andy2 schrieb:Wie willst du denn irgendeina Aussage interpretieren, wenn du nichts über den Autor und dessen Hintergrund weißt?
Was heißt hier "nichts über ... Hintergrund"? Und auch an Texten haben wir durchaus ne Menge und können via Gemeinsamkeiten, aber genauso über die Unterschiede, ne Menge lernen. Und ja, da kommt es dann durchaus auf Formulierungen, Nuancen, Details an. Dies gehörte übrigens auch zu meinem Studium.
Mal ein kurzes Beispiel, aus dem priesterschriftlichen Sintflutbericht und aus dem Sintflutbericht Utnapischtims aus dem Gilgamesch-Epos:
An eben diesem Tag gingen Noah und Sem und Ham und Jafet, die Söhne Noahs, und die Frau Noahs und die drei Frauen seiner Söhne mit ihnen in die Arche, sie und alle Tiere nach ihrer Art und alles Vieh nach seiner Art und alle kriechenden Tiere, die auf der Erde kriechen, nach ihrer Art und alle Vögel nach ihrer Art, jeder Vogel jeglichen Gefieders.
Und
Steigen ließ ich ins Schiff meine ganze Familie und die Hausgenossen,
Wild des Feldes, Getier des Feldes,
Alle die Meistersöhne hab ich hineinsteigen lassen.
Im ersten Auszug ist die Rede von einer Familie, dem "Haus", im zweiten hingegen von einer Familie, einschließlich der "Hausangestellten" sowie weiterer Vertreter diverser Handwerke. Beides verrät, was der jeweilige Verfasser über den Umfang einer überlebensfähigen "Gesellschaft" denkt. Für den ersten ist dies die autark lebende Familie einer bäuerlichen Kultur, in der noch jeder seine eigenen Krüge töpfert, seine eigene Kleidung webt usw. Für den zweiten hingegen ist dies eine arbeitsteilige, geradezu urbane Gemeinschaft von Berufsgruppen und Hilfsarbeitern.
Und auch das Getier verrät etwas. Die im biblischen Auszug genannten Tiergruppen erinnern nicht von ungefähr an die Tierkategorien des ersten Schöpfungsberichtes (die Wassertiere von dort fehlen, die überleben ja ne Flut). Der Auszug aus dem Gilgamesch-Epos hingegen erwähnt nur allgemein Tiere, verweist allerdings mit "des Feldes" darauf, daß es sich um jagdbare Tiee handelt; Vieh wird nicht genannt. Damit gehört der Verfasser zu höfischen Kreisen, für die nicht Viehzucht, sondern die Jagd Teil der Alltagsbeschäftigung darstellen.
Für letztere fällt mir noch ein schönes Beispiel ein. Die englische Sprache entstand aus einer Vermischung des Altsächsischen und des Französischen. Die Region England wurde im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder erobert; nach den Römern kamen die Sachsen (heutiges Niedersachsen etwa) und Angeln, irgendwann die Dänen, schließlich die Normannen, die zuvor aber erst mal nach Frankreich gingen und dort (Normandie) die französischen Regionalherren stellten. Französischsprachig kamen sie nun nach England, und heraus kam die Mischsprache des Englischen. Putzigerweise heißt das Rind auf der Weide, um das sich der sächsische Bauer zu kümmern hatte, "cow" (Oooh, sing man tau, sing man tau, von Heern Pastor sin
Kau, jau jau), aber der adlige Exnormanne französischer Zunge kannte das Rind dann hauptsächlich als das Stück "beef" auf seinem Teller (frz.: boeuf). Sprache verrät ne Menge, wenn man genau hinschaut - und weiß, worauf man achten muß.
andy2 schrieb:Es macht z.B. einen großen Unterschied, wer etwa den Satz "Wir schaffen das!" sagt.
Bei Merkel hört sich dieser Satz anders an, als bei Adolf Hitler oder bei einem Arzt oder Rechtsanwalt.
Als ob der Satz "wir schaffen das" bei einer Einzelperson jedes Mal den selben Bedeutungsgehalt haben müßte. Nee Du, Du solltest schon den direkten Kontext der Vokabel, also weiteren Text des Auctors, berücksichtigen, innerhalb dessen dann dieses "wir schaffen das" vorkommt. Im Ernstfall wirst Du dann allein aus diesem Text dann erschließen können, ob er von einem Politiker, einem Diktator, einem Fachmann im Berufsumfeld oder einer Figur ausm Kinderfernsehen stammt, und vor allem, was der Satz konkret besagen soll.
