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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

83 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Religion, Evolution ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 08:20
Vielleicht sollte man bei solchen Thesen zunächst mal untersuchen, ob hier überhaupt eine Korrelation vorliegt, die kausal zum Tragen kommt oder ob es sich hier lediglich um eine Scheinkorrelation handelt. Ich habe da meine heftigen Zweifel, ob die behauptete These überhaupt sinnvoll ist. Wenn wir von evolutionären Vorteilen sprechen, bezieht sich das auf einen biologischen Sachverhalt, der allen Lebewesen zukommt - unabhängig von religiösen oder areligiösen Weltanschauungen.

Wäre Religiosität ein selektiver Faktor im Sinne der Reproduktionsrate aus evolutionsbiologischer Sicht, dann müssten Mikroben besonders religiös sein, denn deren Reproduktionsrate ist im Vergleich zu anderen Lebewesen konkurrenzlos unübertroffen. Offensichtlich ist das aber ein absurder Rückschluss, so dass mit der Prämisse etwas nicht stimmen kann. Religiosität ist ein Phänomen, das nur bei Menschen beobachtet werden kann, so dass untersucht werden müsste, inwiefern sich Religiosität kausal als selektiver Faktor auf die Reproduktionsrate auswirkt.

Dass offenbar die Mehrheit der Menschen mit dem Vorhandensein eines religiös determinierten Weltbildes in einen Zusammenhang gebracht werden kann, ist offensichtlich. Die Frage ist daher, ob das Vorhandensein religiös determinierter Weltbilder einen Effekt nach sich zieht, der sich auf den Fortpflanzungserfolg kausal auswirkt. Oder wirkt sich das Vorhandensein eines areligiös determinierten Weltbildes kausal auf den Fortpflanzungserfolg aus? Oder ist es vielmehr so, dass sich Menschen fortpflanzen und sie haben darüber hinaus auch noch ein Weltbild, ohne dass dieses einen kausalen Einfluss auf die Fortpflanzung hätte?

Da sich Evolution auf dem biologischen Fundament der Menschheit abspielt, muss der evolutionäre Effekt auch in diesem Fundament gesucht und gefunden werden. Das Fundament der Evolution ist der Genpool der Population, in dem sich dann bevorzugt die Allele anreichern, die den Fortpflanzungserfolg am zahlreichsten sichern. Um den Nachweis zu erbringen, dass Religion einen evolutionären Vorteil darstellt, müsste man die Allele des Genpools auf das Vorhandensein von Religiosität untersuchen.

Religiosität und das Ausleben derselben in Gestalt einer konkreten Religion ist ein Phänomen, welches kulturell tradiert wird und nicht genetisch. Wir haben es hier also nicht mit Allelen im Genpool zu tun, sondern mit tradierten Geschichten und Ritualen, die als Narrative im Rahmen kultureller Kontexte weitererzählt und weiterpraktiziert werden. Religiosität ist also eine Zugabe, die kulturell erworben und kulturell im Zuge der Sozialisierung erhalten wird. Religion hat etwas mit Sprache zu tun, mit Hilfe derer man in der Lage ist, die Umstände des Daseins auf den Begriff zu bringen und mit Hilfe der Begriffe weitere Bedeutungskontexte zu erschließen, die dann in der Summe eine bestimmte Weltanschauung und ein bestimmtes Weltbild ergeben, das dann Orientierung bietet im Umgang mit der konkreten Wirklichkeit.

Auch hier stellt Religiosität eine Begleiterscheinung oder eine Zugabe des Denkenkönnens und Sprechenkönnens dar, welches jedoch umfassender ist als Religiosität. Wenn man also darüber Mutmaßungen anstellt, ob Religiosität einen evolutionären Vorteil darstellen könnte, dann stößt man im Grunde lediglich darauf, dass Denken und Sprechen den Menschen in die Lage versetzt hat, sich in seiner ursprünglichen ökologischen Nische zu behaupten und in der Folge weitere ökologische Nischen zu erschließen.

Der evolutionäre Vorteil benennt dann lediglich eine Trivialität: Weil wir über eine Sprache verfügen und über die Welt nachdenken können, können wir uns Weltbilder entwerfen, mit Hilfe derer wir die Welt in unserem Sinne verändern können. Menschen pflanzen sich daher bevorzugt dann fort, wenn die Nachkommen ebenfalls in der Lage sind, auf einem bestimmten Niveau zu denken und zu sprechen. Dass beim Denken und Sprechen auch noch Religionen erwachsen bzw. areligiöse Weltbilder erwachsen, ist dann lediglich ein Nebeneffekt, aber kein evolutionär wirksamer kausaler Faktor, der selektiv wirken könnte.

In den Allelen findet man jedenfalls nichts, was auf Religiosität hinweist, dafür aber viel, was auf Denken- und Sprechenkönnen hinweist.


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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 10:10
Zitat von LibertinLibertin schrieb:Da allerdings der TE @Mr.Monty u.a. auch ein stabileres Sozialgefüge als besonderen Vorteil von Religionen nannte dürfte ihn eine solche Gegenüberstellung in seinem Thread sicherlich interessieren.
Hätte er davon gesprochen, daß einzig Religiosität zu Kooperation führt, wäre Dein Einwand "sicherlich interessant" für ihn. Denn dann wäre es in der Tat eine Korrektur seiner Auffassung. Um die es Dir mit Deinem Einwand ja ging. So aber stellt Deine Anmerkung jedoch gar nichts klar / richtig / in ein anderes Licht / wasauchimmer..., denn auch wenn Kooperation sich ganz ohne Religiosität einstellt, diese also nicht notwendig ist, ist jeder Vorteil, den die Religiosität zur generellen Kooperationsfähigkeit noch hinzubringt, ein Surplus und damit ein Vorteil, den Nichtreligiosität nicht besitzt. Quasi ein "besonderer Vorteil".

