Heide_witzka schrieb:Mir als Laien fällt es schwer fehlerhafte Prophezeiungen als göttlich inspiriert anzusehen.
Anders rum. Was wäre denn daran göttlich inspiriert, wenn ich voraussage, daß morgen um 15:35 im Berliner Botanischen Garten nahe dem Nordeingang Königin-Luise-Platz eine der dortigen Buchen umfallen wird? Außer, daß Du dann weißt "der Pertti, der kann das" bringt das schlicht nix. Wozu soll sowas gut sein? Ja wenn ich voraussagen könnte, wo sich ein Unfall ereignet, wo ein Bankraub stattfindet usw., könnte man das zur Prävention nutzen. Das heißt, der Nutzen meiner Zukunftsansage ist nicht der: zu wissen, was irgendwann passiert, sondern der: jetzt Folgen daraus zu ziehen. Eine Prophezeiung ohne "Gegenwartsbezug" hat recht eigentlich keinen Sinn. Auch das Voraussagen der Lottozahlen hätte nur dann einen Nutzen, wenn ich mir am besten gleich jetzt (zumindest rechtzeitig vorher) ein entsprechendes Los besorge. Einfach nur zu wissen, was morgen ist, ist putzig, aber ohne Belang. Was soll daran göttlich sein?
Und wenn ich nen Unfall voraussage, und der wird dadurch verhindert, dann ist meine Ankündigung nicht wirklich eingetroffen.
Genau das schildert das Buch Jona. Gott beschließt, die große und böse Stadt Ninive zu vernichten, die späte Hauptstadt des neuassyrischen Reiches. Zu groß sind deren Sünden. Er gibt dem Propheten Jona den Auftrag, nach Ninive zu gehen und dies den Bewohnern mitzuteilen: "Noch soundsoviel Tage, dann seid Ihr Geschichte, Ihr Opfer!" Jona will nicht und flieht, doch Gott zwingt ihn. Und so tut Jona seinen Job, zieht durch alle Straßen und über alle Plätze Ninives und verkündet des Herrn Wort. Anschließend sucht er sich außerhalb der Stadt ein kuscheliges Plätzchen unter ner Rizinusstaude, um dem Spektakel zuzusehen.
Die Einwohner der großen und bösen Stadt Ninive nun denken über das, was dieser judäische Penner ihnen da unermüdlich entgegengeschrien hat. "Naja, eigentlich war'nwa wirklich nicht gar so lieb und freundlich. Wenn man's genau sieht sogar richtige Kotzbrocken." Und irgendwie warense alle plötzlich ziemlich schuldbewußt und sagten sich, werden wir wenigstens ab jetzt ein bißchen besser.
Die Frist verstrich, der Prophet sah auf die Uhr, sah auf die Stadt - nix passiert. Die Leute gingen weiter zur Arbeit, gingen weiter zum Feierabend nach Hause, besuchten sich gegenseitig, machten Urlaub aufm Land. "Na suuuper, und wie steh ich jetzt da?" schimpfte Jona. "Deswegen wollt ich den Job nicht. Ich kenn Dich doch, Gott: Sobald Du die Leute einknicken siehst, nimmst Du Dein Unheil zurück, und ich steh da wie'n Falschprophet!" Jona ging grummelnd zu Bett. Am nächsten Morgen wollt er sich wieder unter den Rizinusstrauch setzen, doch der hatte Raupenbefall und war komplett hinüber: kein Schatten nirgends! Jetzt war Jona so
richtig angepißt. Doch Gott sagte zu ihm: "Na, findeste es doof, daß der Rizinusstrauch hin ist? So groß und stark und schattenspendend - und nu isser hin? Dabei haste den nicht mal selber gepflanzt - dann wärrste erst
richtig betrübt gewesen. Die Leute von Ninive aber sind meine Kinder, meine Schöpfung. Sollte ich mir nicht ebenfalls wünschen dürfen, sie lieber zu erhalten als plattzumachen?"
Sollte Jona nun also eine Zukunft ansagen oder eine Gegenwart beeinflussen? Wird der Prophet daran zu messen sein, ob seine Ankündigung eintraf?
Heide_witzka schrieb:Der Ansatz der ZJ scheint mir da aber völlig verschieden zu sein.
Genau das ist ihr Manko. Wie auch bei Kreationisten und anderen, die meinen, die Bibel erzähle uns was über Physik, Biologie, Erdgeschichte usw. Dabei wollen die Schöpfungeberichte uns nicht über die Chronologie der Entstehung von Universum, Erde und Leben belehren, sondern was über uns Menschen mitteilen, über unser Potential zum Guten wie Schlechten, über unsere Stellung in der Natur und unsere Beziehungen zu ihr, über unsere Beziehung zu Gott usw.
Es geht ums Entdecken der eigentlichen Botschaft, aber einige lesen was anderes heraus und übersehen dabei ggf. das Eigentliche.