@all:
Wie kommt es eigentlich, dass Nichtgläubige oft so viel mehr über den Inhalt der Bibel wissen, als viele Gläubige?
Ich kann mir das nur so erklären:
Die Bibel wurde von vielen Autoren zu sehr unterschiedlichen Zeiten geschrieben. Mit sehr unterschiedlichen Ansichten, unterschiedlicher Wortwahl, unterschiedlichen Schwerpunkten und unterschiedlichen Intentionen. Das macht aus der Bibel ein sehr unhomogenes Werk.
Jeder Gläubige hat aber auch unterschiedliche Ansichten und Schwerpunkte. Aber die persönliche Ansicht, der persönliche Glaube, steht dermaßen stark im Vordergrund, dass einzig und allein dieser Schwerpunkt die Interpretation der Bibel dominiert. Ein Gläubiger interpretiert die Bibel meist nach seinem persönlichen Glauben um. Und versucht aus der eigentlich uneinheitlichen Bibel ein einheitliches Werk zu machen.
Wenn eine Aussage diesem Glaubensinhalt widerspricht, dann ist halt etwas anderes gemeint, als im Text tatsächlich steht. Wenn z.B. geglaubt wird, dass Gott allgütig ist, dann wird der zornige und strafende Gott halt so lange uminterpretiert, bis er wieder so ist wie ihn sich der Gläubige vorstellt. Beispielsweise indem alle getöteten Menschen so böse waren, dass sie es verdient haben. Oder es war gar nicht Gott, der die Menschen getötet hat, sondern Satan. Je nachdem wie es dem jeweiligen Gläubigen am besten gefällt. Die Bibel ist ja nach der Ansicht vieler Gläubiger von Gott inspiriert. Daher muss die Bibel aus ihrer Sicht ein einheitliches Bild ergeben. Das tut sie in der Realität natürlich nicht. Also wird sie vom jeweiligen Gläubigen auf individuelle Art und Weise zurecht gebogen, bis Teile der Bibel so stark sinnentstellt sind, dass die persönliche Interpretation nicht mehr viel mit dem zu tun hat, was da eigentlich geschrieben steht. Oft wissen diese Menschen gar nicht mehr, was wirklich in der Bibel steht oder sie wollen es nicht sehen. Und scheinbar hat jeder von denen eine andere Bibel, die ganz andere Inhalte hat, als die aller anderen Leser. Und es ist immer nur genau die persönliche Interpretation, die 1 zu 1 in der Bibel stehen würde. Alle anderen liegen natürlich immer falsch und haben keine Ahnung.
Das gilt natürlich nicht für alle Gläubigen. Aber das ist schon ziemlich stark verbreitet.
Nichts gegen individuelle Interpretationen. Diese sind ja durchaus zulässig. Aber die sollte man auch erstens gut begründen können. Interpretationen haben nunmal auch ihre Grenzen. Zirkelschlüsse und Offenbarungen durch heilige Geister sind keine guten Begründungen. Und zweitens sollte man akzeptieren, dass es nur eine individuelle Interpretation ist und andere Interpretationen ebenfalls zulässig sein können.
Sieht das sonst noch jemand so? Oder irre ich mich irgendwo?