Ja hättest Du auf Studien verwiesen, die das Aufkommen spezifisch "nichtreligiöser Kooperation" belegen, die in religiösen Zusammenhängen nicht greift / vorkommt, Das hätte natürlich den "besonderen Vorteil", auf den sich der TE bezieht, konterkariert. Und würde auch mich "sicherlich interessieren".
Zitat von JacobMonodJacobMonod schrieb:Ich habe da meine heftigen Zweifel, ob die behauptete These überhaupt sinnvoll ist.
Woraus sich diese Zweifel auch immer speisen.
Zitat von JacobMonodJacobMonod schrieb: Wenn wir von evolutionären Vorteilen sprechen, bezieht sich das auf einen biologischen Sachverhalt, der allen Lebewesen zukommt - unabhängig von religiösen oder areligiösen Weltanschauungen.
Da irrst Du Dich. Beim Menschen läuft Verhalten nicht nur über Instinkte. Sobald aber ein Verhalten von den Ansichten, Auffassungen, Vorstellungen eines Menschen beeinfluißt wird, können alle Menschen zwar genetisch "das Zeug dazu" haben, sich so zu verhalten, doch tritt es dann eben erst auf, wenn die entsprechenden Anschauungen bei diesem vorkommen.

Dabei wird es sogar schwieriger, diese Korelation in einer Population deutlich auszumachen. Denn wenn ein Mensch ein bestimmtes Verhalten erst einmal längere Zeit praktiziert hat, dann aber seine Sichtweisen ändert, dann kann es passieren, daß er seine altgewohnten Verhaltensweisen zumindest partiell beibehält. Andererseits können andere Menschen, die nicht die Vorstellungswelt ihrer Mitmenschen teilen, dennoch deren Verhalten an- und übernehmen. Die Korelation kann dennoch erkennbar bleiben, jedoch in deutlich abgeschwächter Form. Simples Beispiel: Daran, wer Weihnachten feiert, wird man kaum den religiösen Kontext des Weihnachtsfestes erkennen können.
Zitat von JacobMonodJacobMonod schrieb:Wäre Religiosität ein selektiver Faktor im Sinne der Reproduktionsrate aus evolutionsbiologischer Sicht, dann müssten Mikroben besonders religiös sein
Und tschüß!


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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 10:38
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Da irrst Du Dich.
Nein. Evolution ist ein biologischer Sachverhalt und kein weltanschaulich determinierter.
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Beim Menschen läuft Verhalten nicht nur über Instinkte.
Menschen können darüber hinaus über ihr Verhalten und Handeln gedanklich reflektieren und mit Wert- und Nutzenvorstellungen abgleichen, so dass daraus Handlungsspielräume entstehen, die Wahlmöglichkeiten und bewusste Entscheidungen zulassen. Das läuft dann aber nicht mehr auf der biologischen - und damit evolutionär relevanten - Ebene ab, sondern auf der kulturellen Ebene, die narrativ tradiert worden ist.
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Sobald aber ein Verhalten von den Ansichten, Auffassungen, Vorstellungen eines Menschen beeinfluißt wird, können alle Menschen zwar genetisch "das Zeug dazu" haben, sich so zu verhalten, doch tritt es dann eben erst auf, wenn die entsprechenden Anschauungen bei diesem vorkommen.
Und es tritt auf, wenn der betreffende kulturelle Kontext stimmig ist. Anderenfalls wären alle Menschen hinsichtlich des Auslebens von Religiosität gleich religiös - was aber nicht zu beobachten ist, weil die narrativen Traditionslinien je nach kulturellem Kontext verschieden sind. Die einzige Konstante ist die, dass sich Menschen ein Weltbild erarbeiten, um mit der Wirklichkeit umzugehen. Aber das ist ein Nebeneffekt des Denken- und Sprechenkönnens, verbunden mit Neugier in der Auseinandersetzung mit der Umwelt.
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Dabei wird es sogar schwieriger, diese Korelation in einer Population deutlich auszumachen.
Dass sich Menschen bei ihren Handlungen von Weltbildern beeinflussen lassen, dürfte universell sein, so wie es universell ist, dass Menschen denken und sprechen können sowie ihrer Umwelt gegenüber aufgeschlossen und neugierig sind.
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Denn wenn ein Mensch ein bestimmtes Verhalten erst einmal längere Zeit praktiziert hat, dann aber seine Sichtweisen ändert, dann kann es passieren, daß er seine altgewohnten Verhaltensweisen zumindest partiell beibehält.
Ja, aber je nach konkreter Gewohnheit, gewöhnt man sie sich entweder ab oder um oder behält sie - nun unter einem veränderten Weltbild - bei.
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Andererseits können andere Menschen, die nicht die Vorstellungswelt ihrer Mitmenschen teilen, dennoch deren Verhalten an- und übernehmen.
Auch das ist richtig, wobei man zugleich auch die andere Vorstellungswelt nicht notwendigerweise negieren oder ablehnen muss, sondern diese teilweise übernehmen kann. Der Beliebigkeit je nach persönlichem Geschmack ist hier Tür und Tor geöffnet, sofern die sozialen Verhältnisse eine zwanglose Entscheidungsfreiheit zulassen.
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Die Korelation kann dennoch erkennbar bleiben, jedoch in deutlich abgeschwächter Form.
Das bedeutet jedoch, dass die praktizierten Handlungen sich nicht auf einen bestimmten weltanschaulichen Kontext festlegen lassen, sondern dass dieser Kontext beliebig variabel ist, so dass die Handlungen für sich betrachtet werden müssen und die Kontexte für sich betrachtet werden müssen, wenn man untersuchen will, ob es kausale Korrelationen gibt.

