Fachliteratur einarbeitest. Ein bißchen Netrecherche wäre schon mal nicht schlecht, und sei es bei Jörg Sieger. Aber zumindest solltest D8u mitbekommen haben, daß hier jemand anwesend ist, der nicht ganz so unbeleckt ist in der Materie. Wenn es also ums "Herausfinden" geht, ist "Nachfragen" allemal sinnvoller als "Spekulieren". Nicht daß Du das Spekulieren sein lassen sollst, nein, es ist wichtig, ja unverzichtbar!
Um es zu verdeutlichen: Am Anfang hast Du dem Schöpfungsbericht einen Harmonisierungswillen unterstellt mit der Begründung, daß dies das Anliegen der Schöpfungsberichtschöpfer war, die Leutz nicht zu verlieren, sondern selbst für Polytheisten attraktiv zu sein (mal verkürzt wiedergegeben). Das war nicht wirklich eine Begründung, sondern Du hast Dir diese "historische Situation" zusammengebastelt, um Deine These vom Harmonisierungswillen plausibel zu machen. Und die These selbst sollte ja die Grundannahme vom polytheistischen Hintergrund des Plurals "Elohim" stützen, ebenfalls als "gebasteltes Argument" und nicht als echte Erkenntnis.
Ich reagiere schnell gereizt darauf, wenn ich es erlebe, wie sich jemand die Realität zurechtbastelt, um ne These am Leben erhalten zu können. Wenn jemand die Realität nicht kennt, aber seine These dennoch am Leben erhalten möchte, dann verdammt nochmal kann er doch fragen, ob die Realität womöglich so und so aussah, weil eben dann die These noch immer gerechtfertigt sei. Also: "
Könnte es denn nicht so gewesen sein, daß die Verfasser des Schöpfungsberichtes versucht haben, ihre Leute bei der Stange zu halten, indem sie den Polytheismus der babylonischen Umwelt positiv in ihren monotheistischen Schöpfergott durch den Plural "Elohim" integrierten?" Das ist immer noch spekuliert. Aber es ist eben auch sehr offen formuliert. Das ist ein "ich könnte mir vorstellen" zwar auch, aber letzteres zeigt mehr den Wunsch, daß dem so sei, als das Interesse an der Information. Wie gesagt; Du solltest bemerkt haben, daß hier einer anwesend ist, der "Information" hat. Jedenfalls mehr, als Dir bis jetzt zur Verfügung steht - in dieser einen, konkreten Thematik.
Hoffmann schrieb:Ich könnte mir vorstellen, dass ein Teil der Priesterschaft eher offen und tolerant für fremde Einflüsse war und ein anderer Teil eher konservativ bis ultra-orthodox in Bezug auf die Tradition. Ebenso wird es bei den dort lebenden Israeliten gewesen sein, die nicht der Priesterschaft angehörten. Alles in allem eine ziemlich verworrene Situation, die darin münden kann, sowohl die einen wie auch die anderen nicht zu verschrecken, um sie möglichst zahlreich unter einen Konsens zu bringen. Die Variante mit "Elohim" im Sinne eines "Sowohl-als-auch" würde sowohl die konservativen wie auch die weniger konservativen, dafür aber "patriotischen" Kräfte einbinden.
Grundsätzlich ist es richtig, daß es Exilanten gab, die an Integration interessiert waren, auch an den Göttern Mesopotamiens, und andere, die mehr auf die Bewahrung der eigenen Identität und aufs Festhalten an dem einen Gott aus waren. Klar gab es beides. Aber die Frage ist doch, von wem stammt der Schöpfungsbericht bzw. für wen war er konzipiert. Und das kannst Du nicht einfach daraus folgern, welche Gruppeninteressen es historisch gab, sondern das mußt Du aus dem Text erheben. Und der Text gibt ja nun mehr als deutliche Signale dafür ab. - Das Bedenken der historischen Gegebenheiten ist dennoch wichtig, aber eben in anderem Sinne.
Hoffmann schrieb:1. Es ist aufschlussreich, dass in mesopotamischen Mythen als gemeinschaftliches Unternehmen der Götter geschildert wird. Es ist das Götterkollektiv und nicht eine Einzelgottheit, die den Menschen hervorbringt.
