<head></head><body bgcolor="#CCFFFF">
Hetzer mit Parallelen
Antisemiten des 19. Jahrhunderts und manche "Islamkritiker" des 21. Jahrhunderts arbeiten mit ähnlichen Mitteln an ihrem Feindbild.
Der Historiker Wolfgang Benz, 68, leitet das Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin. Er ist Herausgeber der "Dachauer Hefte", mit denen er die KZ-Forschung etablierte.
Das Feindbild "Westen" im arabischen Kulturkreis wird von Populisten im Westen mit dem Feindbild "Islam" erwidert. Es folgt den gleichen Konstruktionsprinzipien.
Feindbilder bedienen verbreitete Sehnsüchte nach schlichter Welterklärung, die durch rigorose Unterscheidung von Gut (das immer für das Eigene steht) und Böse (das stets das Fremde verkörpert) sowie darauf basierender Ausgrenzung und Schuldzuweisung zu gewinnen ist. Feindbilder, die eine solche Welt beschwören, lindern politische und soziale Frustrationen und heben das Selbstgefühl.
Feindbilder sind Produkte von Hysterie. Sie konstruieren und instrumentalisieren Zerrbilder der anderen. Wenn wir Hysterien als weitverbreitete Verhaltensstörung definieren, die unter anderem durch Beeinträchtigung der Wahrnehmung, durch emotionale Labilität, durch theatralischen Gestus und egozentrischen Habitus charakterisiert ist, dann erklären sich Phobien gegen andere Kulturen oder ganz unterschiedliche Minderheiten in der eigenen Gesellschaft als Abwehrreflex.
Aufs Negative reduziert
Bausteine des Feindbilds sind Verallgemeinerung und Reduktion von wirklichen oder vermeintlichen Sachverhalten auf Negativa. Gerüchte, Unterbewusstes, Hörensagen, literarische und volkstümliche Überlieferung erheben sich zu "Tatsachen" - die jedoch nur vom Glauben leben.
Das klassische Beispiel bietet die Konstruktion des am weitesten verbreiteten Textes der Judenfeindschaft: die "Protokolle der Weisen von Zion". Am Ende des 19. Jahrhunderts entstand es als antisemitisches Pamphlet, das eine jüdische Weltverschwörung belegen sollte. Obwohl die "Protokolle" in allen Details als Fälschung entlarvt wurden, haben sie dem russischen Zaren wie den Nationalsozialisten Dienste geleistet, heute werden sie im islamischen Kulturkreis verbreitet. Sie dienen der Propaganda gegen Israel als Waffe. Millionen glauben an das Bild vom Juden als Inkarnation des Bösen in der Welt, welches die "Protokolle" suggerieren.
Wer sich, zu Recht, über die Borniertheit der Judenfeinde entrüstet, muss aber auch das Feindbild Islam kritisch betrachten (das sich zuweilen eines aggressiven, aufgesetzten Philosemitismus bedient). Es ist ein Gebot der Wissenschaft, die Erkenntnisse, die aus der Analyse des antisemitischen Ressentiments gewonnen wurden, paradigmatisch zu nutzen.
Die unterschwellig bis grobschlächtig praktizierte Diffamierung der Muslime als Gruppe durch so genannte "Islamkritiker" hat historische Parallelen. Derzeit wird der Islam gedanklich mit Extremismus und Terror verbunden, wodurch alle Angehörigen der islamischen Religion und Kultur mit einem Feindbild belegt und diskriminiert werden sollen.
Hetze und Verleumdung
Wenn man die katholische Kirche historisch nur über das Leid definieren wollte, das päpstliche Kreuzzüge gegen "Ungläubige" im Mittelalter, Inquisition und Hexenprozesse bis in die Neuzeit über unglückliche Unschuldige gebracht haben (oder heutzutage nur über Priester, die sich an Minderjährigen vergreifen), dann zöge man sich den Vorwurf der Verleumdung zu - die Verallgemeinerung beklagenswerter Auswüchse ist Hetze mit dem Ziel der Diskriminierung. Um die Gefährlichkeit des Islam zu beschwören, agieren "Islamkritiker" aber unter zunehmendem Applaus mit genau dieser Methode.