Dein "Beispiel" ist keines, denn Du leugnest dabei jeglichen Kontext. Aber ein einzelner biblischer Satz hat nun mal einen großen Kontext: die Bibel. Damit kann man arbeiten. Kann auch dort nochmals separieren (verschiedene Verfasser, verschiedene Zeiten, verschiedene Schichten). Und hat dann sowohl zusammenhängende Passagen, die was über diesen Satz aussagen können, aber ebenso Passagen anderer Herkunft, die dennoch sehr nahestehen, und die über Gemeinsmakeiten und Unterschiede ebenfalls zum Verstehen der Aussageabsicht jenes einen herausgepickten Satzes beitragen können.
andy2 schrieb:Verzichte dankend auf dein Mitleid.
Hätte lieber eine Antwort.
Wie oft denn noch? Nee Du, irgendwann kriegste halt nur noch meine Anteilnahme.
andy2 schrieb:Du stellst dich auf die gleiche Stufe, wie dein Vorkommentator: Nur Herumlavieren und sich um eine Antwort drücken.
Antwort? Da vermiß ich aber die Frage! Nee Du, Du hast Dich hier hingestellt und Wahrheit als historische Wahrheit hingestellt, und ich hab dem widersprochen. Wo ist das bittschön ein Lavieren? Gehts noch?
Ist ja auch nicht so, als hätte ich im Folgenden des obigen Beitrags nichts vorgetragen, wieso ich Wahrheit nicht als mit "Historie" ident begreife. Hab ich sehr wohl, und das hast Du auch gelesen. Wieso hast Du dann diesen unsäglichen Kommentar stehen lassen, statt ihn vor dem Abschicken deines Posts wieder rauszunehmen? Du wußtest doch, daß von mir mehr kam!
andy2 schrieb:Nenne mir mal eine solche Wahrheit.
Nee Du, auf so ne Debatte laß ich mich nicht ein. Lies ein paar Gleichnisse (am besten mit dem direkten Kontext, also ein paar Sätzen drumherum). Entweder erfaßt Du die Aussageabsicht und ihre "innere Logik" (und mußt dafür nicht mal daran glauben), oder Du tust es nicht. Das hab ich nicht in der Hand.
andy2 schrieb:Ja, super! Hier geht es doch nicht darum, was ich finde oder nicht. Jeder mag da etwas eigenes finden, was ihm gefällt oder nicht.
Ich würde jedenfalls keine tiefgreifenden Erkenntnisse erwarten und erspare mir deshalb eine erneute Lektüre. Die Gründe hierfür habe ich ja bereits genannt.
Jepp, wie ichs dachte. Wahrheit ist für Dich was Objektives. Vergiß es...
In solchen Fällen zitier ich immer wieder gerne Indiana Jones:
Archäologie ist die Suche nach Fakten. Nicht nach der Wahrheit. Wenn Sie an der Wahrheit interessiert sind, Dr. Tyries Philosophiekurs ist am Ende des Ganges.
andy2 schrieb:Ich würde jedenfalls keine tiefgreifenden Erkenntnisse erwarten und erspare mir deshalb eine erneute Lektüre.
Jepp, auch das überrascht mich nicht wirklich. Manche Leute halten das für Erkenntnisgewinn, wenn sie nur das lernen, was sie eh schon kennen. Vorgefaßte Meinungen sind schon was kreatives...
andy2 schrieb:Die Gründe hierfür habe ich ja bereits genannt.
Ähm, weil die Story ja historisch nicht wahr ist? Und das sind also Gründe dafür, daß Du gar nicht erst versuchst zu verstehen, daß es auch andere Wahrheit als historische geben könne? Beißt sich da nicht die Maus in den Schwanz?
andy2 schrieb:Es geht schlicht darum, welche der geschilderten Geschehnisse sich tatsächlich abgespielt haben und welche erfunden sind.
Das ist ne völlig andere Frage, die hat nichts damit zu tun, ob Dumledores "Es sind nicht unsere Fähigkeiten, die zeigen, wer wir sind, sondern unsere Entscheidungen" eine Wahrheit birgt. Klar, ist nicht historisch, also isses unwahr. Mann, mann, mann...
Nee Du, es geht nicht darum, was sich tatsächlich abgespielt hat. Die Potterbücher sind pure Fiktion.
Und an dieser Stelle steige ich aus. Hab den Rest quergelesen, da tut mir auch nix leid, nicht drauf einzugehen...