Hier mal was für
@BananengripsTaz 20.10.12
„Feine Sahne Fischfilet“ spielen Punk. Das hält der Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern für sehr gefährlich.
Lorenz Caffier hat ein schönes Vorwort für den Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommerns von 2011 geschrieben. Der Innenminister des Bundeslands macht sich dort für den Demokratiegedanken und für bürgerliches Engagement stark.
„Ich danke allen, die für eine gelebte Demokratie, für unser Gemeinwesen eintreten“, grüßt der 57-Jährige eingangs. Damit könnten etwa Gruppierungen wie die aus dem pommernschen Demmin stammende Band Feine Sahne Fischfilet (FSF) gemeint sein, die in Texten zum entschlossenen Kampf gegen rechts im braunsumpfigen Bundesland aufrufen.
Und die den jungen Leuten im Ostseelande eine echte Alternative zu den rechten ländlichen Subkulturen aufzeigt. Doch stattdessen taucht die Punkband, deren Mitglieder heute in Greifswald und Rostock leben, unter der Rubrik „Linksextremismus“, Unterkategorie „Autonome Gruppen“ auf Seite 84 des jüngst veröffentlichten Berichts auf. Es wird ihnen eine „explizit antistaatliche Haltung“ und das Abbilden der „Bauanleitung“ eines Molotowcocktails vorgeworfen.
Die antinationalen Aussagen („Stolz auf eine Nation? Stolz auf irgendein beschissenes Konstrukt? Wir kotzen gleich!“) sollen für die Staatsfeindlichkeit als Beleg herhalten. Bei der vermeintlichen „Bauanleitung“ handelt es sich um eine satirisch zum „Club-Molli“ verfremdete Club-Mate-Flasche, eine leicht pennälerhaft anmutende Abbildung, die Anfang 2010 durch linke Foren geisterte, versehen mit der Überschrift „für den widerstand auf der straße“. Ein Fall für den Verfassungsschutz?
„Sie genügen den Kriterien des Verfassungsschutzgesetzes und sind damit für uns als Gefahr von links relevant“, sagt Roland Vogler-Wander, ein Sprecher des Ministeriums für Inneres in Mecklenburg-Vorpommern. Die Verfassungsschutzbehörde erkenne in den Aussagen der Band extremistisches Potenzial.
Die Nennung von antifaschistischen Bands in Verfassungsschutzberichten spiegelt einen bundesweiten Trend wieder. Auch im VS-Bericht Brandenburgs vom März 2011 finden sich Eintragungen im Kapitel „Hass-Musik mit linksextremistischen Bezügen“, die fragwürdig erscheinen müssen, gerade im Jahr der Aufdeckung der NSU-Mordserie.
Demokratische Jugendkultur in Vorpommern
Doch spätestens seit der Neuordnung der Extremismusprogramme durch Familienministerin Kristina Schröder (CDU) Ende 2010 laufen antifaschistische Gruppierungen immer stärker Gefahr, zu Verfassungsfeinden erklärt zu werden. Mit wem will man dann aber die Verfassung schützen?
Feine Sahne Fischfilet waren eine bis dato kaum überregional bekannte Punkband – Streetpunk mit leichtem Ska-Einschlag der an Bands wie die Mighty Mighty Bosstones erinnern. Sänger Monchi sagt im taz-Gespräch, sie seien „Antifaschisten, die Mucke machen“. Und damit sind sie mittlerweile für die demokratische Jugendkultur auf dem vorpommernschen Lande ein wichtiger Faktor geworden, auch wenn manche Songs (wie „So sind wir“) etwas derbe klingen mögen.
Am 9. November veröffentlichen sie nun ihr drittes Album „Scheitern und Verstehen“ auf dem Hamburger Audiolith-Label. Damit werden sie Labelmates von Bands wie Egotronic und Frittenbude. Labelchef Lars Lewerenz kommentiert die fragwürdige Ehrung seiner Band: „Das ist fast schon derb lustig, wenn’s auf der anderen Seite nicht so finster wäre.“
Bereits im April dieses Jahres hat das Landeskriminalamt des Bundeslands versucht, den Erstling „Backstage mit Freunden“ – drei Jahre nach dessen Erscheinen – auf den Index zu bringen. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien wies den Vorstoß zurück. Ein Konzert im Rahmen des Antifa-Festivals in Loitz 2009 verhinderte der dortige Bürgermeister.
Die prominente Nennung jetzt im Verfassungsschutzbericht scheint durchaus Methode zu haben. Man wolle die Band um jeden Preis kriminalisieren, sagt Monchi. Trotzig singt er in dem Lied „Stumpfe Parolen“: „Ihr wollt uns einschüchtern, das schafft ihr nicht“. Der NSU hat in Rostock 2004 einen seiner Morde begangen. Die Neonazilinie entlang der Küste bis nach Hamburg ist berüchtigt. Doch für den Verfassungsschutz steht der Feind genauso links wie rechts.
