@-Therion- Das Judentum der Zeitenwende war nicht so einheitlich, wie wir uns das heute vorstellen. Es gab tausende verschiedene Gruppen. Die drei größten Gruppen waren die Sadduzäer, die Pharisäer und die Essener.
Die Sadduzäer, die keine Endzeiterwartung und keinen Messias kannten, lebten damals ganz normal wie ihre Vorväter, d.h. sie waren in der Regel verheiratet, hielten den Sabbat und die Speisegesetze ein und machten sich keine großen Gedanken über die Zukunft. Sie bestanden aber fast ausschließlich aus Teilen des Adels und der Priesterkaste, und waren in der Minderheit.
Die Essener hatten sowohl Naherwartung als auch Messiasidee und lehnten alles Weltliche ab. Sie wollten in kultischer Reinheit das Kommen des Messias miterleben und waren darum auch nicht verheiratet.
Die Pharisäer, die wohl die größte Gruppe darstellt, waren etwas komplexer, als die anderen beiden Gruppen. Einerseits waren sie in manchen Fragen so konservativ wie die Sadduzäer, andererseits hatten sie auch viele neue Ideen wie die Essener. Wir wissen nicht, ob Paulus wirklich gelebt hat, aber die Tatsache, dass er in der Apostelgeschichte und den Episteln als unverheirateter Pharisäer vorgestellt wird, ohne seinen Ehestatus zu kommentieren zeigt, dass es nicht ungewöhnlich war, dass Pharisäer nicht verheiratet waren.
Dann gab es noch tausende von Einsiedlern, die bewusst ehelos in Erdlöchern und Felshöhlen hausten. Manche davon sind sogar namentlich bekannt, wie z.B. Johannes der Täufer oder Banus, ein Lehrer von Flavius Josephus.
Wikipedia: Banus (Einsiedler)Ausserdem gab es im ersten Jahrhundert jüdische Mönche, z.B. das Essenerkloster in Qumran oder die Therapeuten in Alexandria, die alle ehelos lebten.
Wikipedia: Therapeuten (Sekte)Aus dem Hellenismus wurden damals auch schon gnostische Elemente wie die Ehelosigkeit übernommen. Aus den gnostischen Gruppen stammten auch die ersten *ketzerischen* Ströhmungen des Urchristentums (z.B. Tertullian oder Origenes), die die Ehelosigkeit als Ideal ansahen.
-Therion- schrieb:wie oben erwähnt musste der fortbestand eines volkes gesichert werden
Also den Gedanken halte ich für völlig abwegig. Die Idee, ein Volk könne durch mangelde Geburten aussterben ist ein Phänomen des Endes des 20. Jahrhunderts und dürfte in der Antike nur ungläubiges Kopfschütteln verursacht haben.
-Therion- schrieb:Seid fruchtbar und vermehrt euch! Füllt die ganze Erde und nehmt sie in Besitz.
Dieser Satz ist keine Anweisung an Menschen und Tiere, etwas zu tun oder zu unterlassen, sondern ist Bestandteil des Schöpfungsprozesses. Mit diesem Satz wird den Lebewesen die Macht gegeben, selbst Leben zu erschaffen. Die Sonne wird ja auch nicht angewiesen, zu leuchten, sondern das Leuchten wird durch das Wort erschaffen.