Ogella schrieb:Gauland erklärt ab 1:07, dass die Ehe per definitionem gemäß der Auslegung des BVerfG die Beziehung zweier Menschen verschiedenen Geschlechtes ist und fügt etwas süffisant hinzu, dass das BVerfG anläßlich einer bevorstehenden Klagewelle wohl große Mühe haben wird, das bisherige Rechtsverständnis der Ehe umzuinterpretieren.
Da kennt sich Gauland leider sehr schlecht mit der Rechtsprechung des BVerfG aus. Wenn man bedenkt, dass er Jurist ist, ziemlich bedauerlich. Art. 6 GG definiert die Ehe explizit nicht über das Geschlecht der Beteiligten. Sofern das BVerfG noch 1993 keinen Bedarf sah, die Ehe in Art. 6 GG auch entsprechend offen zu interpretrieren, so hat bereits diese ablehnende Entscheidung von 1993 einen klaren Bezug zum gesellschaftlichen Eheverständnis hergestellt: "In der Verfassungsbeschwerde werden keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte aufgezeigt, die Anlaß zu einer Überprüfung dieser Rechtsprechung geben könnten. Insbesondere sind hinreichende Anhaltspunkte für einen grundlegenden Wandel des Eheverständnisses in dem Sinne, daß der Geschlechtsverschiedenheit keine prägende Bedeutung mehr zukäme, nicht erkennbar." Dieser grundlegende Wandel im Eheverständnis ist nun aber eingetreten. Die bisherige Rechtsprechung des BVerfG zum Lebenspartnerschaftsgesetz weist auch klar und eindeutig in eine Richtung, dass nämlich die eingetragene Lebenspartnerschaft der Ehe gleichzustellen ist. Wegweisend hierzu die Ausführungen des BVerfG 2002: "Art. 6 Abs. 1 GG schützt die Ehe, wie sie vom Gesetzgeber unter Wahrung ihrer wesentlichen Grundprinzipien jeweils Gestalt erhalten hat. Als von Menschen gelebte Gemeinschaft ist sie Freiheitsraum und zugleich Teil der Gesellschaft, von deren Veränderungen sie nicht ausgeschlossen ist. Auf solche kann der Gesetzgeber reagieren und die Ausgestaltung der Ehe gewandelten Bedürfnissen anpassen." Dieser Neugestaltung der Ehe ist der Gesetzgeber jetzt nachgekommen. Damit gibt es für das BVerfG auch keine Grundlage für eine Verfassungswidrigkeit. Das liegt alles auf der Linie der Rechtsprechung seit mindestens 1993, also seit 24 Jahren. Hin und wieder würde es sich als Jurist schon lohnen, die entsprechenden einschlägigen Urteile zu lesen und zu verstehen. Da scheint es beim Kollegen Gauland leider zu fehlen - und bedauerlicherweise nicht nur bei ihm.
Instruktiv hierzu auch:
http://www.lsu-online.de/wp-content/uploads/2016/01/Ehe-f%C3%BCr-alle-und-Art-6.pdf (Archiv-Version vom 29.07.2018)Warum Gaulands Position jetzt für ihn spricht, entzieht sich mir ebenfalls. Über zwei Drittel der Bürger befürworten die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare. Selbst bei Anhängern der konservativen CDU ist mittlerweile eine deutliche Mehrheit dafür. Der Bundestag als Repräsentant dieser Mehrheit hat ebenfalls mehrheitlich dafür gestimmt. Kurzum: Gaulands Position dazu ist deutlich nicht mehr mehrheitsfähig.
Ogella schrieb:Ausserdem verweist Gauland darauf, dass die Ehe seinem Verständnis nach auf christliche Traditionen zurückgeht
Das ist wiederum völlig falsch, und zwar gleich auf mehreren Ebenen. Leider scheint sich Herr Gauland auch mit der Geschichte nicht hinreichend auseinandergesetzt zu haben. Denn dann wüsste er, dass "die Ehe" keineswegs eine christliche Tradition ist. Vielmehr gibt es verschiedenste Eheformen ohne jedweden religiösen Einfluss. Die Ehe in ihrer konkreten Ausgestaltung in der BRD ist im Übrigen auch eine Zivilehe, und zwar schon seit 1875. Die Rückführung auf christliche Traditionen ist mithin völlig verfehlt.
Darüber hinaus ist aber auch das Bemühen theologischer Argumente nicht zielführend. Die hervorragende theologisch fundierte Begründung von Dr. Matthias Kreplin, warum die Evangelische Landeskirche in Baden gleichgeschlechtliche Paare traut, kann
http://www.ekiba.de/html/aktuell/aktuell_u.html?&cataktuell=&m=4420&artikel=10334&stichwort_aktuell=&default=true nachgelesen werden. Damit hätte sich das mit "der" christlichen Tradition dann auch erledigt.
Und schließlich: Selbst wenn das christliche Tradition gewesen wäre, spielt das keine Rolle. Die BRD ist ein säkularer Staat, in dem Gesetze nicht auf der Basis von religiösen Traditionen zu erlassen sind, unabhängig von der konkreten Religion. Auch hier zeigt sich mangelndes Verständnis des Herrn Gauland für die wesentlichen Staatsgrundsätze.
Ogella schrieb: und dass Kinder in einer klassischen Ehe am besten aufgehoben seien.