Für die zur Diskussion gestellte These gilt also, dass Menschen sich zwar fortpflanzen und Menschen Weltbilder haben, aber dass das eine keine genuine Folge des anderen ist. Und damit wird die These obsolet, denn ob religiös determiniertes Weltbild oder areligiös determiniertes Weltbild - es spielt keine Rolle hinsichtlich des Fortpflanzungserfolgs, weil Weltbilder austauschbar sind: Sie sind nicht genetisch im Genpool fixiert. Fixiert ist lediglich die Fähigkeit, mit Hilfe von Denken und Sprechen Weltbilder zu konstruieren bzw. über kulturelle Narrative sich anzueignen. Das ist der Punkt, der mich heftig daran zweifeln lässt, ob die vorgestellte These überhaupt sinnvoll ist, @perttivalkonen .
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Und tschüß!
Meinetwegen ...


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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 10:48
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Hätte er davon gesprochen, daß einzig Religiosität zu Kooperation führt, wäre Dein Einwand "sicherlich interessant" für ihn. Denn dann wäre es in der Tat eine Korrektur seiner Auffassung. Um die es Dir mit Deinem Einwand ja ging. So aber stellt Deine Anmerkung jedoch gar nichts klar / richtig / in ein anderes Licht / wasauchimmer...,
Nein, es sollte keine Korrektur sein, sondern eine Gegenüberstellung die aufzeigen soll, daß prosoziales Verhalten kein Alleinstellungsmerkmal religiös motivierter Verhaltensweisen ist. Ich weiß, hat hier auch niemand behauptet, habe es aber als Anmerkung dennoch hier eingeworfen, da in dem Buch auch erwähnt wird, daß es unter bestimmten Voraussetzungen selbst unter egostisch eingestellten Individuen zu kooperativem Verhalten kommen kann und ich es halt an dieser Stelle erwähnnswert fand.
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:denn auch wenn Kooperation sich ganz ohne Religiosität einstellt, diese also nicht notwendig ist, ist jeder Vorteil, den die Religiosität zur generellen Kooperationsfähigkeit noch hinzubringt, ein Surplus und damit ein Vorteil, den Nichtreligiosität nicht besitzt. Quasi ein "besonderer Vorteil".
Wie schon gesagt, war es auch gar nicht meine Intention diesen Vorteil der Religiösität in Abrede zu stellen. Ich glaube auch kaum, daß es jemanden gibt der ernsthaft bezweifelt, daß religiöse Motive zu einem gesteigerten Sozialverhalten beitragen können. Das gleiche gilt natürlich auch für zum Beispiel eher säkulare aber besonders humanistisch eingstellte Menschen.


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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 11:19
Zitat von JacobMonodJacobMonod schrieb:Nein. Evolution ist ein biologischer Sachverhalt und kein weltanschaulich determinierter.
Da hast Du meine Antwort aber nicht verstanden. Daß das Verhalten genetisch verankert ist, und daß es auch wirklich aktiviert wird, sind nun mal zwei verschiedene Paar Schuhe in der hiesigen Debatte. Die weiteren Fälle, wo Deine Antworten schlicht an meiner Darlegung vorbeigehen, laß ich gleich mal außen vor.
Zitat von JacobMonodJacobMonod schrieb:Das bedeutet jedoch, dass die praktizierten Handlungen sich nicht auf einen bestimmten weltanschaulichen Kontext festlegen lassen, sondern dass dieser Kontext beliebig variabel ist
Um bei meinem Beispiel zu bleiben: Ist das Weihnachtsfest erst mal da, können alle Menschen dieses tollfinden und übernehmen bzw. beibehalten, wenn sie ihren eigenen kulturellen Kontext wechseln. Aber ohne den Ursprungskontext wäre das Weihnachtsfest nicht aufgekommen.
Zitat von JacobMonodJacobMonod schrieb:Für die zur Diskussion gestellte These gilt also, dass Menschen sich zwar fortpflanzen und Menschen Weltbilder haben, aber dass das eine keine genuine Folge des anderen ist.
Ja siehste, und das ist eben falsch. Es ist durchaus "genuin". Weihnachten kann von aller Welt gefeiert werden, doch ist dieses Weihnachten genuin religiös.
Zitat von LibertinLibertin schrieb:Nein, es sollte keine Korrektur sein, sondern eine Gegenüberstellung die aufzeigen soll, daß prosoziales Verhalten kein Alleinstellungsmerkmal religiös motivierter Verhaltensweisen ist.
Ach, was ist jetzt bittschön der Unterschied zwischen "daß einzig Religiosität zu Kooperation führt" und Deinem "daß prosoziales Verhalten kein Alleinstellungsmerkmal religiös motivierter Verhaltensweisen ist"? Genau das wolltest Du "ergänzend hinzufügen", geradezu entgegenhalten, weil ohne diesen Aspekt Deiner Meinung nach jene Anfangsthese nicht wirklich korrekt zu beurteilen sein kann.

