Peinlich ist es, auch 2011 noch an der angeblichen Bedeutung von 1914 festhalten zu wollen.
Bereits für Charles Taze Russell, den Gründer der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas, war „der Krieg von Harmagedon“ ein so wichtiges Thema, dass er den 1897 erschienenen vierten Band seiner Schriftstudien so benannte. Er meinte damals, dass dieser Krieg bereits im Gange sei und 1914 mit dem Anbruch des Friedensreich Platz enden werde. Für die Zeugen Jehovas steht die Lehre von der Schlacht von Harmagedon im Mittelpunkt ihrer Theologie: Sie erwarten, dass in naher Zukunft Jehova durch seinen Sohn Jesus Christus (gleichgesetzt mit dem Erzengel Michael) zusammen mit dem Engelheer in der Schlacht von Harmagedon das Weltsystem Satans beseitigen, 144.000 auserwählte (vgl. Offb 7,4 LUT; 14,1 LUT) retten und durch das verheißene tausendjährige Friedensreich ersetzen werde. Die Zeugen Jehovas selbst glauben, sie würden bei dieser Schlacht nur passive Zuschauer sein, vorher hätten sie die von ihnen so bezeichneten „Königreichsbotschaft“ zu verkünden, die einen doppelten Sinn habe: als Rettungsbotschaft für die Angehörigen der Religionsgemeinschaft und als Gerichtsbotschaft für alle anderen. Dazu wird das einzelne Mitglied intensiv geschult und motiviert, Anteil an diesem Missionswerk zu nehmen.
Wikipedia: HarmagedonIn einem vergriffenen Buch des Wiener Historikers Franz Stuhlhofer über den Gründer der WTG wird bereits im Titel deutlich, daß schon in ihrer frühen Geschichte die Unehrlichkeit nicht nur einkalkuliert, sondern auch praktiziert wurde. Im genannten Buch: „Charles T. Russell und die Zeugen Jehovas“ Untertitel: „Der unbelehrbare Prophet“, weist Stuhlhofer nach, daß Russell bereits den Samen für die spätere Überschätzung der Organisation legte.
Es drängt sich der Eindruck auf, daß „Pastor“ Russell immer mehr überzeugt war, ein besonders bevorrechteter „Seher“ zu sein, der viel mehr sah und erkannte als alle Theologen, Exegeten und Reformatoren der vergangenen Jahrhunderte. Neben Lehren, die er anhand der Bibel widerlegen konnte, baute er ein „Lehrgebäude“ auf, das nichts anderes als ein Konglomerat von menschlichen Ansichten und (oft aus dem Zusammenhang gerissenen) Bibeltexten war. Es wäre ein nutzloses Unterfangen, wollte man jetzt noch all die Quellen, aus denen er schöpfte, ausfindig machen. Was Russell begonnen hat, setzte die von ihm gegründete WTG unbeirrt fort, ausgenommen zweckdienliche Änderungen, die dann als „neues“ oder „fortschreitendes“ Licht deklariert wurden und werden.
Unverrückbare „biblisch“ errechnete Daten bilden einen Mittelpunkt, um den sich künftig ‑ bis zum heutigen Tag ‑ alles dreht. Imaginäre „Tatsachen“ wurden derart hochstilisiert, daß sie als „die Wahrheit“ schlechthin gilt, diese abzulehnen oder auch nur anzuzweifeln, führt unweigerlich in die „endgültige Vernichtung“ in der ‑ seit mehr als hundert Jahren ‑ „unmittelbar bevorstehenden Schlacht von Harmagedon“. Ohne Unterlaß werden die WTG‑Anhänger mit „biblischen“ Voraussagen in Atem gehalten, von denen allerdings bis dato keine einzige durch wahrnehmbare Tatsachen bestätigt wurde. Dennoch fühlen die ZJ sich beleidigt, wenn man Russell und seine Nachfahren als „falsche Propheten“ bezeichnet.
Der 1852 in Allegheny, Pennsylvania, geborene Russell beschäftigte sich schon im Alter von 16 Jahren mit religiösen Fragen, erhielt aber keine theologische Ausbildung. Für seine spätere Entwicklung war in den 1870er Jahren maßgeblich eine adventistische Splittergruppe verantwortlich. Menschen mit ausgeprägtem Selbstbewußtsein, können sich nicht lange in einer Gruppe ein- bzw. unterordnen. Russell trennte sich nach Meinungsverschiedenheiten von seinen Mentoren und nahm von diesen einige Auslegungen und besonders die Leidenschaft für „biblische“ Berechnungen mit. Trotz aller Fehlschläge hörte Russell zeit seines Lebens nicht auf, unerfüllte Vorhersagen hinzubiegen und sie mit „neuem Leben“ zu erfüllen. Gänzlich zu Recht nennt Stuhlhofer Russell einen „unbelehrbaren Propheten“. Russell grenzte sich von alten „überkommenen“ christlichen Formen ab ‑ er legte den Grundstock für das „Wir‑Denken“ ‑ „wir“ haben die Wahrheit; „wir“ haben das Licht — alle anderen sind draußen, „in der Finsternis“ usw.
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