drachim schrieb:Wie stehst du zu den Quellen der beiden Religionen, also deren Schriften. Erkennst du das selbe Gefahrenpotential oder siehst du Unterschiede?
Die Unterschiede sind gewaltig. Das AT ist eine ganze Sammlung von Geschichten, aus verschiedenen Zeiten und von verschiedenen Autoren, die anhand von vorgegebenen Beispielen Anweisungen zu Moral und Ethik enthalten. Die Juden haben zusätzlich zum AT noch ein paar andere Schriften wie den Talmud (über den ich leider praktisch nichts weiß), wo das weiter ausgeführt wird, von den 10 Geboten des AT (die auch nur für eine ausgesuchte Klientel, nämlich den Umgang von Juden untereinander, in vollem Umfang gelten, für den Rest der Welt nur eingeschränkt) bis zu den 613 Geboten der Halacha. (Und so weiter, ein Kenner des Judentums kann das viel besser ausführen.)
Dazu kommt für die Christen das vorrangig gültige NT, das auch wieder nicht aus einer einzigen Feder stammt, wo man bis heute streitet, wer die tatsächlichen ursprünglichen Quellen hatte und wer nur abgekupfert oder Hörensagen geliefert hat, und das dem AT überall den Rang ablief, wo speziell jüdische Gebote im Spiel waren, die man bei der Missionierung von Heiden nicht brauchen konnte (Koscheres Essen, Reinigungsrituale etc.), und auch im Inhalt, die Lehren von Jesus, stellen einen deutlichen Bruch zum früheren Kontext dar. Wo das AT von Juden nur für Juden war, sollte die neue Lehre für alle Menschen offen sein, egal welcher Herkunft, egal welchen gesellschaftlichen Standes, ein absoluter Bruch der jüdischen Konvention.
Im Vergleich dazu der Koran, der laut eigenem Anspruch aus einer einzigen Feder, aus einem einzigen Guß stammt. Wo es also keinen Ablauf der Gültigkeit von Strophen gibt, keinen Bruch irgendeiner Art, weil der mutmaßliche Autor eben davon ausging, daß sich an den Verhältnissen und Lebensweisen seiner eigenen Zeit in alle Ewigkeit nie was ändern würde. Lediglich verschärft wurden verschiedene Suren, die genannte Abrogation, die auf die Lerneffekte bei Mohammed im Lauf seiner "Karriere" zurückgingen. Ist logisch, sobald sich Probleme und Anfeindungen häufen, wird man selber härter und radikaler, das floß in den Text mit ein. Und er war nun mal ein Kind seiner Zeit, zuerst Händler, später Herr eines Kriegshaufens und Eroberer. Friedlich hat sich der Islam in seiner Anfangszeit nun mal nicht verbreitet. Und später auch nicht. Nach dem Tod vom Mohammed gab es dann gleich die erste Spaltung seiner Anhänger, wer denn der rechtmäßige Nachfolger sei, und diese Spaltung (samt zahlreicher späterer Abspaltungen) gibt es bis heute, und sorgt für ständigen Unfrieden.
Das junge Christentum, im Vergleich, hat es schon früh verstanden, ernsthafte Spaltungen zu vermeiden, indem die abweichenden Parteien (Arianer) sofort bekämpft und ausgelöscht wurden. Deswegen hat es da noch viele Jahrhunderte gedauert, bis es mit Luther zur ernsthaften und dauerhaften Spaltung kam (und das führte dann prompt auch zu Kriegen.) Alle früheren Abspaltungen wie die Katharer blieben klein und wurden schnell eliminiert.
Wer ist also (heute) definitiv gefährlicher? Klar, der Islam. Auch weil da die internen Abspaltungen nach wie vor aktiv und aggressiv sind, anders als im Christentum, wo Katholische und Evangelische Kirchen allmählich (und gezwungenermaßen) lernten, miteinander Frieden zu halten, wenn man sich schon gegenseitig die Gläubigen nicht gönnte. (Ehe katholisch/evangelisch, noch vor ein paar Jahrzehnten ein riesiges Problem!)