wolf359 schrieb:Da gab es schon so einige Zweifel, besonders da der Raum zwischen den Sternen extrem groß ist und es vielleicht wenige kosmische Ereignisse gibt, die einen größeren Himmelskörper aus dem Schwerkraftbereich eines Sterns reißen können. Dazu ist eine Nahebegegnung mit einer fremden Sonne (wie bei Oumuamua...) nach einer extrem langen Reise (bei zwei Sonnensystemen mit Eigenbewegung...) fast schon so eine Art Punktlandung deren Wahrscheinlichkeitswert gegen Null gehen dürfte...
Wer hatn da diese Zweifel gehabt?
Nehmen wir doch mal die Oortsche Wolke. Während der Kuypergürtel gerade mal bis 150 Astronomische Einheiten von der Sonne weg reicht, schaffen es die Außenbereiche der Oortschen Wolke bis auf 100.000 AE. Das sind immerhin 1,6 Lichtjahre, mehr als 1/3 bis zum sonnennächsten Nachbarstern.
Nun sind die Sterne ja nicht am Himmel fest angepinnt. Sie umkreisen das galaktische Zentrum. Allerdings in recht unterschiedlichen Bahnen. So verändern die Sterne allmählich ihre Position untereinander. Und verändern auch ihre Distanzen zueinander. Hier mal eine Grafik über die Veränderung der Distanz einiger Nachbarsterne zur Sonne von vor 20.000 Jahren bis in 80.000 Jahren.
Innerhalb der nächsten 50.000 Jahre werden sich vier Einzelsterne und ein Doppelsternpaar (oer drei einzelne und ein Dreiersystem, je nach Stellung von Proxima Centauri) der Sonne auf weniger als 4 Lichtjahre nähern (und dann wieder entfernen). Ross 248 wird es sogar auf ziemlich genau 3 Lichtjahre ran schaffen. Das Doppelsternsystem Alpha Centauri A und B hat grob zwei Sonnenmassen; entsprechend wird deren "Oortsche Wolke" eher größer ausfallen als die unsrige. Vor allem aber wird der Alpha Centauri zugewandte Außenbereich der solaren Oortschen Wolke innerhalb des Außenbereichs des Oortsche-Wolke-Pendants von Alpha Centauri liegen. Und da das Doppelsternsystem eine stärkere Gravitationskraft bei gleicher Distanz ausübt, gehören die hiesigen Objekte unserer Oortschen Wolke während des Transits zur Oortschen Wolke des Doppelsterns. Und fangen an, diesen zu umkreisen. Wenn Alpha Centauri dann wegfliegt, könnte er einen Teil dieser Objekte also mitnehmen. Andere hingegen wird Alpha Centauri jedenfalls aus ihrer stabilen Bahn gebracht haben. Einige werden einen neuen festen Orbit finden, einige vielleicht ins Innere unseres Sonnensystems fliegen, andere aber sicher in die Weiten des interstellaren Raumes entweichen.
Auch wenn es so aussieht, die 3 Lichtjahre Annäherungsmaximum sind keine natürliche Grenze, wie nahe zwei Sterne der Galaxis aneinander vorbeifliegen können. Vor 70.000 Jahren zum Beispiel schaffte es das Doppelsternsystem "WISE J072003.20−084651.2", auch Scholz' Stern genannt, auf 52.000 AE nahe an unsere Sonne. Zum Glück brachten die beiden Sterne es auf gerade mal 0,06 (B) und 0,08 (A) Massen der Sonne. Ein System mit einer Sonnenmasse hätte gehörigen Schaden selbst bei den Bahnen der Planeten unserer Sonne anrichten können. So aber kann er "nur" unter den Objekten unserer Oortschen Wolke zu Bahnirritationen gesorgt haben. Innerhalb der nächsten zwei Millionen Jahre werden wir es wissen (so lange kann es dauern, daß Oortsche Objekte nach Bahnänderung bis zu uns vorstoßen).
Die Sternendichte hier in unserer Region der Milchstraße ergibt laut Hochrechnungen, daß mit einem Sternentransit in so großer Nähe wie Scholz' Stern nur alle 9 Millionen Jahre zu rechnen ist. Daß ein Stern die Oortsche Wolke durchfliegt bzw. wenigstens streift, damit ist schon im Schnitt alle 100.000 Jahre zu rechnen. Also 46.000 mal seit Entstehung des Sonnensystems.
Noch dies zur Oortschen Wolke. Diese ist nicht belegt, es handelt sich um ein hypothetisches Konstrukt. Das heißt allerdings nicht, daß wenn es die Oortsche Wolke nicht gibt, dieser Raumbereich leer wäre. Dort befinden sich kleinere und größere Objekte, egal, ob man den ganzen Bereich nun Wolke nennen kann oder nicht. Und selbstverständlich umkreisen diese Objekte bis wenigstens 100.000 AE Distanz unsere Sonne, da deren Gravitation dort noch immer dominiert. Und ebenfalls bleibt es dabei, daß ein naher Sternentransit unter den dortigen Objekten zu Bahnänderungen führen wird.
Nur muß man sich vor Augen führen, daß in dem Raumbereich, der für die Oortsche Wolke gehalten wird, bis eine Billion Objekte vorkommen. Dieser Raumbereich ist damit so leer, daß in einem Bereich mit einem Durchmesser, daß der Saturn auf seiner Bahn da noch reinpaßt, gerade mal ein Oortsches Objekt vorkommt. Dennoch können bei einem Transit eines sonnenschweren Sternes in zwei Lichtjahren Entfernung oder einem masseärmeren in größerer Nähe zahllose Millionen von Objekten aus ihrer Bahn geworfen werden. Etliche davon nehmen einen neuen stabilen Orbit in Sonnenferne ein, andere wechseln das Zentralgestirn, wiederum andere dringen in den inneren Bereich des Systems vor, und ein kleiner Prozentsatz dürfte in den interstellaren Raum gehen. Und das alle paar Millionen Jahre, und das seit mehreren Milliarden Jahren.
Innerhalb eines Raumbereiches von knapp 2,4 Lichtjahren Radius um unsere Sonne könnte es also seit der ersten Sternengeneration unserer Milchstraße solche freigesetzten "Vagabunden" geben. Und zwar X Milliarden davon. Wenn die in alle möglichen Richtung fliegen, wird (ohne Berücksichtigung von Gravitation) pro Sternensystemdurchflug jeder zehnmilliardste dabei sich der Sonne auf bis 1,5 AE nähern. Wüßten wir nun, wie groß "X" ist sowie, wie lange es dauert, von einem beginnenden Sternensystemdurchflug bis zum nächsten Beginn eines solchen Sternensystemdurchflugs (nach Oumuamuas von Forscherkreisen veranschlagter Geschwindigkeit für den Rand des Sonnensystems wären das mehrere tausend Jahre), dann könnten wir abschätzen, alle wieviel Jahre wir mit einem extrasolaren Kometen im inneren Sonnensystem rechnen dürfen.
Also ich find, das klingt gar nicht so nach "Wahrscheinlichkeitswert gegen Null".