Hatam Al-Assamm war mit Schaqiq AI-Balkhi (möge sie beide der Segen des erhabenen Gottes umhüllen) sehr befreundet. Als dieser ihn eines Tages fragte:
"Du begleitest mich nun schon seit dreissig Jahren. Was hast du eigentlich dabei gewonnen?"
Er antwortete:
"Die Kenntnissen, die ich in dieser Zeit gewonnen habe, habe ich in acht Punkten zusammengefaßt. Sie zu verwirklichen, hoffe ich, reicht für die Rettung und Erlösung.
Schaqiq sagte dann.
"Was sind denn diese?"
und darauf sagte Hatam Al-Assamm:
• Den ersten Entschluß habe ich so gewonnen: Es fiel mir auf, daß jeder einen geliebten Menschen hat, zu dem er eine mehr oder minder starke Beziehung hat. Ist diese Beziehung stark, so reisst sie selbst dann nicht, wenn der Geliebte krank und erblasst ist. Sie kann so stark sein, daß sie bis zum Grabesrand nicht zu reissen vermag. Dann aber kehrt jeder Liebende allein zurück, nachdem er den Geliebten sich selbst überlassen und dem Erdreich anvertraut hat. Keiner ist imstande, an dem, was der Verstorbene dort erfährt, teilzunehmen.
Diese erschütternde Tatsache gab mir viel zu denken. Ich suchte nach einem Geliebten, der mit mir die Grabesschwelle überschreitet und mich gerade dort über die Einsamkeit und Verlassenheit hinwegtröstet, wohin mich keiner mehr begleiten will. Da fand ich nichts anderes als die guten Taten. Ich nahm sie als mein Geliebtes in der Hoffnung, sie mögen mir im Grabe leuchten und mir in der Einsamkeit Gesellschaft leisten und mich nie verlassen.
• Als zweites fiel mir auf und ich sah, daß alle Menschen ihren Wünschen folgen und versuchen, sie zu erfüllen. Da besann ich mich Gottes Wort im Koran:
"Wenn aber einer den Stand (das Auftreten) seines Herrn fürchtete und sich nicht erlaubte, (persönlichen) Neigungen nachzugehen, ist das Paradies (für ihn) der Ort der Einkehr."
(Sure 79: 40) Dann kam ich zu der überzeugung, daß das, was im Koran steht, rechtens ist und die Wahrheit schlechthin. Daraufhin begann ich mit der Erziehung meines Egos und nahm den Kampf dagegen auf. Ich riß mich solange an den Riemen, bis ich das Ego gezähmt hatte und es von da an gewillt und gehorsam Gottes Ordnung folgte.
• Die dritte [Einsicht] gewann ich, als ich sah wie sehr die Menschen weltlichem Unrat nachlaufen und wie sehr sie sich daran klammern, was sie ergattert haben. Auch besann ich mich wieder auf Gottes Wort im Koran:
"Was ihr (an irdischen Gütern) bei euch habt, geht (über kurz oder lang) zu Ende. Was aber Gott bei sich hat, bleibt bestehen."
(16.96) So nahm ich mein Hab und Gut und verteilte es unter den Armen in der Hoffnung, es für das ewige Leben beim erhabenen Gott wiederzufinden.
• Die vierte Lehre war, als ich erkannte, daß einige meinen, Ruhm und Ehre sei ihnen nur wegen einer großen Verwandtschaft verliehen worden und wie stolz sie waren, einer grossen Sippe anzugehören.
Andere meinten, Ansehen könne nur durch Reichtum und eine grosse Kinderschar erreicht werden und sie waren sehr mit sich zufrieden, wenn sie dies aufweisen konnten. Manche meinten, es sei schlau durch Gaunerei und Betrug, ja sogar durch Töten, zu Reichtümern zu gelangen.
Es gibt Leute, die der Meinung sind, eine hohe gesellschaftliche Stellung sei nur durch verschwenderisches Ausgeben und Schenken zu erreichen.
Da besann ich mich Gottes Wort:
"Siehe, der von euch am meisten vor Allah Geehrte ist der gottesfürchtigste."
(Sure 4 9, Vers 13)
So wählte ich Tugendhaftigkeit und Gottesfurcht aus der überzeugung, daß der Koran rechtens und die Wahrheit ist. Wer etwas anderes meint oder glaubt, befindet sich offensichtlich im Irrtum.
• Die fünfte Einsicht war, daß ich sah, wie Menschen einander in übler Weise nachreden und andere in deren Abwesenheit tadeln. Der Grund ist immer Neid auf Reichtum, Ansehen oder Wissens - und Bildungsstand der Getadelten.
Da besann ich mich wieder Gottes Wort:
"Wir Selbst verteilen unter ihnen ihren Unterhalt im irdischen Leben."
(Sure 43, Vers 32)
Da wußte ich, daß es eine Vorsehung gibt, die Gott für uns schon in der Ewigkeit gewählt hat. Von da an war ich auf niemanden mehr neidisch und es fand sich in mir eine innere Zufriedenheit ein mit dem, was Gott für mich vorgesehen hatte.
• Die sechste [Einsicht] war, daß ich sah, wie andere Menschen Feindschaften aus verschiedenen Gründen gegeneinander hegten.
Da besann ich mich Gottes Wort im Koran
"Wahrlich, der Satan ist euer Feind, so behandelt ihn wie einen Feind. "
(Sure 35, Vers 7)
Es wurde mir klar, dass man mit niemandem verfeindet sein darf, ausser mit dem Teufel.
• Die siebte [Einsicht] war, daß ich sah, wie alle einfallsreich und mit übertriebener Mühe nach ihrem täglichen Brot jagen und dabei manches Mal die Grenzen der Lauterkeit und der Tugend verletzen und sich Schmach und Erniedrigung aussetzen.
Da besann ich mich Gottes Wort im Koran:
"Und es gibt kein Geschöpf auf der Erde, dessen Versorgung nicht Allah obläge..."
(sure 11, Vers 6)
Dies gab mir die Gewissheit, daß Gott mir mein tägliches Brot gibt und es mir zugesichert hat. Von da an widmete ich mich dem Dienste Gottes und entzog jegliche Hoffnung an andere, ausser an Ihn.
• Die achte [Einsicht] war, daß ich sah, wie jeder sich auf irgendetwas in der Schöpfung verliess. Manche vertrauen auf Mark und Pfennig, manche auf Hab und Gut, andere verlassen sich auf ihr berufliches oder handwerkliches Können oder auf ihresgleichen in der Schöpfung.
Da besann ich mich Gottes Wort im Koran:
"Und wer auf Allah vertraut, für den ist Er sein Genüge, wahrlich Allah setzt durch, was Er will, siehe Allah hat für alles ein Mass bestimmt."
(Sure 65, Vers 4)
Seither vertraue ich nur noch auf Gott; Er ist mein Genüge und herrlich ist es auf Ihn zu vertrauen.
Schaqîq sagte:
"Möge Gott Dich segnen, ich sah nach in der Thora, in den Psalmen Davids, in den Evagelien und im Koran und fand heraus, daß sich eigentlich alle vier Bücher um diese acht Punkte drehen. Wer danach handelt, handelt nach diesen vier Schriften."
http://www.abc.se/~m9783/n/ayw_d.html (Archiv-Version vom 26.08.2010)