Auch hier liegt - den geneigten Leser wird es wohl nicht mehr überraschen - Herr Gauland falsch. Zahlreiche wissenschaftlich Studien haben bewiesen, dass Kinder in gleichgeschlechtlichen Elternhäusern genauso gut und schlecht heranwachsen, wie in heterosexuellen. Kleine Auswahl:
http://scholarship.law.duke.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1218&context=djglp (Archiv-Version vom 20.12.2014)https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4510787/https://www.bmjv.de/SharedDocs/Archiv/Downloads/Forschungsbericht_Die_Lebenssituation_von_Kindern_in_gleichgeschlechtlichen_Lebenspartnerschaften.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (Archiv-Version vom 21.09.2016)Fazit aus der zuletzt zitierten Quelle:
"Die Ergebnisse zeigen, dass sich Kinder und Jugendliche aus LP in Bezug auf die Beziehungsqualität zu beiden Elternteilen und in ihrer psychischen Anpassung von Kindern und Jugendlichen, die in anderen Familienformen aufwachsen, nur wenig unterscheiden. Gleiches gilt für Konflikte zwischen den Partner(inne)n in der LP sowie für Auseinandersetzungen mit dem externen Elternteil. Signifikante Unterschiede fanden sich dahingehend, dass Kinder und Jugendliche aus LP über ein höheres Selbstwertgefühl und über mehr Autonomie in der Beziehung zu beiden Elternteilen berichteten als Gleichaltrige in anderen Familienformen. Die Ergebnisse der Kinderstudie legen in der Zusammenschau nahe, dass sich Kinder und Jugendliche in Regenbogenfamilien ebenso gut entwickeln wie Kinder in anderen Familienformen. Unabhängig von der Familienform wirken sehr ähnliche Einflussfaktoren. Entscheidend für die Entwicklung der Kinder ist nicht die Struktur der Familie, sondern die Qualität der innerfamilialen Beziehungen. Für die betrachteten Entwicklungsdimensionen von Kindern und Jugendlichen erwies es sich somit als nicht bedeutsam, ob sie bei einem allein erziehenden Elternteil, zwei Müttern oder Vätern oder bei Vater und Mutter aufwachsen, sondern wie die Beziehungsqualität in diesen Familien ist."
Ogella schrieb:Mit dieser Haltung befindet er sich im übrigen in bester Gesellschaft, u. a. auch mit Angela Merkel:
Richtig ist zwar, dass Frau Merkel persönlich gegen die gleichgeschlechtlihe Ehe gestimmt hat. Das ist aber allenfalls ein Kritikpunkt der gegen sie spricht, und nicht für Herrn Gauland. Darüber hinaus möchte Frau Merkel aber die Ehe für alle nicht wieder abschaffen. Für sie ist diese Angelegenheit mit dieser Abstimmung erledigt, die sie in dieser Form im Übrigen bewusst ermöglicht hat. Hinzu kommen dann natürlich noch die vielen anderen wesentlichen Unterschiede zwischen Frau Merkel und Herr Gauland: Insbesondere ist sich Frau Merkel ist des obersten Grundsatzes des Grundgesetzes bewusst: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Das heißt, wenn es einem darum geht, ist Frau Merkel und die CDU immer die bessere Wahl. Naja, und sonst natürlich auch.
Zum Klimawandel:
1. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass wir einen Klimawandel einschließlich erheblicher globaler Erwärmung haben, die im Übrigen weit
über das, was früher einmal war oder "natürlich" wäre, hinausgeht, sowohl vom zeitlichen Rahmen als auch der Intensität.
Instruktiv und leicht verständlich
dargestellt hier. Wer es weniger lustig möchte bei diesem ernste Thema auch einfach
hier nachzusehen.
2. Der Klimawandel und die globale Erwärmung werden hauptsächlich vom Menschen verursacht. Auch das ist wissenschaftlich bewiesen, siehe etwa
Cook et al.: Quantifying the consensus on anthropogenic global warming in the scientific literature. In: Environmental Research Letters. Band 8, 2013.
Wenn Herr Gauland also diesen beiden Punkte negiert, dann liegt er damit wieder falsch, ignoriert mal wieder eindeutige wissenschaftliche Ergebnisse und ist damit als Politiker in Führungsposition völlig ungeeignet.
3. Wenn wir nichts unternehmen, insbesondere nicht die Treibhausgase wesentlich reduzieren, wird das sehr böse für die Menschen, sowie zahlreiche Pflanzen und Tiere enden.
Wenn Herr Gauland also die Energiewende rückgängig machen will, dann wird das wirklich sehr böse enden. Für ihn selbst natürlich nicht mehr. Wenn das ganz dicke Ende kommt, ist er vermutlich schon tot. Aber für all die jungen Leute unnd diejenigen die jetzt Kinder haben oder noch bekommen wollen, ist das
keine Alternative.
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist ja auch die Heuchelei der AfD. Die AfD möchte ja gerne mit ihrem Petry-Plakat dafür werben, dass sie ja an die Kinder denkt, für die sie kämpfen will. Aber wenn es dann darum geht, den Kindern keinen Wüstenplaneten zu hinterlassen, spielt das dann plötzlich keine Rolle mehr.
kms95 schrieb:Ich oute mich gleichmal hier als AFD Wähler und baldiges Mitglied...
Das ist sehr schade. Warum möchtest Du denn Mitglied einer rechtsextremen Partei werden und diese wählen?