Woll Korrektur!
Zitat von LibertinLibertin schrieb:habe es aber als Anmerkung dennoch hier eingeworfen, da in dem Buch auch erwähnt wird, daß es unter bestimmten Voraussetzungen selbst unter egostisch eingestellten Individuen zu kooperativem Verhalten kommen kann und ich es halt an dieser Stelle erwähnnswert fand.
Da das erstens nichts zur verhandelten These austrägt und zweitens wie Du ja selbst schriebst, von Kybela eh schon angebracht wurde, speist sich Dein "fand ich an dieser Stelle erwähnenswert" aus "noch was anderem". Weswegen Du dies gestern abend mit einem "aber" statt mit einem "übrigens" angeheftet hattest.

Klar Entgegnung!
Zitat von LibertinLibertin schrieb:Wie schon gesagt, war es auch gar nicht meine Intention diesen Vorteil der Religiösität in Abrede zu stellen. Ich glaube auch kaum, daß es jemanden gibt der ernsthaft bezweifelt, daß religiöse Motive zu einem gesteigerten Sozialverhalten beitragen können.
Ersteres habe ich bei Dir sehr wohl wahrgenommen, obwohl ich von Dir eher die Vokabel "Beitrag" denn "Vorteil" erwartet hätte. Zu letzterem verwende ich mal diese Formulierung: "Ich habe da meine heftigen Zweifel, ob die behauptete geglaubte These" korrekt ist.


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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 11:45
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Woll Korrektur!
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Klar Entgegnung!
Nö, nix mit Korrektur, Entgegenhaltung.
Dazu hätte schon jemand explizit behaupten müssen, daß prosoziales Verhalten ein Alleinstellungsmerkmal religiöser Motive ist, was ich demjenigen dann auch schon deutlich unter die Nase gerieben hätte, daß dem eben nicht so ist. Hat aber niemand hier behauptet, wie Du ja selbst schon angemerkt hattest.

Wäre es tatsächlich als Entgegenhaltung von mir gedacht gewesen, dann hätte ich kein Problem damit es als solches auch zu bennen, war's aber nunmal nicht. Mein "aber" bezieht sich allein darauf, daß ich die von Kybela schon eingebrachte Anmerkung an dieser Stelle (naturalisierende Erklärungsversuche zur Religiösität der Menschen) wichtig fand nochmal ergänzend zu erwähnen. Mehr steckte da auch nicht hinter.


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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 11:47
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Ist das Weihnachtsfest erst mal da, können alle Menschen dieses tollfinden und übernehmen bzw. beibehalten, wenn sie ihren eigenen kulturellen Kontext wechseln. Aber ohne den Ursprungskontext wäre das Weihnachtsfest nicht aufgekommen.
Das ist richtig, aber das besagt ja lediglich, dass aus irgendeinem Kontext heraus irgendeine Handlungsweise entstehen kann, die sich dann jedoch verselbstständigen kann, ohne dass der Ursprungskontext noch relevant für die Handlungsweise bleiben muss. Somit wären wir wieder bei der Beliebigkeit der Kontexte für die Handlungen, die im Rahmen eines jeweils konkreten Kontextes begründet werden.

Auf den Thread und die These bezogen: Mehr Kinder kriegen hat nichts mit Religiosität zu tun, so dass man nicht damit argumentieren kann, dass Religiosität eine Relevanz für den Fortpflanzungserfolg hätte. Ebenso Areligiosität, denn Kinder kriegen ist eine Folge des Geschlechtstriebs im Kontext zu den konkreten sozialen und ökonomischen Verhältnissen, in denen die Eltern leben.

Viele Kinder können unter entsprechenden sozialen Verhältnissen eine Altersvorsorge sein. In anderen sozialen Verhältnissen sind viele Kinder ein Hindernis für Karriere und Wohlstand, so dass auf stärkere Geburtenkontrolle geachtet wird. Und diese Verhältnisse können sowohl mit religiösen Weltbildern narrativ untermalt werden als auch mit areligiösen Weltbildern.

Kinder kriegen als solches ist zunächst rein biologisch zu betrachten. Die Selektion in Richtung möglichst viele Kinder ist offenbar ein Effekt der sozioökonomischen Verhältnisse (manchmal auch der politischen Verhältnisse, wenn Kinderkriegen finanziell gefördert wird), aber nicht der Religiosität - unabhängig davon, ob sie vorhanden ist oder nicht.
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Ja siehste, und das ist eben falsch. Es ist durchaus "genuin".
Das stelle ich eben in Frage. Es ist keineswegs klar und ausgemacht, dass das konkrete Weltbild genuin auf den Fortpflanzungserfolg selektiv wirksam ist. Weihnachten können wir zwar als genuin religiöses Fest auch als nicht religiöse Menschen gemeinsam feiern, aber Kinder kriegen geht auch ohne Weltanschauung und ist daher kein genuin über Weltanschauung entstandenes Phänomen, welches wir immer noch fröhlich praktizieren.


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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 12:13
Zitat von JacobMonodJacobMonod schrieb:Das ist richtig, aber das besagt ja lediglich, dass aus irgendeinem Kontext heraus irgendeine Handlungsweise entstehen kann, die sich dann jedoch verselbstständigen kann, ohne dass der Ursprungskontext noch relevant für die Handlungsweise bleiben muss.
Dennoch wäre sowas dann die Bestätigung der These "Religion ist evcolutionär von Vorteil". Und Deine heftigen Zweifel damit ausgeräumt.

