ElsbethM schrieb:Anscheinend liegen den biblischen und außerbiblischen Erzählungen die gleichen oder ähnliche Erfahrungen zugrunde.
Ganz gewiss sogar! Das ergibt sich aus der wissenschaftlichen Forschung zur Person Jesu und der christlichen Religion. Mal zum Stand der (wissenschaftliche) Dinge, soweit ich sie kenne:
HintergrundDie biblische Figur "Jesus" basiert höchstwahrscheinlich auf einem messianischen jüdischen Prediger, der wahrscheinlich Yeshua hieß und in den frühen 30er Jahren n. Chr. wegen Aufruhrs bzw. Anstiftung zur Rebellion gegen die religiöse Autorität gekreuzigt wurde. Es gibt meines Wissens keine externen historisch (d.h. nicht biblisch) belegten Hinweise darauf, wer genau diese Person gewesen sein könnte, und schon gar keine Hinweise auf seine Abstammung.
Diese Person wurde wohl als Jude geboren, hat als solcher gelebt und ist als solcher gestorben. Die Anhänger der jüdischen Sekte, die ihn posthum als ihr Aushängeschild annahm und deren mutmaßlicher Gründer Paulus (Saulus von Tarsus) war, wurden erst ab 70 n. Chr. Christen genannt. (Dies ist in der Bibel selbst dokumentiert : Apostelgeschichte 11:26 "Und die Jünger wurden zuerst in Antiochia Christen genannt". Diese Apostelgeschichte wurde geschrieben, nachdem einige von Paulus' frühen Anhängern während des Ersten Jüdischen Aufstands und der Plünderung des Tempels in Jerusalem in diese Stadt - heute Antakya in der modernen Türkei - geflohen waren).
Die allererste nichtbiblische Erwähnung Jesu stammt von dem Historiker Josephus aus den Jahren 93 oder 94 n. Chr.. Dies geschah in den
Antiquitates Iudaicae. Es ist jedoch bekannt, dass mindestens einer der Hinweise auf Jesus in diesem Werk, möglicherweise sogar beide, eine spätere Fälschung sind. Sie wurde mit ziemlicher Sicherheit von einem Schreiber aus dem 4. Jahrhundert hinzugefügt, wahrscheinlich auf Anweisung von Eusebius, der rückwirkend versuchte, den christlichen Glauben zu bestätigen.
Die Evangelien, in denen angebliche Ereignisse aus dem Leben Jesu geschildert werden, wurden erst mehrere Jahrzehnte nach den Ereignissen verfasst, die sie angeblich beschreiben, oft als angebliche Augenzeugen. Das früheste Evangelium, das von Markus, wurde um das Jahr 70 n. Chr. geschrieben, nach der Plünderung des Tempels in Jerusalem, während das letzte Evangelium, das von Johannes, erst gegen Ende des ersten Jahrhunderts oder sogar zu Beginn des zweiten Jahrhunderts n. Chr. geschrieben wurde. Ihre Autoren sind nicht bekannt, und die Namen, unter denen wir sie kennen, wurden erst in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. vergeben, und zwar mit ziemlicher Sicherheit von einem griechischen Bischof namens Irenäus.
Die Erzählungen aus den EvangelienDiese Evangeliengeschichten über angebliche Ereignisse im Leben Jesu, einschließlich der behaupteten Wunder, sind rein mythisch. Sie sind aktualisierte und zeitgemäße Versionen von angeblichen Wundern, die von
verschiedenen in der jüdischen Mythologie beschriebenen Figuren vollbracht wurden, die den Menschen der damaligen Zeit bekannt waren. Diese jüdische theologische Literaturtechnik wurde Midrasch (die exegetischen, gegenwartsbezogene Auslegung von Schriftstellen) genannt und diente dazu, zu zeigen, dass Jesus als Galionsfigur der neuen Religion des Christentums ebenso göttlich und mächtig war wie die mythischen Propheten der Antike wie Moses, Elia, Elisa und Jona, die von den Juden verehrt wurden.
Jesus war bei weitem nicht die erste Person, über die Behauptungen über vollbrachte "Wunder" aufgestellt wurden, andere waren Horus von Ägypten, Attis von Phrygien, Krishna von Indien, Dionysos von Griechenland und Mithras von Persien, von denen mehrere ebenfalls behaupteten, von einer Jungfrau geboren zu sein, deren Vorname mit dem Buchstaben "M" begann, 12 Jünger zu haben, Wunder zu vollbringen und nach drei Tagen wieder aufzuerstehen. Einfach ein Zufall? Vielleicht, aber man muss halt beachten, dass das Kopieren und Adaptieren älterer religiöser Mythen war zu jener Zeit absolut üblich war, und in der Bibel finden sich viele weitere Beispiele.
Die biblischen Behauptungen und Wunder-Geschichten über Jesus, die alle Jahrzehnte nach seiner (angeblichen) Kreuzigung geschrieben wurden, dienten wohl erst einmal nur einem einzigen Zweck: dem Überzeugen der aus heutiger Sicht naiven, abergläubischen, wissenschaftlich unwissenden und weitgehend analphabetischen Menschen des späten 1. und frühen 2. Jhd. So waren die Evangelien wohl nichts anderes als ein Versuch, Konvertiten für das Christentum zu gewinnen, indem sie einerseits die Ähnlichkeiten mit dem Judentum aufzeigten, andererseits aber auch deutlich machten, dass das Christentum ein toleranteres und mitfühlenderes Ethos vertrat, was sich in der Art und Weise zeigte, wie die Geschichten den verständnisvollen und einfühlsamen Umgang Jesu mit den Menschen beschrieben, was im Kontext der allzu strengen jüdischen Orthodoxie und der sozialen und politischen Unruhen der damaligen Zeit wichtig war.
ZusammenfassendIm Grunde gibt es keine gesicherten außerbiblischen Beweise dafür, dass Jesus,
jedenfalls wie er in der Bibel dargestellt wird, jemals existiert hat, geschweige denn, dass er derjenige war, von dem das Neue Testament behauptet, dass er die Wunder und besonderen Geschehnisse, die ihm zugeschrieben werden, vollbracht hat. Eine ganze Reihe von diesen tauchen dann erstmals in einem Text eines unbekannten Verfassers (dem Markusevangelium) etwa 40 Jahre nach den angeblichen Ereignissen auf, und dann erschienen noch mehr "Wunder" ein paar Jahrzehnte später in den ebenfalls nicht genau zuordenbaren Evangelien von Matthäus und Lukas. All diese lässt doch stark darauf schliessen, dass es sich letztendlich um recycelte Sagen aus anderen, älteren Mythen und religiösen Traditionen handelt.