Hey
@oneisenough Ich weiss nicht, mir will derzeit immer mehr scheinen, als sei das Beobachtende vom Beobachteten gar nicht so wirklich verschieden. Nur darf man sich nicht identifizieren mit einer beliebigen Beobachtung, denn das wäre das, was Maya, also Täuschung und Illusion, erscheinen lassen und verstärken würde. So engst sich der Fokus der Aufmerksamkeit auf bestimmte Objekte ein, die man sodann fälschlich für sich selbst hält unter Ausschluss und in Abgrenzung zu anderen Objekten. Diese Begrenztheit existiert meines derzeitigen Empfindens nach aber gar nicht. Identifikation ist Maya, so Identifikation nicht ihrem Wesen nach erkannt und transzendiert wird. Identifikation begrenz, grenzt ab und frönt dem Glauben des Eternalismus, ist Anhaftung und Illusion; eben Maya.
Wird Identifikation aber erkannt als ein Blickwinkel des Absoluten, als eine Kontraktion und bestimmte Qualität des Absoluten selbst, als illusionär und ein Ausguss der wahren Natur von einem selbst, die hinter ihr steht, hebt man die Anhaftung an das Irreale auf, das man fälschlich für ewig sich selbst und untrennbar mit sich selbst und fälschlich als wahre Realität glaubt, lässt man los und stirbt den Tod des Ego's, lässt man die vermeintlichen Sicherheiten durch die Zuflucht bei Menschen bzw. Gruppen von Menschen fallen und löst sich von dem Glaube, was man vormals noch fälschlich für sein Selbst hielt; dann zerbricht die Illusion und die Verengung der Aufmerksamkeit durch absolute Identifikation und die Grenzen verschwimmen.
Verstehe mich nicht falsch. Ich würde jedem, der in dieses Thema einsteigt, raten, erstmal zu erkennen versuchen, was er nicht ist und ähnlich wie im klassischen Samkhya radikal Subjekt von Objekt trennen lassen und radikal einen Dualismus zwischen Geist und Materie ziehen lassen wie etwa zwischen Purusha und Prakriti, wie man es im Samkhya nennt. Aber genau in diesem Prozess könnte es dann passieren, dass man auf spezielle Weise doch wieder dazu kommt, festzustellen, dass man tatsächlich das gesamte All ist. Ich kann mich irren, ich kann wieder zu einem radikalen Dualismus zurückkehren, strikt trennen, dass alles, was ich wahrnehmen kann, nicht ich bin, und das wäre auch auf spezielle Weise schlicht wahr und ich sehe es auch immer noch so. Nur scheint es mir derzeit auch gerade so, als sei die Beobachtung tatsächlich selbst das All bzw. eben die gesamte Welt. Und somit Beobachtung und Beobachter eins. Die Beobachtung findet nirgendwo anders statt, als in der Beobachtung, als im Beobachteten selbst. Der Beobachter ist nicht einfach irgendwo zwischen den Augen, er ist überall, weil er in allem, was er beobachtet, steckt und ist. Er durchdringt die Beobachtung, das Beobachtete, denn würde er es nicht durchdringen mit seiner Beobachtung und somit seinem Wesen als Beobachter, so gäbe es nichts, was er beobachten könnte. Er ist überall anwesend, der Beobachter ist damit allgegenwärtig.
Zwar halten wir uns als aus den Augen sehend und Beobachtung als Trennung, doch was, wenn diese Vorstellung schlicht falsch ist? Und zwar nicht nur in einem materialistischen Sinne, sondern gerade auch in einem spirituellen Sinne. Was, wenn man erst mal den radikalen Dualismus durchmachen muss, nur um dann wieder zu einem Monismus zu finden, der Dualität und Non-Dualität perfekt miteinander verbindet? Ich sehe es derzeit so, dass der radikale Dualismus erst mal hilfreich ist für die Spiritualität in dem Sinne, als dass man durch ihn dazu findet, den Materialismus zu überwinden und zu erkennen, dass wir nicht einfach nur unser Gehirn sein können, wie Materialisten oft annehmen, welche sowieso keine andere wirklich reale Entität als die Materie annehmen dürften. Aber sobald man diese Identifikationen wiederum transzendiert und sie überwindet, sobald man sich radikal von der, sagen wir, Schöpfung trennt, der Wirklichkeit, sobald könnte man eventuell auch wieder erkennen, dass man alles das, was man getrennt hat, nun wieder zu verbinden hat. Vielleicht. Solche et Coagula, wie es in der Alchemie heißt.
Klar, ein Punkt etwa gegen die Vorstellung, dass man das Beobachtete wäre, ist die Tatsache, dass das Beobachtete a) vergänglich ist, somit Anfang und Ende hat b) irreal ist, im Sinne von täuschend und nicht die gesamte Realität abdeckend c) nicht ruhend und somit sich bewegend ist und dass es eben darum das braucht, was nicht vergänglich und real und unbewegt ist, damit überhaupt das Beobachtete erkannt werden kann als eben das und als eben sich bewegend und alles das. Oder wie Sri Nisargadatta sagte: "Only the changeless can see the change."
Zu dieser Problematik darf ich vielleicht mal die Bhagavad-Gita bemühen:
8.22 Der Höchste Persönliche Gott, der größer ist als alle, kann durch reine
Hingabe erreicht werden. Obwohl Er Sich in Seinem Reich aufhält, ist Er
alldurchdringend und ruht alles in Ihm. Setzen wir das einfach mal analog zur Beobachtung, Beobachter und Beobachtetem oder einer individuellen Seele, so könnte das vielleicht sehr erhellend sein. Das, was die Beobachtung ermöglicht und erhaben über alles Beobachtete und gar den Beobachter selbst ist, verstanden als ein Beobachter von verschieden wechselnden Dingen, somit gebunden an die Beobachtungen, das ist das, was stets in seinem Reich verbleibend alles manifestiert ohne aber selbst davon berührt zu werden. Das ist das Höchste. Das, was die Gegensätze vereint und trennt gleichsam. Es steht über dem sich Bewegenden wie dem sich nicht Bewegenden. Und obgleich stets unberührt und alles manifestierend und der Ursprung von allem, immer in seinem Reich bleibend und ruhend, ist es dennoch alldurchdringend und alles,
alles ruht darin. Und ruht doch wieder nicht darin.
Wir lesen weiter:
9.4 Von Mir, in Meiner unmanifestierten Form, wird das gesamte Universum
durchdrungen. Alle Wesen befinden sich in Mir, doch Ich bin nicht in ihnen.
9.5 Und dennoch ruht alles Erschaffene nicht in Mir. Sieh nur Meinen
Mystischen Reichtum! Obwohl Ich der Erhalter aller Lebewesen und obwohl
Ich allgegenwärtig bin, ist Mein Selbst dennoch der Ursprung der Schöpfung.
9.6 Wisse, wie der mächtige Wind, der überall weht, immer im ätherischen
Raum bleibt, so ruhen alle Welten in Mir. Was können wir aus diesen Sätzen für Erkenntnisse gewinnen bezüglich unserer Problematik gewinnen? Ich frage mich: Was, als Raum, sollte Beobachtung letztlich sein? Was, als alles umfassend sollte sie letztlich sein? Oder wenn man es auf eine individuelle Seele in Abgrenzung zum höchsten Gott bezieht: Was, wenn nicht fassender Raum im allumfassenden Raum sollte Beobachtung sein? Wobei der Raum hier nur als Gleichnis dient, wie auch in der Bhagavad-Gita. Denn letztlich befindet sich die höchste und wahre Natur aller Wesen jenseits der Raumes.