Islam: Die wahre Religion?
26.07.2008 um 18:38Link: www.ksta.de (extern) (Archiv-Version vom 28.07.2008)
Die "wahre Religion" auf Schäfchenfang
Die "wahre Religion" auf Schäfchenfang
Muslime auf Konvertiten-Fang im NetzVertreter der Salafisten geistern auch hier im Forum herum und verkünden, wie verderbt der Westen ist und wie frei sich ein "wahrer" Muslim mit nur einem Mausklick oder Telefonanruf fühlen kann. Wäre daran auch nur ein Funken Wahrheit, müssten sie hier nicht Klinken putzen.
Nicht weniger als die Errettung vor der Hölle versprechen die Betreiber eines Internetportals für künftige Muslime. Vieles wirkt unfreiwillig komisch, doch hinter der Webseite stecken die durchaus einflussreichen "Salafisten".
BONN - Der Imam hat das Handy am Mund und einen Unbekannten in der Leitung. Kevin will Muslim werden, jetzt gleich am Telefon. Mit holpriger Aussprache wiederholt der deutsche Teenager die arabischen Worte der Shahada, des islamischen Glaubensbekenntnisses. Und gehört plötzlich dazu. "Herzlichen Glückwunsch, wie fühlst du dich?" - "Ganz gut", meint Kevin. Ob er denn die Bedeutung der Shahada kenne, will der Imam wissen. Kevin bejaht nach kurzem Zögern.
Manches Video bei diewahrereligion.de, einem Webportal für islamische Konvertiten, wirkt skurril, fast schon komisch. Doch die Betreiber scherzen nicht. In ihren Predigten werben sie mit der spirituellen Klarheit des Islam und versprechen die Errettung vor der Hölle. Offenbar mit einigem Erfolg. Dutzende Mitschnitte zeigen überwiegend junge Leute beim Glaubenswechsel, oft vor größerem Publikum. Unter jenen, die den neuen Glaubensgefährten danach auf die Schulter klopfen, tragen auffällig viele ein langes weißes Gewand, die Dschalabija, und Vollbart - das traditionelle Outfit der Salafisten, die dem vermeintlich "reinen Islam" der Frühzeit nacheifern und Koran und Scharia buchstabengetreu auslegen. Terror und Gewalt lehnen sie in öffentlichen Stellungnahmen meist ab. Aber die Grenzen sind fließend, wie der Fall der im September 2007 enttarnten Bombenbauer aus dem Sauerland zeigt. Sie verkehrten nach ihrem Glaubensübertritt in salafistischen Zirkeln.
Seit Jahren wächst der Einfluss der Salafisten in westlichen Ländern. In Großbritannien kontrollieren sie nach Polizeiberichten aus dem vergangenen Jahr fast die Hälfte aller Moscheen. International verbreiten sie unter anderem über die Webportale salaf.com oder fatwa.com ihre Sicht des Islam. Es klingt paradox. Aber nach Ansicht von Beobachtern gehört der "Steinzeitislam" gerade im Internet zu den gefragtesten Strömungen. Die radikale Ablehnung der westlichen Gesellschaftsordnung schaffe hier eine neuartige Protestkultur, die besonders Jugendliche anziehe, so die Experten.
Fünf Millioenn Webuser
Auch der Popstar der Salafisten-Szene in Deutschland ist Konvertit. Mehr als fünf Millionen Webuser, so Pierre Vogel alias Abu Hamza, habe er schon mit seinen Predigten auf Portalen wie salaf.de erreicht. Bei youtube bringt es der rotbärtige Endzwanziger immerhin auf einige Zehntausend Klicks pro Auftritt. Hunderte soll er bekehrt haben. Der Tenor seiner lockeren Ansprachen ist meist derselbe: Der Westen ist verderbt, Wahrheit und Glück bietet allein ein strenger Islam. Und, fügt er an einer Stelle augenzwinkernd hinzu, nichts provoziere die Materialisten hierzulande mehr als der Übertritt zum Glauben Allahs. Spielend garniert der frühere Profiboxer seinen kumpelhaften rheinischen Akzent mit arabischen Koranzitaten. Schließlich hat er sich zwei Jahre lang an Lehrstätten in Saudi-Arabien ausbilden lassen.
Dort widmen sich die Wahhabiten, die saudische Variante des Salafismus, bereits seit Mitte der 90er Jahre von Staats wegen der Internet-Mission. So betreiben das königliche Ministerium für islamische Angelegenheiten und die Missionsbehörde eigene Portale, die sich gezielt an Andersgläubige richten. Spezielle Rubriken über die Bibel und die Rolle Jesu versuchen gleich in mehreren westlichen Sprachen, christliche Lehren mehr oder weniger scharfsinnig zu widerlegen. Per Mausklick geht es dann weiter zum Glaubenswechsel.
Inzwischen haben Missionare wie Pierre Vogel und seine Mitstreiter solche Assistenz aus dem Mutterland des Islam kaum noch nötig. Allerdings gibt es keine sicheren Informationen über die Zahl ihrer Bekehrungen, geschweige denn die Gesamtzahl der Konvertiten in Deutschland, angeblich einige Tausend. Solange ein Telefonanruf zum Glaubenswechsel ausreicht, dürfte sich an dieser Unübersichtlichkeit auch nichts ändern.