Sei gegrüßt
@Bublik79 Nun wie versprochen nochmal bezugnehmend auf das Verhältnis von Vishnu und Krishna. Welches Verhältnis haben sie zueinander? Sie sind ein und derselbe und doch ist Krishna gar noch höher! Dies betrifft aber mehr die Rollen, die beide einnehmen. Man könnte dies eventuell mit dem weißen Haus und dem Präsidenten vergleichen. Er hat seine administrative Funktion und Rolle als öffentliche Person aber auch seine private Rolle. Aber der Reihe nach. Erstmal müssen wir die Inkarnationen zu verstehen versuchen. Denn gibt es denn irgendwelche Einbußen von Gottes Macht durch seine Inkarnationen auf Erden bzw. ergeben sich durch seine Verkörperungen irgendwelche Einbußen? Gott bleibt Gott, auch wenn er eine beliebige Verkörperung annimmt und sich durch diese manifestiert, so gemäß Vaishnava. Er scheint dann zwar räumlich getrennt, überhaupt bedingt und eingeschränkt, an einen Körper und dessen Fähigkeiten gebunden, als würde er geboren, entstanden sein und müsste wieder sterben, doch ist dies gemäß Gaudiya-Vaishnava nur Schein und die materielle Manifestation trüge nur das Auge des Unwissenden und von den drei Gunas Getrügten. Gott bleibt real mit allen seinen sechs Reichtümern im Maximum ausgestattet, es kann aber in diversen Inkarnationen bzw. Avataras so scheinen, als sei dies nicht der Fall.
Jetzt am Beispiel von Vishnu angenommen: Da gibt es nach bestimmten Auffassungen unterschiedliche Avatare, die in sich differieren, in sich unterschiedlich sind, sich unterscheiden. Und Krishna gilt dabei als höchste Verkörperung und Persönlichkeit Gottes. Aber da ist auch schon der Punkt. Nichts komme ihm nämlich gemäß Bhagavad-Gita, Brahma-Samhita usw. gleich, er sei das absolut Höchste, urerste Ursache, absolut unabhängig und ungebunden, Quelle allen Seins, der materiellen und spirituellen Welten und er selbst sei in sich selbst gegründet. Vollkommen. Wenn dem so ist, was sollte Krishna dann noch übersteigen und wie könnte was Anderes als er selbst seine Quelle sein? Nehme man dies beim Wort, so gäbe es da nichts Höheres als ihn. Er ist schließlich das Höchste selbst. Er ist Gott selbst. Eigentlich ist auch schließlich jeder Avatar Gott selbst. Aber diese sind Ausflüsse Gottes, Emanationen, und nicht die höchste Persönlichkeit Gottes selbst in seiner höchsten Stufe. In Krishna kommt die höchste Vollkommenheit Gottes wieder zum Ausdruck und er gilt in der Vaishnava als in gewisser Hinsicht Vishnu selbst. Aber nicht ganz. Denn oft gilt er gar als diesem übergeordnet. Er sei die Quelle von Vishnu und all dessen Avataras selbst. Das ist dann etwa Gaudiya-Vaishnava oder Krishnaismus.
Und auch dass er als höher betrachtet wird, das hat seine Gründe. Der Grund ist: Die Liebe. Krishna ist Liebe. Gemäß Gaudiya-Vaishnava kann man Krishna und Vishnu, die eigentlich dieselben sind, mit einem Präsidenten etwa vergleichen. Stellen wir uns das weiße Haus vor. Im weißen Haus wohnt der Präsiden der vereinigten Staaten von Amerika. Von hier aus nimmt er seine administrativen Funktionen durch seine Macht wahr. Er erlässt Gesetze, genehmigt, untersagt, lässt etwas erbauen und durchführen, geht seinen Tätigkeiten nach. Das mag bei vielen Ehrfurcht hervorrufen und Größe zeigen. Aber das ist nicht das Einzige, was der Präsident ist. Zeigt er sich etwa oft von seiner kühlen und rationalen Seite und etwa von Weisheit und Gerechtigkeit und muss Entscheidungen für sein Volk treffen, so gibt es da noch eine Andere Seite. Seine private Seite. Denn mit in seinem weißen Haus leben seine Familienangehörigen, mit welchen er eine innige und liebevolle Beziehung führt.
Der Präsident hat also zwei Seiten: Seine öffentliche und mit Macht besetzte Seite und seine private innige und freundschaftliche Seite, die allerdings mehr oder weniger nur die jeweils Geweihten kennen. Aber was kann hier höher sein? Macht oder Liebe? Vergegenwärtigen wir uns, dass auch die administrativen Funktionen doch oft nur dem Zweck dienen, zur Liebe zu führen oder diese wieder herzustellen, und nach was Anderem als Liebe sehnt sich das Volk denn letztlich wirklich? Was ist mehr Wert? Einschüchterung durch Macht-Demonstration oder Überzeugung durch Liebe? Und was ist wirklich nicht einseitig, als die Liebe etwa zweier Menschen, die rein ist und nicht egoistisch? Die also darauf baut, dem Wohlergehen aller zu dienen und die sich nur durch wahre Freiheit ohne Einschüchterung, Gewalt, Gesetz und Unterdrückung wirklich erzeigen kann, die sich wahrhaft nur in Freiheit offenbart, in Gegenseitigkeit. So würde ich jetzt mal sagen.
Nach was streben die Menschen wirklich? Nach Macht oder Liebe? Baut das Streben nach Macht nicht oft einfach nur auf einer latenten Angst auf und soll sie nicht oft einfach nur Mittel zum Zweck sein, damit man nicht selbst unterdrückt wird und man sich möglichst viele Wünsche erfüllen kann? Und bei jenen, die sie zum Selbstzweck erklären: Verfahren sie sich nicht total und verlieren das Wesentliche aus den Augen? Und kann deren Glück qualitativ je höher sein als das Glück durch die wahre Liebe? Was kann man in dieser Welt mit aller Macht nicht erzwingen? Was kann man nicht kaufen, nicht erwerben, nicht erpressen, nicht einfach fordern? Es ist die Liebe. So kann es doch nur die Liebe sein, die wirklich höher ist. Sie ist wirklich Selbstzweck. Alle Liebe, die nur Mittel zum Zweck ist, ist keine wahre Liebe. Und alle Macht, die Selbstzweck ist, ist keine wahre Macht. Denn die wahre Macht ist die Liebe. Denn die Liebe ist wahrhaft Selbstzweck und Macht nichts weiter als ihr Diener. So sage ich.
Und wenn dem also so ist, dann ist die Liebe das Höchste. Vishnu steht für den Präsidenten in seiner administrativen Funktion und Krishna für den Präsidenten in seiner innig liebenden und hingebenden Form. Krishna ist höher. Krishna ist das Höchste. Er ist das Ziel allen Daseins, der Mittelpunkt, Anfang, Mitte und Ende. Alles geht von ihm aus und kehrt wieder zu ihm zurück. Er ist die wahre Heimat aller Wesen. Er ist Quelle allen Seins. Erhalter der Wesen, so erhält er alles Sein. Krishna ist Gott selbst und alle Avatare gehen von ihm aus. Alles strebt zu ihm. Jeder sucht in Wahrheit Krishna, so heißt es. Selbst dann, wenn sie sich dem nicht mal gewahr sind, so ist er es, den sie eigentlich suchen. So sagt man. In ihm komme alle Suche zur Vollendung. So sagt man.