Verknüpfungen des NSU
„Für staatstragenden Antifaschismus stehen wir natürlich nicht“, sagt Monchi, „den würden die natürlich lieber sehen.“ Vogler-Wander spricht von erhöhter Gewaltbereitschaft im Zusammenhang mit Gruppen wie FSF: „Für uns geht auch vom Linksextremismus eine Bedrohung aus – und wir sind hier bestimmt nicht auf dem rechten Auge blind.“
Katharina König findet es fragwürdig, dass stattdessen die Verknüpfungen des NSU in Mecklenburg-Vorpommern nur in drei Absätzen Erwähnung finden. König kennt FSF und deren Musik gut. Die Abgeordnete der Linken im thüringischen Landtag wird bald einen Vortrag zum NSU beim Antifaschistischen Aktionstag halten, den die Band zum Albumrelease initiiert hat. Zum spärlichen Auftauchen des NSU im VS-Bericht sagt sie: „Man kann nicht einfach sagen: Das muss der Untersuchungsausschuss klären, damit haben wir hier nichts zu tun.“
Auch Verfassungsschutzexperte Tom Schreiber (SPD) sagt, es sei wichtig, „dass ein funktionierender Verfassungsschutz die Aufarbeitung der NSU-Strukturen auch innerhalb der Länder offensiv angeht und nicht abwartet.“ Dass man sich in Mecklenburg-Vorpommern generell nicht an die Spitze einer solchen Bewegung setze, könne auch Imagegründe haben, schließlich gehe es auch um den Tourismus.
Man muss nicht einmal die wenigen Passagen zum NSU als Gradmesser dafür nehmen, um die Nennung von Feine Sahne Fischfilet im Verfassungsschutzbericht für ungeheuerlich zu halten. Außer den Verbindungen zum Neonazi-Fanzine Der weisse Wolf (2002 grüßte man den NSU dort) finden sich keine weiteren Erkenntnisse zum NSU.
Und auch diese Verbindung fand zunächst das ehrenamtlich tätige Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum in Berlin (apabiz) heraus, nicht VS oder BKA. Man muss sich nur vorstellen, wie Landstriche wie Demmin oder Anklam aussähen, gäbe es Bands wie FSF nicht.
„Krass, gewundert hat’s uns aber nicht.“
Sänger Monchi ist „ernüchtert“, dass man stattdessen einer Band wie FSF zwei Seiten eines VS-Berichts widmet. „Krass, gewundert hat’s uns aber nicht.“ Bei einem Konzert in Berlin hat die Band, deren Mitglieder zwischen 21 und 25 Jahre alt sind, von den zwei Seiten im VS-Bericht erfahren. Die Band nimmt es aber auch mit Humor. „Vielen Dank für die Werbung“, habe man kurz vor Erscheinen des neuen Albums jetzt auch gedacht.
Auf Nazi-Blogs wie freies-pommern.de und Mupinfo wurden Monchi und Band längst zur Zielscheibe erklärt. Vor einigen Jahren kursierte in Nazikreisen ein Aufkleber, auf dem der Sänger der Antifa-Band mit gespaltenem Schädel zu sehen war. „Wir haben natürlich bei jedem Konzert auf dem Schirm, dass Nazis kommen könnten“, sagt der 25-Jährige. Entsprechend sichern sie ihre Auftritte. In rechten Blogs wird die Band auch Stinkende Sahne Walfilet genannt. Die Nazis nehmen die Band ernst.
Im Umkreis Demmins ist vor allem der „Nationale Widerstand Landkreis Demmin“ aktiv, der zu großen Teilen aus NPD-Kadern besteht. In beiden Demminer Wahlkreisen war die NPD bei den Landtagswahlen 2011 mit 6,2 und 7,9 Prozent viertstärkste Kraft. Was die Straftaten im Jahr 2011 im gesamten Bundesland betrifft, so werden laut Landeskriminalamt zwei Drittel der politisch motivierten Straftaten dem rechten Spektrum zugeordnet.
Der „erhebliche Zuwachs“ bei den links motivierten Straftaten (von 111 in 2010 auf 329 im Jahr 2011) dürfte eine einfache Erklärung haben: Im Jahr der Landtagswahlen fiel das Entfernen von Plakaten der NPD etwa genauso in die Statistik wie das Beschmieren eines NPD-Büros. Linken-Abgeordnete König befürchtet, dass Bands wie FSF dank der Behörden Probleme bekommen könnten, in kommunal unterstützten Jugendeinrichtungen aufzutreten. Damit stärke man indirekt die rechten Subkulturen.
„Die Inhalte des VS-Berichts erinnern in schlimmer Art und Weise an das, was wir in den 90ern hatten“, sagt sie, „nämlich, dass man rechte Gewalt herunterspielt und aus linken Jugendlichen Staatsfeinde macht. Die Konsequenzen dessen sehen wir heute.“ Lorenz Caffier sagte übrigens bei der Veröffentlichung des Berichts, die wehrhafte Demokratie befinde sich „in einer großen Bewährungsprobe“. Dem ist nichts hinzuzufügen.