Die Zeugen Jehovas
01.02.2014 um 03:34
Die ewige Karikatur von den Zeugen Jehovas, die Ihre Kinder verbluten lassen...
oder ich formuliere es mal etwas schräg:
Wenn sich “dicke WTG-Bonzen“ um Spenden und neue Mitgliederzahlen sorgen, hat man sich mit dem eigenwilligen “Blut-Kodex“ eigentlich keinen Gefallen getan.
Jedenfalls schreckt diese Position doch eher ab – als es für das Bild einer “verführerischen Sekte“
gesund wäre. Warum also diese Blut-Idee?
Während sich noch einige christliche Gruppen oder Fraktionen finden, die Blut in Speisen ablehnen oder zumindest diskutieren, scheinen Zeugen Jehovas, die Einzigen zu sein , die in der Bluttransfusion eine moderne Adaption von dem biblischen Gebot, sich des Blutes zu enthalten, sehen. Doch so sehr sich diese spezielle Interpretation auch als willkommenes Stielmittel eignet, eine umstrittene Gruppe als “verrückt“ und “gefährlich“ zu zeichnen – ist es aber nicht ganz so einfach:
Hier muss man wohl auch schlicht zwischen medizinischen, gesellschaftlichen und christlichen Überlegungen unterscheiden:
Medizinisch gesehen, ist eine Bluttransfusion nicht das lebensrettende Mittel par excellence – sondern ein erheblicher medizinischer Eingriff, der auch lebensgefährliche Risiken mit sich bringt.
Deshalb schreibt der Gesetzgeber eine ausreichende Aufklärung vor, die aber in der täglichen Praxis nicht immer beachtet wird/ oder werden kann. In dem Gesetzestext heißt es: „Eine Bluttransfusion stellt eine schwerwiegende Körperverletzung dar, ... weshalb der Patient sein Einverständnis in Schriftform dazu geben muss", das den Arzt oder das Krankenhaus damit bedingt auch von der “Verantwortung“ solcher Risiken befreit ( jährlich sterben eine nicht unerhebliche Anzahl, allein an Blutverträglichkeitsproblemen usw. - wie auch hier in den Beiträgen schon diskutiert).
Dennoch überwiegen die praktischen und auch wirtschaftlichen Faktoren des Blutes. Doch in der Vielfalt an Risiken in Verbindung mit dem Blut, arbeitet man seit Jahren fieberhaft an der Entwicklung von synthetischen Blut ( es wäre natürlich mal eine interessante Frage, ob Jehovas Zeugen damit leben könnten ?!).
Daher gibt es natürlich auch Personen, die offenbar “nur“ überlebt haben, weil sie keine Bluttransfusion erhalten haben ( zB. weil der geschwächte Körper, die Strapazen eines fremden Organes, wie es das Blut im Grunde ist, nicht mehr weggesteckt hätte, oder innere Blutungen nach OP's eher auffallen).
Im Falle eines solchen Todes, wäre hier schlicht die unglückliche Wirkung eines medizinischen Mittels, statt der “Märtyrer-Glaube einer Sekte“ verantwortlich.
Deshalb hat jeder Patient, angesichts solcher Risiken/ Auswirkungen, das Recht auf Wahl und Ablehnung medizinischer Mittel – Wenn z.B. Jemand bei einem tödlichen Krebsleiden eine übliche Chemotherapie ablehnt – und sich anders versorgt sehen will, empfinden wir das als natürliches Selbstrecht, auch wenn dies die Lage verschlechtert.
Das Stigma "Jehovas Zeugen lassen ihre Kinder verbluten..." wird trotz allem Unverständnis für die kollektvie medizinische Besonderheit der Zeugen, nicht der eigentlichen Praxis gerecht.
Im Gegenteil, gerade wegen dem Handicap mit dem Blutstoff, sind Jehovas Zeugen eher für ein äußerst aufwendiges aklternatives medizinisches Bemühen bekannt - das irrwitzigerweise sogar zu einer durchschnittlich "besseren" medizinischen Versorgung führt, da im gegenzuge eher Chefärzte, Spezialisten oder besondere Kliniken die Fälle auf den OP-Tisch bekommen - So genzwertig man das auch empfindet, aber von einem "Zugucken" wie Jemand stirbt, kann man hier wohl kaum sprechen.
Das sich für Ärzte solch eine Patientenverfügung in der Praxis “relativ“ darstellt, ist auch nachvollziehbar. Die Endscheidung des Patienten, wurde nicht immer im vollen medizinischen Verständnis, oder in dem Bewusstsein aktueller Behandlungsmethoden getroffen, vom Kontext zum aktuellen Notfall, mal ganz zu schweigen – hier sehen Ärzte sich sicherlich auch in der täglichen Herausforderung, den Patientenwunsch richtig zu “interpretieren“ und auf den akuten Fall “glücklich“ zu übertragen.
Doch obwohl anscheinend nur Zeugen Jehovas mit ihren “Bluttick“ unangenehm auffallen, gibt es genügend andere Personen, Ärzte oder gar Krankenhäuser die für eine blutlose Medizin eintreten.
Das aber neben dem Abwägen medizinischer Wirkung, auch religiöse Überlegungen eine Rolle spielen, ist in unserer Gesellschaft wohl doch eher befremdend.
Befremdend ist sicherlich besonders der Gedanke, wenn nicht der Patient diese sehr persönliche Endscheidung trifft, sondern eher das Wesen einer Gruppe?!