Heinrich von Treitschke (1834 - 1896), renommierter deutscher Historiker und populärer Publizist, sah einst in seiner Überfremdungsangst Deutschland von Feinden umringt und durch mangelnde Bereitschaft der jüdischen Minderheit zur Assimilation im Inneren bedroht. Durch Autorität und Beredsamkeit verlieh er dem Antisemitismus Reputation und Schubkraft. Das war 1879, als er den Berliner Antisemitismusstreit auslöste. "Aus der unerschöpflichen polnischen Wiege", behauptete der Gelehrte, dränge "eine Schar strebsamer, Hosen verkaufender Jünglinge herein, deren Kinder und Kindeskinder dereinst Deutschlands Börsen und Zeitungen beherrschen" würden.
Die Parallele ist unübersehbar, wenn als taktische Waffe im geargwöhnten Kampf um die "Islamisierung Europas" heute das Wochenbett der muslimischen Frau beschworen wird. Treitschkes Angriffe gegen das deutsche Judentum markierten die Aufkündigung des mühsam erkämpften liberalen Konsenses über die Integration. Der Berliner Antisemitismusstreit war vor allem eine Identitätsdebatte, eine Auseinandersetzung darüber, was es nach der Emanzipation der Juden bedeuten sollte, Deutscher zu sein und deutscher Jude zu sein.
Intoleranz als Selbstverständlichkeit
Derzeit findet wieder eine solche Debatte statt. Es geht aber nicht mehr um die Emanzipation von Juden, sondern um die Integration von Muslimen. Die Wut, mit der Barrikaden errichtet und Positionen verteidigt werden, ist beträchtlich, die Intonation der Debatten erschreckend, wenn etwa die Verweigerung von Toleranz gegenüber der zu diskriminierenden Minderheit der Muslime als selbstverständlich dargestellt wird.
In Internet-Foren, in denen Islamfeindschaft besonders schamlos verhandelt wird, wurde vor kurzem der Mord an der Ägypterin im Dresdner Gerichtssaal freudig kommentiert. Die Tat sei zu verurteilen, schrieb einer, "allerdings gibt es jetzt eine islamische Gebärmaschine weniger".
Ein anderer meinte, im Koran werde "in über 60 Suren zum Mord an Andersgläubigen und Ungläubigen, speziell an Juden und Christen" aufgerufen. Diese Überzeugung wird er gegen alle Hinweise über den wirklichen Inhalt des Korans so energisch verteidigen, wie der Antisemit vom Glauben an den schlimmen Inhalt des Talmud, an jüdische Ritualmorde und andere Wahnphantasien nicht ablässt. Ein Dritter weiß, dass mit Hochdruck für ein Ziel gearbeitet wird: "Vernichtung Deutschlands durch Zuwanderung und Islamisierung".
Kampfansage an die Demokratie
Der Diskurs über Kopftuch und Minarett - als Symbole einer fundamental abgelehnten und als bedrohlich gebrandmarkten Kultur - wird in dieser Deutlichkeit in der Teilöffentlichkeit des Internets geführt. Aber seine Ausweitung ist längst im Gange. Die Gleichsetzung deutscher Bürger muslimischer Religion mit fanatisierten Terroristen hat Methode und wird mit dem Appell an das gesunde Volksempfinden, an das Rechthaben der Mehrheit inszeniert.
Der symbolische Diskurs über Minarette ist in Wirklichkeit eine Kampagne gegen Menschen, die als Mitglieder einer Gruppe diskriminiert werden, eine Kampfansage gegen Toleranz und Demokratie.
