perttivalkonen schrieb:Wegen des zweiten (und dritten) Satzes ist Naturalismus von seiner Entstehung her eine Ideologie. Formal jedoch, also nur mit dem ersten Satz, schließt es weder einen beobachtenden noch einen agierenden Gott aus (selbst wenn Wunder ausgeschlossen sind). Unideologisch wäre Naturalismus letztlich ununterscheidbar zum Wissenschaftsansatz.
Da bin ich mir nicht ganz sicher. Einerseits - was die Entstehungsgeschichte betrifft - ist Naturalismus eine Abgrenzung vom Theismus (wobei ich Deine Zweifel an dieser Darstellung einstweilen mal unberücksichtigt lasse) und damit ein bewusster weltanschaulicher Gegenentwurf, der darauf hinausläuft, das Naturgeschehen sowie darüber hinaus alles andere an Wirklichkeit (inklusive Bewusstseinsphänomene usw.) ohne jeglichen übernatürlichen Einfluss zu begreifen.
Andererseits - was das formal-Inhaltliche betrifft - nimmt der Naturalismus keinerlei Stellungnahme bezüglich übernatürlicher Wesen vor, da er sich auf die Natur fokussiert, ohne übernatürliche Ursachen (Wesen, Götter usw.) in Betracht zu ziehen. Es ist zwar richtig, dass er sie nicht ausdrücklich als auszuschließende Wesen benennt, aber dieser Ausschluss ergibt sich folgerichtig aus der Prämisse, die Natur sich selbst begründen zu lassen.
Einen Unterschied zum Wissenschaftsansatz sehe ich darin, dass bei den Wissenschaften Übernatürliches von vornherein für unerforschbar erklärt wird, während im Naturalismus Übernatürliches als für die Natur irrelevant erklärt wird, da die Natur ausschließlich Ursache ihrer Wirkungen und Erscheinungen selbst ist. Während in den Wissenschaften Übernatürliches unberücksichtigt bleibt, da es mit wissenschaftlichen Methoden unerkennbar ist, wenn es so etwas gäbe, lässt der Naturalist das Übernatürliche unberücksichtigt, weil es per Festlegung keinerlei Einfluss auf das Naturgeschehen hat.
Das unterscheidet den methodologischen Naturalismus der Naturwissenschaften vom ontologischen Naturalismus als Weltanschauung. De facto (wenn vielleicht auch nicht expressis verbis) schließt der Naturalist Übernatürliches aus seinem Weltbild aus. Für ihn gibt es nur und ausschließlich Natur und nichts Übernatürliches. So zumindest nach meinem Verständnis. Deine Zweifel bezüglich der Darstellung des historischen Werdegangs der Entstehung des Naturalismus als möglicherweise ideologisch beeinträchtigt, kann ich mangels einschlägiger Kenntnisse momentan nicht ausräumen oder bestätigen.