Euer letzter Traum
16.10.2017 um 10:57
In letzter Zeit habe ich eine ganze Serie an Albträumen, die alle miteinander zu tun haben und das gleiche Thema behandeln.
Die Welt ist ein grauer, trauriger Ort. Technisch gesehen, hat sich die Menschheit sehr weiterentwickelt, aber je größer der Fortschritt, desto kleiner werden dort die Emotionen. Die Bevölkerung versklavt sich selbst. Sie sind Gefangene ihrer eigenen Ideologie. Ablehnung, das Aussprechen des kleinen Wörtchens "Nein" oder auch Entschuldigungen sind verboten. Wer dagegen verstößt, wird kollektiv festgehalten, weggesperrt und später getötet. Für die Menschen ist es aber vollkommen normal. Sie sind in dieses System hineingeboren und wissen nicht, ob man auch andere Gedanken haben kann.
An der Spitze steht eine rudimentäre Regierung, die von einigen wenigen gelenkt wird. Als Vorwand wird behauptet, die Bevölkerung sei komplett selbstbestimmt, wird insgeheim jedoch von ihrem eigenen, angelernten Verhalten beeinflusst. Jede Zuwiderhandlung oder Kritik am System wird bestraft mit Ausgrenzung. Somit soll die soziale Sicherheit gewährleistet bleiben. Die Gesellschaft ist so stetig und trocken, wie der Beton, aus dem der Großteil ihrer Welt besteht. Es gibt keine Krankheiten, nationale Grenzen oder politische Konflikte. Genetische Mutationen werden noch vor ihrer Geburt "abgeschafft", um die "Reinheit der Menschheit" zu gewährleisten.
Als Arbeitsgesellschaft wird der Mensch in Klassen unterteilt. Verwaltung und Polizei (es gibt keine Verbrechen) gelten als oberste Klasse. Arbeiten, die in unserer Welt kreatives Vorgehen erfordern (Koch, Schneider, Tischler, usw.) bedeuten für den Menschen, der sie ausübt, in der untersten, schmutzigsten Klasse zu leben. Je weiter unten man im Klassensystem steht, desto weniger Anerkennung hat man. Man lebt meist in Armenvierteln, hat pro Person höchstens 3m² Wohnfläche zur Verfügung. Dennoch empfindet es jeder als normal und gerecht.
Tiere und Pflanzen dienen allein der Nahrungsbeschaffung und werden in riesigen Anlagen gehalten. Genau wie die Menschen, die sie verzehren.
Ich selbst nehme in jedem Traum unterschiedliche Rollen ein. Vielleicht ist es aber auch nur eine Rolle zu unterschiedlichen Zeitpunkten. So genau weiß ich das nicht, da die Träume immer nur Ausschnitte zeigen. Besonders zwei Arten von Träumen sind immer besonders präsent:
1. Ich bin ein normaler Bürger, der seiner täglichen Arbeit nachgeht. Meine Freizeit besteht, wie bei jedem anderen auch, aus der Versammlung mit anderen Menschen. Mit Brot und Spielen wird die Menschheit bewusst dumm gehalten. Sie darf nicht kritisieren. So ist es mir auch psychologisch gesehen nicht möglich, eine Kritik zu äußern. Doch immer öfter stelle ich mir selbst Fragen über meine eigene Existenz als Lebewesen. Da dieses Verhalten verboten ist, muss ich es für mich behalten. Ansonsten müsste ich zu einem "Arzt". Solche Verschreiben einem immer eine Neukonditionierung. Man nimmt eine Pille und wird auf der Stelle durch die Medizin getötet. So bleibt das Kollektiv gesund und es kann kein "geistiges Krebsgeschwür" entstehen.
In diesen Träumen kenne ich oft eine Person, von der ich vermute, dass sie einer Widerstandsbewegung angehört. Obwohl es vom Verstand des Kollektivs nicht möglich erscheinen dürfte, dass es solche Menschen gibt, offenbart mir diese Person - mal Mann, mal Frau - die Wahrheit über ihr Wesen.
In einem bestimmten Traum (vom 08.10.2017) will ein solcher Mann sein Leben mit mir verbringen. (Vermutlich bin ich selbst eine Frau) Ich breche in Tränen aus, was bereits nicht erlaubt ist, und sage die verbotenen Worte "Tut mir leid". Er fragt mich entsetzt, was ich da tue und verschwindet schnell in der Menschenmenge, die mich umzingelt, damit bald ein Arzt von der Polizei mich euthanasiert. Für mich als normaler Bürger wäre es normal und ich würde mich freiwillig selbst töten. (Wenn da nicht diese Fragen über meine Existenz in letzter Zeit wären)
2. Ich gehöre selbst diesem Widerstand an. Wir beschützen die Menschen vor sich selbst. Wir führen einen Kampf gegen die Regierung, von dem die Bürger aber nichts wissen. Sie sollen davon nicht erfahren, damit sie gar nicht erst auf die Idee kommen, dass es Andersdenkende gibt.