Quelle
Es ist eigentlich eine Schande dass ein durchaus angesehener Forscher in seinem Alter anscheinend dem Schwachsinn immer näher kommt und daher wird dieser Artikel auch sehr kontrovers betrachtet
Eine ganz andere Frage bleibt, wie das Problem Islamfeindlichkeit erforscht, analysiert und bearbeitet wird. Da scheinen auch erfahrene Wissenschaftler vor Irrwegen nicht gefeit, was Professor Wolfgang Benz mit seinem Beitrag «Hetzer mit Parallelen» in der «Süddeutschen Zeitung» vom 4. Januar anschaulich unterstrichen hat.
Benz, der das Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin leitet, bemüht sich in diesem Beitrag, Strategien ausgewiesener Antisemiten des 19. Jahrhunderts mit denen heutiger Islam-Gegner zu vergleichen.
Der Vergleich mag hehren Motiven entspringen, doch bei genauerer Betrachtung entpuppt er sich als unfundiert, zweifelhaft - wenn nicht sogar gefährlich. Wolfgang Benz bemüht die perfiden «Protokolle der Weisen von Zion» und Heinrich von Treitschkes antijüdische Hasstiraden aus dem Jahre 1879 als historisch abschreckende Beispiele, um alsbald einen überraschenden moralischen Impetus zu formulieren: «Wer sich, zu Recht, über die Borniertheit der Judenfeinde entrüstet, muss aber auch das Feindbild Islam kritisch betrachten (das sich zuweilen eines aggressiven, aufgesetzten Philosemitismus bedient)».
Worauf Wolfgang Benz allerdings mit einem Vergleich von traditionellem Antisemitismus und aktueller Islamfeindschaft hinaus will, bleibt dem Leser des Beitrages verborgen, wohl auch dank des nebulös-vagen Nebensatzes. Sind «aggressive Philosemiten», wie er erklärt, tatsächlich die schärfsten Islam-Feinde? Bedeutet «pro-jüdisch» - wenn auch «künstlich pro-jüdisch» - automatisch so etwas wie eine Anfälligkeit für «anti-islamisch»? Muss man, in der Zuspitzung, israelkritische oder antiisraelische Positionen vertreten, um nicht in Verdacht zu geraten «islamophob» zu sein?
Es sei ein Gebot der Wissenschaft, schreibt Benz in der «Süddeutschen Zeitung» weiter, Erkenntnisse aus «der Analyse des antisemitischen Ressentiments paradigmatisch zu nutzen». Hier nun verliert der Leser endgültig den erkenntnistheoretischen Anschluss. Benz geht offensichtlich davon aus, dass es möglich ist, eine analytische Brücke zu schlagen, und zwar von einer Massenbewegung, die im Laufe der Jahrhunderte Kirchen, staatliche Autoritäten, Nationalisten, Intellektuelle und schließlich Nazi-Todesschwadronen im Kampf gegen die Juden vereinte, hin zu einem destruktiven Gegenwarts-Phänomen voll Hass, Intoleranz und krimineller Energie, jedoch ohne erkennbares ideologisches Gerüst, ohne politisches Programm, ohne staatliche Rückendeckung und ohne die übermächtigen Mythen von den «Feinden der Menschheit».
Wo, frage ich mich, sind in diesem Vergleichskonzept die «parallelen Wahnvorstellungen», gemäß denen Muslime «aus rituellen Gründen» Kinder töten, Brunnen vergiften, Kulturen und Völker zerstören, den Ärmsten der Welt das letzte Hemd nehmen oder wahlweise blutige Revolutionen anzetteln? Wo ist der muslimische Alfred Dreyfus, dem in Europa öffentlich die Epauletten abgerissen werden? Wer unterstellt (gemäßigten) Muslimen hierzulande den Plan von der großen Weltverschwörung? Nur zu gern ließe ich mich korrigieren, doch bis zur Stunde waren derartige Negativ-Zuschreibungen noch immer für Juden «reserviert», und neuerdings vor allem für Israel. Von Ahmadinedschads regelmäßigen Tiraden bis hin zum türkischen Kassenschlager «Tal der Wölfe» blüht der Antisemitismus, bevorzugt auch mit radikalislamistischer Färbung, aber das ist kein Thema im besagten «SZ»-Artikel. Genauso wenig wie der Umstand, dass analysierte anti-islamische Polemik von objektiver Islam-Kritik sorgfältig getrennt gehört.
