Gibt es rationale Gründe an Gott zu glauben?
25.08.2017 um 14:01wichtelprinz schrieb:warum legt man einen Wertemassstab über das Rationale als das Gute, das Richtige?Wer tut das denn?
wichtelprinz schrieb:warum legt man einen Wertemassstab über das Rationale als das Gute, das Richtige?Wer tut das denn?
ATGC schrieb:Ja gut, das kann man so sehen. Ich hatte das auf der vorigen Seite schon als "Einbruch der Realität" beschrieben, die zu einer Anpassung des Glaubenskonstrukts führt, um es nicht vollends absurd werden zu lassen. Aber ist das dann nicht doch eine Art Ausflucht, die sich aus dem irrationalen Wunsch ergibt, das Glaubenskonstrukt unter allen Umständen nicht scheitern zu lassen?Das kann man durchaus so sehen. Es kommt eben darauf an aus welcher Warte man es betrachtet. Für einen Gläubigen ist die Erlösung vom Leid in der Transzendenz dagegen weniger eine Ausflucht sondern die wohl einzige logische Konsequenz die notwendig wird wenn es trotz der Verhältnisse hier auf Erden einen allgütigen Gott geben soll. Andernfalls würde das Kartenhaus auch für ihn schon von Grund auf schnell in sich zusammenfallen.
ATGC schrieb:Die Frage ist nur, ob die Hoffnung auf eine Gerechtigkeit in der Transzendenz noch etwas Rationales ist oder bereits etwas Irrationales, wenn auch nachvollziehbar Irrationales, weil aus berechtigten Wünschen entsprungen.Hier müsste man dann doch wieder den ungläubigen Außenstehenden hinzuziehen aus dessen Sicht sicherlich Letzteres zutreffen sollte. Die Frage ob die Hoffnung auf ein Weiterleben in der Transzendenz rational oder irrantional ist läßt sich jedoch nicht abschließend beantworten solange diese sich jenseits unseres Erkenntnishorizontes befindet.
ATGC schrieb:Ich hatte das auf der vorigen Seite schon als "Einbruch der Realität" beschrieben, die zu einer Anpassung des Glaubenskonstrukts führt, um es nicht vollends absurd werden zu lassen. Aber ist das dann nicht doch eine Art Ausflucht, die sich aus dem irrationalen Wunsch ergibt, das Glaubenskonstrukt unter allen Umständen nicht scheitern zu lassen?Eine Behauptung jagt die andere. Du glaubst Dir Deine Realität doch nur zurecht. Bricht wohl sonst alles zusammen, gell? Gottglaube darf einfach nichts Akzeptables für Dich sein.
ATGC schrieb:Na ja, aber in einer Welt ohne Hunger entfaltet sich der freie Wille zum guten Tun dann vielleicht auf andere Bereiche, die zum Besten aller Menschen geeignet sind. Wenn man den Erzählungen über das Paradies Glauben schenkt, in denen es ja ebenfalls keinen Hunger gibt, aber die dort lebenden Seelen dennoch ihren freien Willen behalten haben, dann wäre eine solche Welt im Spektrum der Möglichkeiten eines omnipotenten Schöpfergottes.und
Was dann wieder die Frage aufwirft, ob der freie Wille zum guten Tun der vorfindbaren Übel auf Erden bedarf, oder ob es auch weniger drastisch mit Übeln behaftete Welten geben kann, in denen sich ein solcher Wille entfalten kann.
ATGC schrieb:Man müsste zeigen, dass es Welten geben kann, die den Menschen die Freiheit ermöglichen, sich zu gutem Tun zu entscheiden, ohne dass das Ausmaß an Übeln so groß ist wie auf Erden. Und ja, so etwas könnte ich mir sehr gut vorstellen.Na aber selbstverständlich gehört es zum christlichen Glauben anzunehmen, daß Gott eine völlig optimale Welt hinbekommen kann. Sonst wäre ja keine Vollendung der Gerechtigkeit in der Transzendenz möglich. Bildhaft beschreibt die Bibel dies denn auch mit einer quasi vollkommenen Welt am Uranfang, dem Paradies, das dann aber für den Menschen verloren ging.