Hinzu kommt, daß Weihnachten geradezu ein Extrembeispiel ist. In anderen Bereichen tritt diese Korelation ja deutlicher zutage. Hattenwa grad erst, daß Religiöse ihr prosoziales Verhalten "auf mehr stützen als nur Mitleid". Gar so einfach isses dann doch nicht, Verhaltensweisen bzw. deren Grad aus religiösem Kontext in nichtreligiösem zu implementieren. Du verallgemeinerst da denn doch zu stark.
Zitat von JacobMonodJacobMonod schrieb:Auf den Thread und die These bezogen: Mehr Kinder kriegen hat nichts mit Religiosität zu tun
Auch das hat sich bei noch bisher jedem entsprechenden Einwand als falsch erwiesen. Und Dein "Einwand" bringt ja gleich gar keine Erklärung, wieso mehr Kinder kriegen nichts mit Religiosität zu tun haben soll. Du bleibst echt fortgesetzt auf dem Niveau Deiner Bakterienargumentation.
Zitat von JacobMonodJacobMonod schrieb:denn Kinder kriegen ist eine Folge des Geschlechtstriebs im Kontext zu den konkreten sozialen und ökonomischen Verhältnissen, in denen die Eltern leben.
Das immerhin ist mal ne vernünftige Gegenthese. Doch entkräftet diese nicht die vorige. Du kannst damit allenfalls eine weitere Korelation erstellen, nämlich die zwischen konkreten sozialen und ökonomischen Verhältnissen auf der einen Seite und dem Grad der Religiosität bzw. Säkularisierung auf der anderen. Dann wäre freilich erst einmal zu untersuchen, wieso in sozial und ökonomisch vergleichbaren Verhältnissen die Kinderzahlen ebenfalls im Zusammenhang mit der Religiosität schwanken.

Vor allem jedoch ist diese Gegenthese nicht zu halten, wie Du z.B. hier selbst nachlesen und nachprüfen kannst. (Is natürlich wieder mal von Blume.)
Zitat von JacobMonodJacobMonod schrieb:Das stelle ich eben in Frage.
Und ich setz "Genuin" auch noch extra in Anführungszeichen, daß Du mal über das Wort nachdenkst...

Vielleicht sollte ich doch zum "und tschüß" zurückkehren...


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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 12:48
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Dennoch wäre sowas dann die Bestätigung der These "Religion ist evcolutionär von Vorteil".
Warum? Mehr Kinder kriegen ist doch nicht genuin religiös.
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Hattenwa grad erst, daß Religiöse ihr prosoziales Verhalten "auf mehr stützen als nur Mitleid".
Ist zwar ein anderes Thema, aber die Motivation für prosoziales Verhalten kann vielfältig oder einfältig sein. Entscheidend ist am Ende das prosoziale Verhalten.
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Gar so einfach isses dann doch nicht, Verhaltensweisen bzw. deren Grad aus religiösem Kontext in nichtreligiösem zu implementieren.
Nicht immer und überall, aber im Groben und Ganzen wohl doch ziemlich einfach. Aber auch das ist ein anderes Thema.
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Und Dein "Einwand" bringt ja gleich gar keine Erklärung, wieso mehr Kinder kriegen nichts mit Religiosität zu tun haben soll.
Das habe ich unmittelbar danach noch hingeschrieben. Relevant sind sozioökonomische Verhältnisse, die den Ausschlag für die Fortpflanzungsrate geben und nicht die begleitenden Narrative. Die Frage steht doch im Raum, ob eine Familie viele Kinder bekommt, weil die Eltern religiös sind oder ob sie viele Kinder bekommt, weil es sich so ergeben hat und die Verhältnisse es zulassen bzw. erfordern (z.B. als Altersvorsorge). Und im letzteren Fall ist es unerheblich, ob und wenn ja, welche Religion vorhanden ist.
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Du kannst damit allenfalls eine weitere Korelation erstellen, nämlich die zwischen konkreten sozialen und ökonomischen Verhältnissen auf der einen Seite und dem Grad der Religiosität bzw. Säkularisierung auf der anderen.
Oder aber feststellen, dass es da keine Korrelation gibt - siehe Iran (hohe Religiosität) und China (geringe Religiosität) bei vergleichbaren sozioökonomischen Verhältnissen mit vergleichbaren Geburtenraten. (1,66 pro Frau in Iran und 1,62 pro Frau in China mit Stand jeweils 2016) Also scheint es wohl so zu sein, dass hier nicht der Grad der vorhandenen Religiosität den Ausschlag gibt, sondern der Stand der sozioökonomischen Verhältnisse.
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Dann wäre freilich erst einmal zu untersuchen, wieso in sozial und ökonomisch vergleichbaren Verhältnissen die Kinderzahlen ebenfalls im Zusammenhang mit der Religiosität schwanken.
Vor allen Dingen müsste man untersuchen, ob überhaupt ein Zusammenhang zwischen Religiosität und sozioökonomischen Verhältnissen besteht. Auch da habe ich meine heftigen Zweifel.