In einem Traum (vom 12.10.2017) ist es meine erste Aufgabe als frischer Rebell einen Vorposten zu verteidigen. Überall fliegen Drohnen und wollen uns töten. Aber ich kann sie abwehren und unsere Wissenschaftler beschützen. (Im Wachleben würde ich lieber auf Seite der Wissenschaftler sein.) Jedoch bleibt es nicht nur bei den Drohnen und es schleichen sich einige Polizisten um den Vorposten. (Mehr eine militante, geheime Regierungsspezialeinheit. Erinnert an eine kleine Armee
Ich erschieße einen dieser Polizisten und sein Blut klebt an meinen Händen. Darauf sehe ich sie an und der Geruch von Eisen steigt in meine Nase. Den Tränen nah, kommen mir so starke Selbstzweifel, dass ich am liebsten anfangen würde zu schreien. Wenn die Polizisten nicht in der Nähe wären, würde ich es tun. Ich frage mich, ob dieser Kampf wirklich richtig ist.
3. Es gibt auch Träume, die ein wenig abweichen. Zum Beispiel (vom 24.09.2017) geht es oft um ein Restaurant, in dem Essen verteilt und Spiele gespielt werden. Dort werden also die Menschen in ihrer Erholungsphase ruhig gestellt.
Letztens aber sah ich ein Mädchen einer höheren Arbeiterklasse, in das ich mich auf den ersten Blick verliebt habe. Für meine Klasse sind viele Dinge nicht schicklich und ich begehe schnell einen Fehler, weil ich dem Mädchen hinterher sehe. Normalerweise müsste ich mich freiwillig töten lassen, um dem Kollektiv zu dienen. Stattdessen aber fliehe ich. Viele Menschen scheinen in mir etwas zu erkennen und fliehen ebenfalls. Auch das Mädchen. Die meisten Menschen werden aber von Polizisten und Drohnen erwischt.
Unterwegs, in einem ausgetrockneten Hafenviertel, müssen zwei meiner Begleiter einen Bürger einer höheren Klasse töten, da er uns sonst verraten hätte. Ich habe Zweifel über den Mord, aber wir tun das, um selbst zu überleben. Ich empfand es trotzdem nicht als richtig.
Im Anschluss renne ich durch eines der ärmsten Viertel dieser Stadt. Erst kann ich mich verstecken, aber meine Tarnung fliegt auf. Also fliehe ich weiter. In einem Raum bin ich in eine Sackgasse geraten. Einige der Polizisten helfen mir, schubsen mich aus dem Fenster, um zu tun, als würde ich aus dem zehnten Stockwerk stürzen, aber wohlwissend, dass ich mich auf dem schmalen Fenstersims, einen Meter unter dem Fenster, halten kann.
In der Ferne sehe ich einen Flüchtenden an einer Bushalte stelle. Ich denke an das Mädchen und hoffe, dass sie es geschafft hat. Um Gewissheit darüber zu erlangen muss ich auf festen Boden gelangen. Trotz meiner Höhenangst (habe ich tatsächlich) krieche ich langsam die Wand entlang, bis ich auf ein Hindernis stoße. Hinter mir höre ich bereits andere Polizisten, die nach mir suchen. Es gibt nur einen Weg: Nach unten.
Es sind auf jeden Fall sehr unheimliche Träume, die schon fast an dystopische Geschichten erinnern, wie Equilibrium oder 1984. Auf jeden Fall sind sie eine unglaubliche Inspirationsquelle. Für einen meiner künftigen Comics entwickle ich daher bereits eine Story, die auf diesen Träumen basiert. Zwar gibt es dort dann mehrere Wesen, die sich passend "Die graue Eminenz" nennen, aber im Grunde sind es auch dort die Menschen selbst, die sich eigenhändig freiwillig versklaven. Ich glaube aber nicht, dass die Überlegungen zu diesem Comic der Auslöser für die Träume sind, da die Träume schon seit einigen Monaten in meinen Schlafphasen vorkommen. Die Idee für den Comic erst gestern. Will mich vielleicht mein Unterbewusstsein zu dieser Idee hintreiben?
Diese graue Welt hat aber eine merkwürdige Ähnlichkeit mit der Wachwelt hier. Es ist irgendwie miteinander vergleichbar. Emotionen werden verboten. Systemkritiker werden denunziert. Individualisten werden aussortiert oder als psychisch krank in Kliniken gesteckt. Trauer und Einsamkeit werden als Auslöser für soziale Probleme gesehen, obwohl es ein instinktives Ventil zur Regulierung des eigenen Verstandes ist. Erschreckend, wie nah wir diesen dunklen Träumen eigentlich sind.
Was sie aber bedeuten? Keine Ahnung. Zwar durchschaue ich so einige Verhaltensformen unserer Gesellschaft, aber ich habe es immer so hingenommen wie es ist. Als reiner Beobachter. Ich habe früher nie so gedacht wie es mein Unterbewusstsein in Träumen darstellt, obwohl ich schon immer Dystopien und Utopien in den Medien mochte. Erst seit den ersten Träumen dieser grauen Welt entwickelte sich der Gedanke daran zum Selbstläufer und die Träume häuften sich. Ich bezweifele, dass sich jemand diesen Textblock durchliest. Immerhin lösten diese Träume meine Angstträume mit Ufos, Aliens, Klaustrophobie und Geister ab. Und wenn ich daraus noch einen Nutzen für meine kreative Ader ziehen kann, umso besser. :)