Heide_witzka schrieb:Du doch auch nicht.
That's it!
Wenn etwas unerklärlich ist, weil jede bekannte Erklärung ausgeschlossen wurde, dann ist es eben - unerklärlich.
Und dennoch gilt weiterhin: Eher "in place" als "out of place". Oder mit Occam gesprochen, die These mit den wenigsten Zusatzannahmen hat Vorrang. Noch anderser formuliert: exotische Erklärungen stehen stärker in der Belegpflicht. Meint aber alles dasselbe.
Ein Beispiel. In der südlichen Levante (südlicher Bereich Kanaan/Israel/Palästina) fand man bronzezeitliche Keramik. Von wem stammt die? Natürlich geht man von Einheimischen aus, die diese Keramik hergestellt haben dürften. Nun hat man da in der Gegend viel Keramik gefunden, aus dieser Zeit und auch aus früheren (und späteren) Zeiten. Aber die Form und Verzierung dieser Keramik läßt sich in Form und Verzierung keiner bekannten Kultur, Stilform und Epoche zuordnen. Und nu? Klar, manchmal werden neue Stilformen, Bearbeitungstechniken etc. entwickelt, aber in der Regel kann man da erkennen, aus welcher Vorstufe sich das allmählich herausentwickelte. Diese gefundene Keramik aber paßt zu nichts und läßt keine Verwandtschaft zu ner Vorstufe erkennen.
Nun kann man auch damit rechnen, daß diese Keramik nicht vor Ort hergestellt, sondern importiert wurde. Und in der Tat, diese plötzlich in der Levante auftauchende Keramikform hat in der Ägäis Pendants, ist also Importware.
Hätte man hingegen auch sonst nirgends in der Welt Keramik aus ungefähr der selben Zeit gefunden, zu der diese Paßt, oder hätte man solche Keramik zwar gefunden, aber in Mesoamerika oder Japan, dann hätte die bloße Parallelität der Keramik als Erklärung nicht ausgereicht. Die bronzezeitlichen Handels- und Kontaktwege sind bekannt, da paßt Ägäis als Erklärung. Selbst wenn die damalige Ägäis-Region archäologisch als "fernab und kontaktlos" gegolten hätte, die uns bekannten Entfernungen und Transportmöglichkeiten erlauben einen solchen Kontakt, auch wenn er sonst noch nicht bekannt gewesen wäre. Handelskontakte in der Bronzezeit mit Mesoamerika oder Ostasien hingegen fällt da raus.
Ist also solch eine Keramik aus der Levante unerklärlich, unherleitbar, dann kann sie ne totale Neuerfindung ohne Vorstufe von Einheimischen gewesen sein, sie kann aber auch von woanders her importiert worden sein, und wir wissen bloß mangels Belegfunden nicht, von woher. Selbst Aliens wären möglich. Ebenso die obigen Mesoamerikaner / Japaner mit durchaus vergleichbarer Kramik. Aber dennoch ist die These, daß es die Einheimischen waren, die da ne Innovation wurzellos hervorgebracht haben, stets vorzuziehen. Wieso annehmen, das hätten Nachbarkulturen hervorgebracht, wenn es da genauso wenig Vorgängerformen gibt? Und wieso sollte etwas nicht mehrfach erfindbar sein, das ist leichter, als mit bronzezeitlichen Mitteln und Möglichkeiten nach Mesoamerika oder Ostasien zu gelangen.
Wenn es keine Erklärung gibt, dann gibt es die nicht. Aber dennoch bleibt es dabei, erst an "in place" zu denken, erst das mit den wenigsten Zusatzannahmen, erst das Unexotischste. Wenn die Erklärungen fehlen, bleibt die Spekulation, aber die sind eben nicht alle gleichwertig.