Was den Blume-Artikel betrifft, habe ich hier einen Blogartikel von ihm. Die nachfolgende Diskussion zeigt ebenfalls die Schwächen der Argumentation auf, die sich aus der Allbus-Studie ergeben:

https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/gene-f-r-glauben-neues-aus-der-verhaltensgenetik/

Man vermischt da die Kontexte zweier voneinander verschiedener Kategorien. Interessant sind z.B. diese Beiträge aus dem Diskussionsstrang:

https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/gene-f-r-glauben-neues-aus-der-verhaltensgenetik/#comment-13052

https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/gene-f-r-glauben-neues-aus-der-verhaltensgenetik/#comment-13063

https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/gene-f-r-glauben-neues-aus-der-verhaltensgenetik/#comment-13066


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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 13:21
Zitat von JacobMonodJacobMonod schrieb:Warum? Mehr Kinder kriegen ist doch nicht genuin religiös.
Schon mal was von "eindeutig und eineindeutig" gehört? Eine höhere Fruchtbarkeitsziffer ist eindeutig genuin religiös koreliert, nicht aber eineindeutig. Echt, muß man denn hier jeden Schei* erklären?
Zitat von JacobMonodJacobMonod schrieb:Ist zwar ein anderes Thema, aber die Motivation für prosoziales Verhalten kann vielfältig oder einfältig sein. Entscheidend ist am Ende das prosoziale Verhalten.
Zwar besagt diese Binsenweisheit hier gerade überhaupt nichts, aber hauptsache, Du hast was Schlaues gepostet.
Zitat von JacobMonodJacobMonod schrieb:Nicht immer und überall, aber im Groben und Ganzen wohl doch ziemlich einfach. Aber auch das ist ein anderes Thema.
Nix anderes Thema. Das ist die Regel! Und nicht irgendne Extremausnahme, wo nach sekundären Seiteneinflüssen die Korelation nicht mehr erkennbar ist / scheint. Dein "beliebig" hat sich damit verabschiedet.
Zitat von JacobMonodJacobMonod schrieb:Die Frage steht doch im Raum, ob eine Familie viele Kinder bekommt, weil die Eltern religiös sind oder ob sie viele Kinder bekommt, weil es sich so ergeben hat und die Verhältnisse es zulassen bzw. erfordern (z.B. als Altersvorsorge).
Und ich habe bereits geschrieben, daß Du unter solch gleichen Bedingungen dann erst mal nachschauen solltest, ob sich Religiöse und Nicht- bzw. Schwachreligiöse dann nicht mehr unterscheiden - oder eben doch. In dem zuletzt verlinkten Paper kannst Du nämlich gleich zu Anfang lesen, daß die Abnahme der Fruchtbarkeitsziffer in diversen Ländern mit der dort stattfrindenden Säkularisierung erfolgt und unabhängig von den wirtschaftlichen Bedingungen geschieht.
Zitat von JacobMonodJacobMonod schrieb:Oder aber feststellen, dass es da keine Korrelation gibt - siehe Iran (hohe Religiosität) und China (geringe Religiosität) bei vergleichbaren sozioökonomischen Verhältnissen mit vergleichbaren Geburtenraten. (1,66 pro Frau in Iran und 1,62 pro Frau in China mit Stand jeweils 2016)
Und dabei steht auch das hier bereits da, daß der Iran eine strarke Säkularisierung erlebt. Sowie daß die Fruchtbarkeitsziffer in China durch restriktive Maßnahmen gesteuert wird. Echt, das ist doch kein Diskutieren, was Du hier vorlegst, einfach alles hier Gesagte zu ignorieren und das längst Entkräftete weiterhin hier wie Tatsachen zu behandeln und als Argumente mit Aussagewert vorzulegen.

Da breche ich es lieber an dieser Stelle ab. Und gebe noch den Rat, Dir einen anderen Nick zuzulegen, sofern Du damit auf den anspielst, von dem ich denke, daß Du es tust. Der hat dieses Niveau echt nicht verdient.


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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 13:59
Im Iran haben sich viele Menschen, vor allem die jungen, die sich westlich orientieren und bilden, innerlich längst von der Religion verabschiedet, weil sie auf der Seite des verhaßten Regimes steht und aus ihr einen hohen Anteil an Macht und gesellschaftliche Kontrolle bezieht. Wenn eines Tages das Regime in die Luft fliegt, fliegt die Religion mit.
Kein Wunder also, daß trotz vermeintlich hoher (weil meist nur äußerlich vorgetäuschter) Religiosität die Geburtenraten abgesackt sind. Wenn die iranische Bevölkerung ohne Angst vor Repressalien durch Regime und Religion tun könnte was sie wollte, wäre das Ausmaß an Säkularisation deutlich erkennbar.