ATGC schrieb:Aber dieser Standpunkt ist dann kein Argument mehr, weil der Gläubige ja ebenfalls nicht wissen kann, ob es Gott tatsächlich besser weiß, so dass wir dann wieder in den Bereich irrationaler Hoffnungen gelangen, die stimmen können oder eben nicht.Die Unsicherheit über die Tatsächlichkeit des Angenommenen macht doch die Ableitungen von der Annahme nicht irrational. Sonst wäre Wissenschaft, die mit Äther gearbeitet hat, irrational. Oder Einstein, als er mit seiner größten Eselei gearbeitet hatte, irrational. Oder wäre er irrational gewesen, als er ohne die kosmologische Konstante ausging? Und ist das Quantenvakuum der neue Äther, sodaß alle Wissenschaft ohne Äther irrational ist?
ATGC schrieb:Fakt ist, dass in der Bibel nirgends etwas von Transzendenz steht, dafür aber mehrmals etwas vom Himmelreich. Und für die Menschen damals war "Himmel" tatsächlich das, was sich über dem Horizont befindet und nicht eine philosophische Konstruktion, um ein Gotteskonzept zu retten.Wo und wie die Damaligen die TRanszendenz irdischer Gerechtigkeit verortet haben, ist doch schnuppe. Ändert nichts daran, daß "hoffen wir allein in dieser Welt (so sind wir die elendsten)" auf eine nichtimmanente Welt verweist. Eine jen-seitige Welt verschieden von der dies-seitigen.
ATGC schrieb:Dazu gehören aber auch Wünsche und Hoffnungen, über die sich Motivationen ergeben, am Fortschritt weiterzuarbeiten - in der Hoffnung (!) - dass man sukzessive eine höhere Lebensqualität für möglichst viele Menschen erreicht, die an diesem Fortschritt partizipieren. Und solche Hoffnungen schätze ich nicht als irrational ein, sondern als rational, weil auf rationalen Prämissen beruhend. Dass manchmal die Hoffnungen sich als trügerisch erweisen, liegt daran, dass man sich schlicht geirrt hat, was die Folgenabschätzung betrifft, aber ein Irrtum macht eine rationale Hoffnung nicht zu einer irrationalen, sondern allenfalls zu einer verfehlten.Undwas ist dann das Irrationale statt nur eines Irrtums bei den Gottgläubigen?
ATGC schrieb:Irrational ist nicht dasselbe wie unvernünftig. Irrational wäre die Hoffnung, dass alles gut ginge, wenn man unvernünftigerweise weiter macht wie bisher, denn diese Hoffnung ist rational nicht gedeckt.Ist rational bei Dir sowas wie empirisch? Dann dürfte es ja keine "Irrtümer" geben. So simpel isses dann doch nicht.
wichtelprinz schrieb:Also die Berechtigung des Glaubens an einen Gott wird ja auf das Rationale gelegt.Das sehe ich nicht so. Der Glauben steht zunächst mal als Faktum im Raum. Gefragt wird, ob es rationale Gründe dafür gibt, an Gott zu glauben. Eine Nichtberechtigung des Glaubens bei Abwesenheit von rationalen Gründen kann ich daraus nicht ableiten. Auch ein irrationaler Glaube ist ja immer noch als Faktum vorhanden und schert sich nicht um eine Berechtigung.
ATGC schrieb:Auch ein irrationaler Glaube ist ja immer noch als Faktum vorhanden und schert sich nicht um eine Berechtigung.hä ein irrationaler Glaube?
Libertin schrieb:die wohl einzige logische Konsequenz die notwendig wird wenn es trotz der Verhältnisse hier auf Erden einen allgütigen Gott geben soll.Ja, offenbar ergibt sich der postulierte transzendente Bereich aus der Notwendigkeit, die sich ihrerseits aus der Konfrontation eines als all... gedachten Gottes mit der ganz anders beschaffenen Wirklichkeit, die die postulierte all...-Trias des geglaubten Gottes zweifelhaft werden lässt - und damit auch den Gott selber, an den geglaubt wird.
Libertin schrieb:Bei einem gleichgültigen DeistengottLeibniz ging ja gerade nicht von einem gleichgültigen Deistengott aus, sondern von einem christlich gedachten. Die Erlösung und Gerechtigkeit war bei Leibnizens bestmöglicher Welt schon inbegriffen. Egal was in der Welt an Übeln vorhanden ist - Gott hat sich wohlweislich etwas dabei gedacht, um die Menschen letztlich dann doch vom Übel zu erlösen. Auf uns mag das zynisch wirken - insbesondere dann, wenn wir von Übeln betroffen sind - aber auch bei Leibniz läuft am Ende alles auf das Jüngste Gericht hinaus, wo endgültig die Gerechtigkeit verwirklicht wird.