Das habe ich gelesen, und der religionswissenschaftliche Vergleich ist schon wichtig. Doch bedeutet es nur, daß aus diesem Grund nur bei der Menschenschöpfung eine Selbstberatung Gottes mitgeteilt wird. Aber nicht, daß damit der Polytheismus in irgendeiner Weise noch drinstecken würde. Verdammt, selbst die unterschiedlichen Beiträge der verschiedenen Akteure sind hier komplett flöten gegangen: nach der Selbstberatung kommt kein mehrschichtiges Machen und Tun und Beisteuern, sondern ein einfaches "Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild". Nein, es geht nicht um viele Aktionen (hinter denen ursprünglich viele Mitmacher standen). Nur die Selbstberatung, die wie der gemeinsame Götterbeschluß die Wichtigkeit der Menschenschöpfung verdeutlicht, nur das wurde aufgegriffen.
Hoffmann schrieb:2. Obwohl keine sachliche oder erzählerische Ausgestaltung (der kollektiven Schöpfung) vorliegt, kann man annehmen, dass diese Vorstellung im priesterlichen Schöpfungsbericht mitschwingt.
Das ist - eben! -
kein Argument. Wenn nichts darauf hindeutet, was begründet es denn dann, daß man "annehmen kann"? Hinweise legen etwas nahe, aber doch nicht das Fehlen von Hinweisen.
Hoffmann schrieb:3. Auf S. 50 findet sich kurz gerafft eine Erläuterung, warum der Schöpfungsbericht an Interesse gewann: Eine Art Heilsgeschichte ließ sich nicht mehr vermitteln. Die Welt war internationaler geworden. Die Schöpfungstheologie stellte einen neuen Reflexionshintergrund bereit, in dem u.a. auch die Heilstraditionen Israels neu bearbeitet werden konnten.
Das schon, aber was hat das mit dem Polytheismus zu tun? Der Gott Israels als reiner Nationalgott hat mit dem Untergang der israelitischen Staatlichkeit und mit dem Landverlust "versagt", eine Heilsgeschichte in diesem engen nationalen Rahmen ist daher "in der Krise". Die Lösung war historisch gesehen die Universalisierung des Anspruchs JHWHs auf die ganze Welt. Dann war er nicht mehr ein Gott im Pantheon der Götter der Völker und als solcher ein Unterlegener, unter den Göttern Babylons Stehender. Sondern er ist nun der einzige Gott, der Gott aller Welt, der nicht nur Israel schuf, sondern die ganze Welt. Und als einziger Gott war er auch der Verursacher der Eroberung Judas durch die Babylonier; sie waren sein Werkzeug, um sein Volk zu züchtigen und zu leiten. Es ist gerade der Monotheismus, der die nationale Heilsgeschichte zu einer Universalgeschichte umgestaltete. Nicht das Miteinbeziehen der anderen Götter, sondern ihr völliger Ausschluß war das neue Angebot.
Das Argument besagt also das genaue Gegenteil von dem, was Du da zu hören meinst.
Hoffmann schrieb:Ja gut, aber das war doch zeitlich nach dem Exil, als die Exilanten festgestellt hatten, wie stark sie sich von den Daheimgebliebenen entfremdet hatten. Zu dieser Zeit war der Schöpfungsbericht doch schon verfasst worden.
A>ber es zeigt, welche Einstellung das Exil beherrschte. Die verstärkte Hinwendung zur eigenen Identität, zu den Geboten, zum eigenen und einen Gott. Das kannst Du daran erkennen, daß die Heimkehrer ihre daheimgebliebenen Landsleute darin deutlich überholt hatten.
Hoffmann schrieb:Vielleicht einmal grundsätzlich eine Anmerkung: Für mich ist das alles weitgehend thematisches Neuland. Falls ich also den einen oder anderen Bock schießen sollte, liegt das daran, dass ich nicht so tief in der Materie drinstecke wie manch anderer hier, der sich vielleicht schon Jahre oder Jahrzehnte mit diesen Dingen auseinandergesetzt hat.
Wie gesagt, dann frag einmal mehr, statt Dir historische Begebenheiten zusammenzureimen und diese dann die Last Deiner Argumentation tragen zu lassen.
Hoffmann schrieb:Für mich ist interessant, ob die polytheistische Interpretation von "Elohim" trotz ungünstigerer Quellenlage dennoch als plausible Alternative bestehen kann.
Nicht dieser Vokabel. Das ist ausgeschlossen, aus dem bloßen Vorhandensein des "Elohim" so etwas anzunehmen. Du müßtest schon einzelne konkrete Texte selber prüfen, ob in ihnen versöhnliche, die anderen Götter irgendwie positiv aufgreifende Inhalte zu finden sind. In so einem Falle könnte dann sogar der Plural Elohim mal "poly" gemeint sein. Aber das muß der Text selber hergeben, die Vokabel ist nicht dazu imstande.
Pertti