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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 14:26
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Eine höhere Fruchtbarkeitsziffer ist eindeutig genuin religiös koreliert, nicht aber eineindeutig.
Weder eindeutig noch eineindeutig, sondern allenfalls uneindeutig, weil beliebig in der Relevanz von Religiosität für die Fortpflanzungsrate.
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Nix anderes Thema.
Doch, völlig anderes Thema, denn hier geht es um die selektive Relevanz von Religiosität für die Fortpflanzungsrate und damit als Faktor, der evolutiv zum Tragen kommt. Mit Übertragbarkeit von Handlungen aus einem religiösen Kontext in areligiöse Kontexte hat das nichts zu tun, weil Fortpflanzung unabhängig von weltanschaulichen Kontexten abläuft und somit völlig beliebig ist, mit welchen Narrativen man Kinderreichtum nebenbei noch garniert, um ihn irgendwie zu rechtfertigen, obwohl man das nicht müsste.
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:In dem zuletzt verlinkten Paper kannst Du nämlich gleich zu Anfang lesen, daß die Abnahme der Fruchtbarkeitsziffer in diversen Ländern mit der dort stattfrindenden Säkularisierung erfolgt und unabhängig von den wirtschaftlichen Bedingungen geschieht.
Dann hast Du wahrscheinlich nur flüchtig gelesen, denn da steht u.a. auch dieser aufschlussreiche Abschnitt:
Die Ursache für den Bedeutungsverlust von Religiosität, der dann auch zu niedrigeren Geburtenraten führe, vermuten Norris und Inglehart in der sozialen Absicherung. Wo die Menschen durch einen „Wohlfahrtsstaat“ von existenziellen Sorgen befreit würden, verlören traditionelle Werte und Religion ihre „Hauptfunktion“ und würden durch säkulare und individualistische Haltungen mit dann sinkender Fertilität ersetzt.
Also nichts mit "unabhängig von den wirtschaftlichen Bedingungen", dafür aber sehr wohl korreliert mit sozioökonomischen Verhältnissen. Oder wie würdest Du den "Wohlfahrtsstaat" anders einordnen? Die Kausalität ist hier genau anders herum: Sichere soziale Verhältnisse und sichere ökonomische Verhältnisse, die mit der Entstehung eines Wohlfahrtsstaates für immer größere Bevölkerungsanteile verfügbar werden, führen zu niedrigeren Geburtenraten, die mit einer Zunahme von säkularen Haltungen einhergehen.

Daraus aber einen kausalen Bezug von Religiosität zur Fertilität zu konstruieren, ist abenteuerlich, weil die "individualistischen Haltungen" nicht aus einem Mangel an Religiosität herrühren, sondern aus der Aussicht, ein materiell angesicherteres Leben zu führen, wenn man die Chancen des Wohlfahrtsstaates nutzt, um sich eine berufliche Existenz aufzubauen. Viele Kinder sind da nur hinderlich.

Dass man dann als Familienvater den lieben Gott einen guten Mann sein lässt, ist eine nachvollziehbare Folge des Wohlstands und nicht umgekehrt der Wohlstand eine Folge der Gottlosigkeit, die sich in sinkenden Geburtenraten niederschlägt. Hier werden Thesen konstruiert, dass man sich nur die Haare raufen kann ...
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Sowie daß die Fruchtbarkeitsziffer in China durch restriktive Maßnahmen gesteuert wird.
Inzwischen ja wohl nicht mehr ...
Zitat von perttivalkonenperttivalkonen schrieb:Da breche ich es lieber an dieser Stelle ab.
Das ist Deine Entscheidung. Die zur Diskussion stehende These bleibt damit immer noch höchst zweifelhaft hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit.


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19.12.2018 um 14:35
Zitat von RaoRao schrieb:Kein Wunder also, daß trotz vermeintlich hoher (weil meist nur äußerlich vorgetäuschter) Religiosität die Geburtenraten abgesackt sind.
Wie gesagt, wenn es lediglich an der Religiosität liegen würde, ob die Geburtenraten hoch oder niedrig sind, könnte man den sozioökonomischen Kontext vernachlässigen. Das kann man aber nicht, so dass die Geburtenraten anders korreliert sind - jedenfalls nicht mit vorhandener Religiosität:

Wikipedia: Liste der Länder nach Geburtenrate

Der Zusammenhang mit wirtschaftlicher Entwicklung, Wohlstand und Bildungsstand ist hier signifikant. Ein Zusammenhang mit Religiosität ist hier überhaupt nicht erkennbar. Von daher ist die Thread-These offensichtlich falsch.


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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 15:01
Religiosität hat absolut Einfluß auf die Geburtenrate, weil Religionen es mit Frauenrechten nicht haben. Vor allem in Ländern in denen die Gesundheitsvorsorge - vor allem für Mädchen und Frauen - unter aller Sau ist, ist jede Schwangerschaft und Geburt ein lebensgefährliches Risiko, weshalb die Frauen gerade dort gar nicht an hoher Fruchtbarkeit interessiert wären - wenn sie selbst darüber entscheiden könnten.
Können sie aber nicht mangels Verhütung, mangels Bildung, mangels sexueller Selbstbestimmung, mangels eigener Rechte gegenüber einer männerdominierten Gesellschaft (Vergewaltigung in der Ehe - wann wurde das in Deutschland endlich! strafbar? Ist noch gar nicht so lange her, ein Trauerspiel!), und wie gesagt, die Religionen stehen nicht auf ihrer Seite!

Und auch die Entscheidung für oder gegen diese Religionen ist in vielen Ländern der Welt bis heute eben keine freiwillige, da Religion in den meisten Ländern bis heute einen stark dominierenden gesellschaftlichen Stand hat, was sich bis ins Leben jeder einzelnen Person, gerade der rechtlosen Frauen, auswirkt.

Eines der seltenen Länder, in dem wirklich Entscheidungsfreiheit für oder gegen Religion - bei hohem Bildungsstand - gegeben war, war Ostdeutschland nach der Wende. Als keine staatlichen Repressalien wegen Religionszugehörigkeit mehr zu erwarten war wie zu DDR-Zeiten, die Religion aber auch nicht mehr als schleichender Protest gegen das Regime benötigt wurde.
Da waren die Menschen wirklich frei, sich zu entscheiden.
Und wie das Ergebnis aussah ist bekannt - die meisten dachten gar nicht daran, irgendeiner Religion beizutreten. Religion war für sie in ihrem Leben zu DDR-Zeiten unwichtig gewesen, da erlangte sie auch später keine Wichtigkeit.