Derweil durchlebt Europas Zivilgesellschaft schwierige Transformationsprozesse, in der einseitige Schuldzuweisungen alles andere als hilfreich sind. Der «Alte Kontinent» hat den interkulturellen «Lackmus-Test» eben nicht nur mit abendländischen Ethnozentrikern, religiösen Gutmenschen, Künstlern, Anarchisten, schillernden Intellektuellen und passiven Beobachtern zu bestehen. Auch Radikale haben sich vor Ort eingelebt, die Allah und die Scharia um ein Vielfaches dem westlich-demokratischen Werte-Konsens vorziehen. Das macht islamfeindliche Tendenzen keinen Deut besser, aber Ängste und Abwehrhaltungen unter Nicht-Muslimen verständlicher.
Eine derartige Dynamik inter-kulturellen Konfliktes hat Europa bis in der Zeit vor dem Holocaust nicht gekannt, und auch deshalb hinkt der Vergleich mit christlich-jüdischen Beziehungsstörungen im 19. Jahrhundert. Hingegen bleibt zu befürchten, dass die geforderte «paradigmatische Anwendung» von Kenntnissen aus der Antisemitismusforschung - in welcher Wolfgang Benz über Jahrzehnte zugegebenermaßen Hervorragendes geleistet hat - im Kontext der Islamophobie-Debatte eine Verharmlosung historischer und aktueller Judenfeindschaft nach sich zieht. Cui bono?
Julius H. Schoeps ist Professor für Geschichte und Direktor des Moses-Mendelssohn-Zentrums für europäische Studien (MMZ) in Potsdam.
http://www.j-zeit.de/archiv/artikel.2164.html (Archiv-Version vom 25.08.2011)Und auch fragt man sich wie man Wolfgang Benz noch ernstnehmen soll nachdem er die bestialische Ermordung jüdischer Kinder in Toulouse als nicht erkennbar antisemitisch beurteilt hat.
Und auch dazu gibt es ein guten Kommentar
Was tut man als Redakteur einer Zeitung, wenn irgendwo auf der Welt etwas geschieht, wofür man eine Erklärung benötigt, die abzugeben man selbst nicht willens oder imstande ist? Richtig, man zieht einen Experten zu Rate. Auch das Hamburger Abendblatt verfuhr so, nachdem in einer jüdischen Schule in der französischen Stadt Toulouse drei jüdische Kinder und ein Rabbiner ermordet worden waren. Zwar ist Wolfgang Benz (Foto), auf den die Wahl des Blattes fiel, schon seit einer Weile nicht mehr der Leiter des Berliner »Zentrums für Antisemitismusforschung«, aber in Deutschland immer noch der bekannteste und gefragteste Ansprechpartner, wenn es um das Thema Judenfeindlichkeit geht. Und wie bewertet die Koryphäe im Ruhestand das tödliche Treiben in Frankreich? Nun, erst einmal gar nicht, denn:
Wir brauchen zunächst mehr Informationen über den Hintergrund des Täters. Ich erkenne bisher trotz der Brutalität der Tat keine neue Dimension eines Antisemitismus in Europa. Wir wissen ja noch nicht einmal, ob die Morde wirklich ein antisemitisches Motiv hatten oder die Opfer von einem Terroristen zufällig ausgewählt worden sind. Beim Amoklauf in Oslo gab es schnell ein Bekennerschreiben. Der Attentäter Anders Breivik hatte eine Ideologie, für die er mordete. Die fehlt uns in Toulouse noch.
