@ashavanashavan schrieb:Ich finde es merkwürdig, dass man im Qur'an überhaupt Verse abrogieren kann, wo doch gesagt wird, dass keine Widersprüche im Qur'an zu finden seien. Was sagen die Gelehrten dazu?
Zum Thema Abrogation aus Ulum al Quran, von Ahmad v. Denffer:
"Der Koran über naskh
Das Prinzip des naskh (Abrogation) wird im Koran selbst angeführt
und ist keine spätere historische Entwicklung:
„Was Wir ersetzen an Zeichen oder vergessen werden lassen, Wir
bringen Besseres dafür oder ihresgleichen. Du weisst nicht, dass
Allah zu allem imstande ist?“ (2:106)
Wie es hierzu kam
Als die Botschaft des Korans den Arabern vorgetragen wurde als etwas
Neues und Anderes im Vergleich zu ihrer Lebensweise, wurde
ihre Einführung in Stufen vollzogen. Der Koran brachte stufenweise
wichtige Veränderungen allmählich, um den Menschen die Anpassung
an die neuen Vorschriften zu erleichtern.
Beispiel:
Es gibt im Koran drei Verse, die das Trinken von Wein betreffen. Das
Weintrinken war in vorislamischen Zeiten sehr weit verbreitet, und obwohl
ein soziales Übel, hoch beliebt. Die drei Verse, die schließlich
zum Verbot berauschender Substanzen führten, wurden in Stufen offenbart
(4:43, 2:219, 5:93-94).
Wie kommen wir zu diesen Erkenntnissen?
Wie auf dem Gebiet von asbab al-nuzul kann man Informationen über
al-nasikh wa al-mansukh nicht auf Grund bloßer persönlicher Meinung,
Mutmaßung oder Hörensagen akzeptieren, sondern sie
müssen begründet sein durch verlässliche Berichte, nach den Regeln
der Hadithwissenschaften (ulum al-hadith) und sollten zurückgehen
auf den Propheten und seine Gefährten.
Ein Bericht muss klar ausführen, welcher Teil der Offenbarung nasikh
und welcher mansukh ist.
Einige Gelehrte vertreten die Auffassung, dass es drei Arten gibt, alnasikh
wa al-mansukh zu erkennen:
· Bericht des Propheten oder der Prophetengefährten
· Idschma‘ (Übereinstimmende Meinung der Gelehrten) darüber,
was nasikh und was mansukh sei
· Kenntnis darüber, welcher Teil des Korans in der Geschichte der
Offenbarung einem anderen vorausging
Beispiel:
Mudschahid sagte bezüglich des Verses ‚Und diejenigen, die
von euch sterben und Gattinnen hinterlassen, sie warten für
sich selber vier Monate und zehn Tage ab‘ (2:234) folgendes:
Nach diesem Vers sollte die Witwe diese Wartezeit bei der Familie
ihres Ehegatten verbringen, deshalb offenbarte Allah:
‚Und diejenigen, die von euch versterben und Gattinnen hinterlassen:
Ein Testament für ihre Gattinnen als Lebensunterhalt
für ein rundes Jahr ohne Auszug, und wenn sie ausziehen,
so ist kein Vergehen auf euch für das, was sie für sich in
Billigkeit tun‘ (d.h. Ehe nach dem Gesetz) (2:240).
So gab Allah der Witwe das Recht, zusätzlich Unterhalt für
sieben Monate und 20 Nächte als Vermächtnis zu erhalten und
das ist die Vervollständigung eines Jahres. Wenn sie es
wünschte, konnte sie entsprechend dem Testament (im Haus
ihres Ehemannes) bleiben, und sie konnte wegziehen, wenn
sie es wollte, weil Allah sagte: ‚Ohne Auszug, und wenn sie
ausziehen, so ist kein Vergehen auf euch.‘
Somit ist der Grundgedanke (d.h. vier Monate und zehn Tage)
obligatorisch für sie.
Ata sagte: Ibn Abbas, er sagte: Dieser Vers, d.h. die Aussage
Allahs „... ohne Auszug...“ hob die Pflicht, während der Wartezeit
im Haus ihres verstorbenen Ehemannes zu bleiben, auf,
und sie darf diese Zeit verbringen, wo immer sie will.
Ata‘ sagte: Wenn sie wollte, konnte sie entsprechend dem Testament
ihre gesamte idda im Haus ihres verstorbenen Ehegatten
verbringen, oder gemäß Allahs Erklärung wegziehen:
„so ist kein Vergehen auf euch für das, was sie für sich selber
in Billigkeit tun.“
Ata‘ fügte hinzu: Später kamen die Regeln der Erbschaft und
hoben die Regel des Wohnens der Witwe (im Haus des verstorbenen
Ehemannes), daher konnte sie die Zeit der idda verbringen,
wo immer sie wollte. Und es war nicht mehr erforderlich,
ihr eine Wohnung zu geben.
Ibn Abbas sagte: Dieser Vers hob die Vorschrift, nach der sie
im Haus ihres verstorbenen Ehemannes wohnen musste, auf,
und sie konnte die Zeit der idda (d.h. vier Monate und zehn
Tage) verbringen wo immer sie wollte, weil Allahs Anweisung
lautet: ... ohne Auszug...1
Dieser Bericht erklärt klar, welcher Teil der Offenbarung nasikh ist und
welcher mansukh. Mudschahid war einer der bekannten tabi’un und
Ibn Abbas war ein Gefährte des Propheten.
Aufhebung und Spezifizierung
Es besteht natürlich ein Unterschied zwischen Aufhebung und Spezifizierung.
Das letztere bedeutet, dass eine Offenbarung in weiteren
Einzelheiten oder anhand spezifischer Umstände erläutert, wie eine
andere Offenbarung zu verstehen ist.
Beispiel:
Vers 2:183 sagt: „Ihr, die glauben, euch ist das Fasten vorgeschrieben
...“
Ata berichtete, dass er hörte, wie Ibn Abbas den göttlichen
Vers vortrug: „und für diejenigen, welche dazu fähig sind, gilt
eine Auslösung mit Speisen eines Armen ...“ (2:184)
Ibn Abbas sagte: „Dieser Vers ist keine Aufhebung, sondern er
ist für alte Männer und Frauen gedacht, die zum Fasten keine
Kraft haben, deshalb sollen sie für jeden Fastentag eine arme
Person speisen (anstelle von Fasten).1
Es ist völlig klar, dass der zweite Vers (2: 184) die Regel des Fastens
aus dem ersten Vers (2:183) nicht aufhebt, sondern dass in einem
speziellen Fall, nämlich dem schwacher alter Leute, es einen Weg
gibt, den Verlust des Fastens auszugleichen.
In der gleichen Weise kann man die Verse, die berauschende Getränke
betreffen, eher als Spezifizierungen denn als Aufhebungen verstehen
(siehe 4: 43; 2:219; 5:93 bis 94)."
Wie gesagt, man kann das Thema gerne mit Vorsicht genießen. Da sie nicht unbedingt für die Gesetzgebung betreffen.