Libertin schrieb:Die Frage ob die Hoffnung auf ein Weiterleben in der Transzendenz rational oder irrational ist läßt sich jedoch nicht abschließend beantworten solange diese sich jenseits unseres Erkenntnishorizontes befindet.Ja, da gebe ich Dir recht.
wichtelprinz schrieb:Es ging um irrationale Gründe für Glaube, nicht um irrationalen Glauben.Dann eben ein nicht rational begründeter Glaube oder meinetwegen ein irrational begründeter Glaube. Wie auch immer, ich denke, Du weißt, was ich meine ... :)
wichtelprinz schrieb:was erhofft man sich aus rationalen Gründen für den Gottesglauben?Ich kann nicht für andere sprechen, aber für mich ergeben sich daraus Einsichten in die Denkweise von Gläubigen, wenn sie rationale Gründe vorbringen. Wenn sich herausstellt, dass die vorgebrachten Gründe dann doch keine rationalen sind, ist das auch interessant.
perttivalkonen schrieb:selbstverständlich gehört es zum christlichen Glauben anzunehmen, daß Gott eine völlig optimale Welt hinbekommen kann.Dann stellt sich die Frage, warum er dies nicht von Anfang an hinbekommen hat und diese im Bestand für die Menschen erhalten hat. Die biblischen Mythen, die den Abstieg aus der optimalen Welt illustrieren, sind ja ein Reflex aus der Erfahrung einer imperfekten Welt. Das Paradies stellt einen Idealzustand dar, der aus der Beschaffenheit der real erlebten Welt heraus konstruiert wurde, um das Zustandekommen der beobachteten Übel zu erklären.
perttivalkonen schrieb:Die Unsicherheit über die Tatsächlichkeit des Angenommenen macht doch die Ableitungen von der Annahme nicht irrational.Das ist richtig. Die Ableitungen sind rational.
perttivalkonen schrieb:Ändert nichts daran, daß "hoffen wir allein in dieser Welt (so sind wir die elendsten)" auf eine nichtimmanente Welt verweist. Eine jen-seitige Welt verschieden von der dies-seitigen.Ich denke, das mit der Immanenz und Nichtimmanenz entstand erst später. Für einen Menschen der römischen Antike befand sich das Jenseits vermutlich hinter der Fixsternsphäre - also in endlicher räumlicher Entfernung. Nicht irdisch zwar, aber dennoch an einem benennbaren Ort. Dennoch stimme ich Dir zu: Es handelt sich um eine andere Welt als die, in der wir leben.
perttivalkonen schrieb:Und was ist dann das Irrationale statt nur eines Irrtums bei den Gottgläubigen?Das Irrationale sehe ich hier in der Postulierung eines transzendenten Bereichs als Kontrapunkt zur Welt, der das Attribut "immanent" zugeordnet wird, wobei hier das Glaubenkonstrukt eines all...-Gottes gerettet werden soll. Die Irrationalität ergibt sich dabei aus dem Festhaltenwollen an diesem Gotteskonzept. Die postulierte Transzendenz ist dann nur die Folge dieser Irrationalität.
ATGC schrieb:Leibniz ging ja gerade nicht von einem gleichgültigen Deistengott aus, sondern von einem christlich gedachten. Die Erlösung und Gerechtigkeit war bei Leibnizens bestmöglicher Welt schon inbegriffen. Egal was in der Welt an Übeln vorhanden ist - Gott hat sich wohlweislich etwas dabei gedacht, um die Menschen letztlich dann doch vom Übel zu erlösen. Auf uns mag das zynisch wirken - insbesondere dann, wenn wir von Übeln betroffen sind - aber auch bei Leibniz läuft am Ende alles auf das Jüngste Gericht hinaus, wo endgültig die Gerechtigkeit verwirklicht wird.Ich hatte da jetzt auch nicht speziell an Leibniz Deistengott gedacht. Es gibt ja auch deistische Vertreter die ein genau solches am menschlichen Schicksal desinteressiertes Gottesbild vertreten, also der Uhrmacher der einmal kurz am Rädchen dreht und dann nur noch Arme verschränkend neben dem Getriebe steht. Leibniz schwebte dagegen nur eine etwas abgewandelte Form des christlichen Bibelgottes vor der als Hirte beim Weltgericht letztlich dennoch die Schafe von den Böcken scheidet, also ein Demiurg der an seiner Schöpfung letztlich noch interessiert ist.