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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 15:28
@Rao

Ich denke, Du siehst die Dinge zu pauschal. Nicht jede Religion "hat es mit Frauenrechten nicht so" - es zeigt sich, dass der Einfluss von Religion auf Frauenrechte ebenfalls im Zusammenhang mit den sozioökonomischen Verhältnissen steht. Im sehr konservativ-religiösen Saudi-Arabien ist die Geburtenrate von 7,02 im Zeitraum von 1980 bis 1985 auf jetzt 2,53 im Jahr 2016 gesunken. In der überhaupt nicht konservativ-religiösen Demokratischen Republik Kongo hingegen liegt die Geburtenrate im selben Zeitraum konstant zwischen 6,11 und 6,77.

Religion spielt hier also offenbar keine signifikante Rolle.
Zitat von RaoRao schrieb:Und wie das Ergebnis aussah ist bekannt
Und wie die begleitenden Faktoren waren, ebenso, denn in Anbetracht drohender materieller Unsicherheit wegen Deindustrialisierung und Massenarbeitslosigkeit sowie befürchteter prekärer Beschäftigungssituationen mit einhergehenden finanziellen Engpässen, entschieden sich viele Paare, mit dem Kinderkriegen einstweilen so lange zu warten, bis sich die materiellen Verhältnisse wieder stabilisiert haben. Darum rein in die Karriere und raus aus der Familienplanung. Mit dem bekannten Effekt: Die Geburtenrate sank in den Keller.

Inzwischen ist die Geburtenrate wieder angestiegen, aber eine signifikante Zunahme von Religiosität kann ich im Osten immer noch nicht ausmachen. Was sagt uns das?


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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 15:52
Mit "das Ergebnis ist bekannt" meinte ich, wie viele Leute sind nach der Wende tatsächlich in eine beliebige Religion eingetreten? Obwohl das ohne jede Repressalie - wenn man von Kirchensteuern absieht - möglich gewesen wäre? Die Kirchen träumten damals von einer Missionierungswelle und Eintrittszahlen ohne Ende - diesen Traum mußten sie bald begraben.

Der Versuch, den Vor-DDR-Zustand über die damaligen Mitgliedsverhältnisse wiederherzustellen, indem man den Menschen einige Zeit nach der Wende frech Steuernachzahlungen für Kirchenmitgliedschaften aus den Jahren bis zum Mauerbau auf den Tisch legte, ("Sie haben ja nie Ihren Austritt erklärt" - bei Leuten, die bei DDR-Gründung noch Kinder waren!) sorgte auch nicht gerade für recht viel Freude bei den Betroffenen, leider zahlten viele trotzdem, ohne gegen diese Unverschämtheit aufzumucken.

Der "Unglauben" ist für Menschen, die von Kindheit auf von Religion unbeleckt blieben, wie es in der DDR praktisch der Fall war, der Normal- und Naturzustand. Ein Zustand, den zu ändern die allerwenigsten als Notwendigkeit sehen. (Meistens jene, die trotz allem von Religion beleckt wurden. Merkel die Pfarrerstochter.) Man übertrage das DDR-Beispiel gern mal auf die ganze Welt, wie dann wohl die Mitgliedszahlen von Religionen weltweit noch aussehen täten.


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Rao ehemaliges Mitglied

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19.12.2018 um 15:54
Zitat von JacobMonodJacobMonod schrieb:Inzwischen ist die Geburtenrate wieder angestiegen, aber eine signifikante Zunahme von Religiosität kann ich im Osten immer noch nicht ausmachen. Was sagt uns das?
Daß auch Atheisten zuweilen Kinder machen? :D


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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 16:09
Zitat von RaoRao schrieb:Daß auch Atheisten zuweilen Kinder machen?
Ja, die sterben offensichtlich nicht aus ... :D


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These: Religion ist evolutionär von Vorteil

19.12.2018 um 16:11
In der Rechnung mit Atheisten und Gläubigen ist eh ein chronischer Wurm drin, weil jemand, der in eine Religion hineingeboren wurde, nicht zwangsläufig für den Rest seines Lebens dazugehört, auch aus Gläubigen können im Lauf der Zeit Atheisten (oder wenigstens Agnostiker) werden. Nehmen die dann die höhere (Zwangs-)Geburtenrate der Gläubigen mit, oder gleichen sich die auf Atheisten-Niveau an?


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19.12.2018 um 16:33
Zitat von RaoRao schrieb:Nehmen die dann die höhere (Zwangs-)Geburtenrate der Gläubigen mit, oder gleichen sich die auf Atheisten-Niveau an?
Das ist es ja. Weltanschauungen und religiöse Einstellungen kann man wechseln, auch wenn man sie nicht ausleben kann, weil der politische und soziale Druck zu hoch ist. Darum kann man da auch gar kein statistisch validierbares Material erheben.

Wie sieht es denn mit der Geburtenrate von Menschen aus, die hier in Deutschland in prekären Einkommensverhältnissen leben und viele Kinder auf die Welt setzen, weil sie auf das Kindergeld spekulieren, von dem sie dann leben, ohne sich adäquat um die Kinder zu kümmern, die so nebenbei mit aufwachsen?

Sind die alle super religiös? Oder doch einfach nur berechnend hinsichtlich materieller und finanzieller Versorgungsleistungen durch die zuständigen Ämter?

Du hast Recht, bei dieser These und den Studien, die zur Stützung dieser These herangezogen werden, ist ein dicker Wurm drin, der die Kausalitäten mächtig durcheinander bringt. Ich denke, das kann man knicken ...


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