Allerdings, ist der hier im Thread angedeutete Anspruch, von “Lebensrettung um jeden Preis“ ein “Ammenmärchen“, das nirgendwo Anwendung findet – es gibt immer moralische und leider auch wirtschaftliche Grenzen!
Die meisten würden doch trotz aller Not von einem Spenderorgan vom kriminellen Schwarzmarkt absehen?!- und viele Menschen sterben auch schlicht, weil natürlich nicht für jeden der absolute medizinische Aufwand, wie z.B. bei einem prominenten Spitzensportler vorgesehen ist,
obwohl vielleicht sogar ein Krankenhaus ggf. darüber verfügen könnte.
So absurd diese beiden Beispiele auch klingen, wird doch deutlich, dass es verschiedene Gründe
in der Auswahl von anscheinend lebensrettenden Maßnahmen gibt, und hier nicht allein die Machbarkeit selbstredend entscheidet – es sind auch moralische und wirtschaftliche Faktoren.
Ob eine religiöse Überlegung mit diesen beiden Faktoren gleichziehen kann, ist natürlich sehr streitbar, und eben eine gesellschaftliche bzw. ethische Überlegungen.
Im biblischen Denkmodell, tun sich hier noch ganz andere Überlegungen auf.
Denn für einen Christen gilt in keinem Fall der Grundsatz “Lebenserhaltung um jeden Preis“
Der christliche Lebensweg bringt seit jeher, das Risiko ggf. sein Leben für seine religiöse Überzeugung einzusetzen. Jesus selbst sprach davon:
(Matth. 16:24 24Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. 25Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.)
Jesu Weg endetet tödlich und eine Vielzahl von Christen sind für Ihre Überzeugung ähnlich geendet – Letztlich findet man in Hiob einen der größten Anklagepunkte des Teufels, an die Menschen:
Hiob 2: 4 Der Satan antwortete dem Herrn und sagte: Haut um Haut! Alles, was der Mensch besitzt, gibt er hin für sein Leben. - Tatsächlich ist die Lebenserhaltung um jeden Preis, damit eine biblische Streitfrage – die sich für jeden Christen im Alltag stellen könnte.
Natürlich ist das Leben grundsätzlich zu bewahren, nicht leichtsinnig zu behandeln, und damit eine medizinische Versorgung auch christliches Selbstverständnis.
Die Bibel zeichnet das Leben als heilig – aber der Erhalt des Lebens steht eben nicht über biblischen Grundsätzen.
Das zeigen schon kleine biblische Vorfälle – wie zB. die Vorschriften, wie die Bundeslade getragen werden sollte – hier ging es um die Heiligkeit Gottes – eine kleine Missachtung wurde Usa zum tödlichen Fehler. Das Leben stand hier offenbar nicht über der simplen Handhabe von Tragestangen.
Bei dem Blut geht es offenbar auch um die Heiligkeit Gottes - statt um einen bloßen Gedanken der Hygiene. Das die berüchtigten “Blutbibelstellen“ scheinbar mehr bedeuten, als nur eine Speisevorschrift, zeigt allein das, was Tertullian in seinem Bericht andeutet, das die ersten Christen in der Verfolgung, ausgehungert mit Blutwurst provoziert wurden, und eher wohl ihr Leben aufgaben – was ja wohl auf das Gleiche, wie eine lebensrettende Maßnahme, hinausläuft.
Obwohl Jehovas Zeugen eine Vielfalt an medizinischen Gründen anführen, geht es Ihnen eigentlich wohl nur um den religiösen Aspekt der Heiligkeit des Blutes – und ich fürchte, das sie neben dem eigenen besonderen Verständnis der Anwendung des Gebotes, selber aber keine Erklärung für den tatsächlichen Hintergrund haben?!
Aber das liegt wohl auch in der Natur der Sache, das die Bibel nicht immer den Hintergrund aller Anweisungen erklärt ( den Israeliten war in der Wüste ja auch nicht bewusst, warum sie im Falle einer Krankheit bzw. Unreinheit, das Lager verlassen sollten – und da alleine "rumsaßen" – war es aber doch die erste Quarantäne-Anweisung, lange vor dem Verständnis über Keime & Infektionen).
Erste Christen sind bei der Ablehnung von Blutspeisen in Lebensgefahr geraten, und haben offenbar auch, die zur römischen Zeit üblichen medizinischen Anwendungen von Blut abgelehnt – Auch die Anwendung in einer Notsituation wurde in einem biblischen Vorfall ( 1.Samuel 14:31-35) als Vergehen gegenüber Gott angesehen.
Abgesehen davon, ob die Zeugen Jehovas in ihrem Bemühen alles ganz genau zu deuten, nun daneben liegen - aber irgendwas muss es mit der Blutenthaltung auf sich haben:
– Ist die beschriebene Handhabe mit dem Blut ein Affront gegen Gott?
– weil er der Lebengeber ist!?
- Ist es eine gesundheitliche Anweisung?
- Oder geht es um einen bisher unbekannten Faktor, z.B. das Blut auch ein Teil Persönlichkeit in sich trägt – die ein “christliches Wesen“ verändern könnte ( heute weiß man von Botenstoffen, die nicht unerheblich nachwirken können - Stichwort Gedächnistransplantationen, die zur Persönlichkeitsveränderung führen )?!
....was auch immer?!
Neben der Sorge, dass eine Gruppe in ihrem christlichen Eifer übertreibt, lässen sich die Bibeltexte, über die Handhabe von Blut, für einen Christen aber auch nicht einfach als “bedeutungslos“ zu den Akten legen.....
(Ausmaße des Textes und überzogende Gedankenbilder sind bitte zu entschuldigen;)