Nun komme ich zu meinem "Mymarinchen".
Den hübschen Namen habe ich einem Artikel von Wilhelm Bölsche
* entnommen:
"Mymarinchen, oder: Im kleinsten Tier das größte Lebenswunder" (Tiere um uns)
Bölsche schreibt, wie er als Jugendlicher Käfer sammelte, über das Auge des Riesen-Tintenfischs, über Teleskopspiegel, immer im Vergleich der Größe zueinander.
Dann kommt er auf die kleine Schlupfwespe zu sprechen. Das Buch ist über neunzig Jahre alt, ich denke, ich kann einige Zeilen zitieren.
Auslassungen [...] und Einschübe [] sind von mir.
Es gibt aber nun ganz, ganz kleine Wespen, zum Geschlecht der sogenannten Mymarinen und Verwandten gehörig [...] und die doch vollkommen ausgewachsen nur den halben Bruchteil eines Millimeters messen.
Sie liegen damit gerade noch als feinstes Bleistiftpünktchen vor hellstem Hintergrund in der Sehgrenze unseres unbewaffneten Auges. Viele Infusorien, also einzellige Urtierchen, sind bei weitem größer, und doch handelt es sich in der Wespe bereits um einen unendlich raffinierten oberen Organismus, in vielem unserem menschlichen bereits ähnlich, wenn auch aus anderem Tierstamm erwachsen.
[...]
Solche Zwergwespe ist zunächst im ganzen nach Insektenbrauch in eine Art spanischen Stiefels eingeklemmt, den sie zeitlebens als dickes "Hautskelett" als Seitenstück zu unserem Knochenskelett mit sich herumschleppen muß - schon das ein tüchtiger, raumfordernder Ballast.
Von diesem Panzer sind vier flache Rückenplatten noch besonders als Aeroplanflügel ausgezogen, die von den Brustringen her als Motor bewegt werden.
[...]
Speziell bei jenen Mymarinchen können diese Flügel mit Kiel und Wimpern unter Umständen aber auch als Ruder im Wasser benützt werden.
[...]
Selbstverständlich hat auch unsere Wespe vom Reich Liliput die beiden riesengroßen [Augen] der meisten Insekten - aus einer Unmasse Facetten noch wieder unendlich kunstvoll in sich zusammengesetzt.
[...]
Diese Wespen (vom Allgemeingeschlecht der sogenannten Schlupfwespen) leben nämlich erwachsen nur vegetarisch von Blütenhonig. Ihre Brut aber braucht Fleischnahrung. Und zu diesem Zweck müssen sie ihre Eier äußerst raffiniert in andere lebendige Tiere praktizieren, wo die Larven dann auskommen und sich als üble Schmarotzer von dem fremden Fleisch dickfressen. Viele jener Wespen benutzen dazu Raupen oder Puppen.
Klein-Mymarinchen vom Halbmillimeter-Format begnügt sich aber schon mit den Eiern anderer Insekten, die es ansticht und mit einem eigenen Zwergenei bestiftet.
[...]
Da leben am Wasser die bekannten Libellen, viel größer als Mymarinchen.
Gerade in solche Libelleneier soll von diesem aber traditionell gelegt werden.
[...]
Es hilft nichts - Mymarinchen muß also die Prozedur auch für sein Teil nachmachen, in die Flut tauchen, dort (wozu es ja speziell geeignet) herumschwimmen und endlich die Libelleneier mit seinem bösen Kuckucksei bedenken.
[...]
Bis endlich neu auch das Flügeltier wieder zur Stelle hat, das dann auskriecht und macht, daß es möglichst schnell wieder aus dem fremden Wasser herauskommt.
Die schönen Flügel des "Mymarinchens", die mich an Pfauenfedern erinnern:
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* Wilhelm Karl Eduard Bölsche ( 2. Januar 1861 - 30. August 1939)
osaki schrieb am 10.03.2021:das ist ja ein Nadelstich
Stimmt mit Bölsches "Bleistiftpünktchen" überein
:)