Libertin schrieb:Ich hatte da jetzt auch nicht speziell an Leibniz Deistengott gedacht.O.K., dann relativiert sich natürlich das, was ich Dir bereits geantwortet hatte. Ja, in diesem Fall wäre der Gott, der lediglich als Anschubser tätig war, keiner, den man als vollendet tüchtig bezeichnen kann ... :D
ATGC schrieb:aber wenn man Gott mit den Attributen der all...-Trias versieht, entsteht ein Bruch, der nach einer Erklärung drängt. Warum kann ein all...-Gott den Zwischenraum zwischen Anfangs-Idealwelt und End-Idealwelt nicht augenblicklich kittenWeil er uns dann gar nicht erst aus dem Paradies hätte rausschmeißen müssen, bildlich gesprochen. Nochmals mein Verweis auf Hiob: in der vollkommenen Welt zählt der freie Wille zum Guten nichts.
ATGC schrieb:Ich denke, das mit der Immanenz und Nichtimmanenz entstand erst später.Steht aber nun mal schon in der Bibel drin. Weißt schon, Reich Gottes, Auferstehung der Toten, himmlisches Jerusalem. Das reine irdische Leben zwischenGeburt und Tod ist nicht alles, da kommt noch was. Nenn es, wie DU willst, aber eskommt in der Bibel vor und entstand nicht erst später, nach der Bibel.
ATGC schrieb:Für einen Menschen der römischen Antike befand sich das Jenseits vermutlich hinter der FixsternsphäreDas Wo dieser transzendierten Gerechtigkeit ist dabei doch völlig schnurz. Und wie ich bereits sagte, der Himmel ist es noch am wenigsten. Eher war es in vielen begegnenden VOrstellungen schlicht die Erde. Was meinste wohl, warum das Himmlische Jerusalem auf die Erde kommt am Ende der Offenbarung?
ATGC schrieb:Das Irrationale sehe ich hier in der Postulierung eines transzendenten Bereichs als Kontrapunkt zur Welt, der das Attribut "immanent" zugeordnet wirdJede wissenschaftliche Theorie erklärt ein empirisches Phänomen mithilfe eines angenommenen, grundsätzlich nichtempirischen Phänomens. Deswegen ist eine Theorie nie beweisbar. Die Bedingtheit der Immanenz schafft die Transzendenz, mit der das Immanente erklärt wird.
ATGC schrieb:Die Irrationalität ergibt sich dabei aus dem Festhaltenwollen an diesem Gotteskonzept.Es ist also irrational, angesichts des Verhaltens der Himmelskörper in den Außenbereichen von Galaxien weiterhin an Einsteins Gravitationstheorie festzuhalten und es mit hinzugenommener Dunkler Materie erklären zu wollen? Der Wechsel zur MOND wäre also rational.
ATGC schrieb:Leibniz ging ja gerade nicht von einem gleichgültigen Deistengott aus, sondern von einem christlich gedachten.Jetzt sprichst Du schon Leibniz den Deistengott ab, whow! Der Deismus ist eine christliche Strömung, die selbst in ihrer antikirchlichsten Version doach aus dem christlichen Gottesbild heraus den Deistengott modifizierte. Leibnizens Gott ist natürlich der Christengott, ja, aber deistisch gedacht!
Libertin schrieb: Es gibt ja auch deistische Vertreter die ein genau solches am menschlichen Schicksal desinteressiertes Gottesbild vertreten, also der Uhrmacher der einmal kurz am Rädchen dreht und dann nur noch Arme verschränkend neben dem Getriebe steht. Leibniz schwebte dagegen nur eine etwas abgewandelte Form des christlichen Bibelgottes vor der als Hirte beim Weltgericht letztlich dennoch die Schafe von den Böcken scheidetNeenee, Leibniz' Eschatologie ist selbst sehr diesseitig. Die Menschen perfektionieren sich und leben schließlich in einer paradiesisch-utopischen Gesellschaft - Aufklärung läßt schon mal grüßen. Das alles ist von Grundlegung bereits so angelegt, Gott greift genausowenig ein und kümmert sich nicht. Seine Liebe hat er da komplett mit reingesteckt am Anfang. Vielleicht schaut er ja liebend zu, auch wenns für ihn ne Wiederholung is, quasi.
Tenzin schrieb:Gibt es Gott? Ja aber natürlichDu glaubst das es Gott gibt (wissen kann es niemand)
Glaube ich an Gott? Nein, personifizieren wie in den Religionsbüchern tu ich "ihn" sowieso nicht.