Da hat der Herr Professor zweifellos Recht, schließlich ist über Mohammed Merah fast nichts bekannt. Man weiß lediglich, dass er sich selbst als Al-Qaida-Kämpfer und Mudschahed bezeichnete, in pakistanischen und afghanischen Terrorcamps gesichtet wurde, in Toulouse einer salafistischen Organisation angehörte und mit seinen Morden palästinensische Kinder rächen wollte. Ein antisemitisches Motiv ergibt sich daraus natürlich noch lange nicht und erst recht keine Ideologie. Wer etwas anderes behauptet, muss ein islamophober Rassist sein (Benz kennt sich da bestens aus). Außerdem fehlt ja das Bekennerschreiben, und Merah wird es dummerweise auch nicht mehr nachreichen können, weil er jetzt tot ist. Aber das ist letztlich halb so wild, denn es gibt ja ohnehin keine neue Dimension des Antisemitismus, und überhaupt:
Ich fürchte, dass kaltblütige Taten wie die von Oslo und Toulouse normale Gewalt in einer Massengesellschaft ist. Dies hat es immer gegeben, auch in Europa. Im 19. Jahrhundert versetzten russische Anarchisten mit Bombenanschlägen die Gesellschaft in Angst. Die Sicherheitsbehörden müssen nun vor allem mögliche Nachahmer der Tat von Toulouse verhindern.
In Köln würde man sagen: Et kütt, wie et kütt, wat fott es, es fott, un et hätt noch immer joot jejange. Voll normal, das alles, und sowieso sollte man um den Judenhass nicht so ein Gewese machen, schon gar nicht hierzulande:
Ich sehe keine Zunahme des Antisemitismus. Es ist traurig genug, dass es Menschen gibt, die Juden feindlich gegenüberstehen. Doch ich warne auch vor dramatisierenden Schlagzeilen bei Veröffentlichungen dieser Studien. Ich sehe nur bei fünf Prozent der Deutschen klare judenfeindliche Einstellungen, das sind die Ewiggestrigen mit ihren Stammtischparolen. Bei vielen Befragten aber sind Ressentiments da, die nicht speziell antisemitisch sind. Würde man sie zu ihren Einstellungen beispielsweise gegenüber Österreichern oder Polen fragen, wären die Antworten vielleicht ähnlich. Wir müssen aufpassen, dass wir durch eine Dramatisierung der Studien nicht den wahren Antisemitismus verharmlosen.
Um es mit Henryk M. Broder zu formulieren: »Antisemitismus fängt bei sechs Millionen toten Juden an, alles darunter ist Friedenspolitik.« Und mit den fünf Prozent Ewiggestrigen und ihren Stammtischparolen werden wir auch noch fertig. Von den anderen, die da des Antisemitismus geziehen werden, weiß man ohnehin, dass sie eigentlich ganz friedfertige Zeitgenossen sind, die außerdem ihre österreichischen Nachbarn im Zweifelsfall genauso dafür beschimpfen, dass sie ihnen den Hitler geschickt haben, wie sie die Juden dafür hassen, dass die immer noch mit dem von den Deutschen längst vorbildlich bewältigten Holocaust ankommen. Von einem Antiaustrizismus hat man aber noch nie etwas gehört, und deshalb ist auch das ganze Getöse um den Antisemitismus völlig überzogen. Vollends absurd wird es sogar, wenn man ehrenwerte Menschen wie den SPD-Parteivorsitzenden ins Gebet nimmt, nur weil der den jüdischen Staat als Apartheidregime bezeichnet hat:
Ich kann bei Gabriels Äußerungen keinen Antisemitismus feststellen. Es ist doch nicht frei erfunden, dass Israel sich als ein Staat definiert mit einem bestimmten Staatsvolk. Und es ist auch nicht frei erfunden, dass Nichtjuden einige zusätzliche Kontrollen durch israelische Behörden über sich ergehen lassen müssen. Wenn das Gabriel an einen Staat erinnert, in dem Bürger mit zweierlei Recht behandelt werden, dann kann ich das nachvollziehen.
Eine vortreffliche Analyse, zumal der Historiker Benz sich hier mit feiner Subtilität auch als linker Staatskritiker zu erkennen gibt – schließlich ist es ja das Wesen eines jeden Staates, sich sein Staatsvolk zurechtzudefinieren, nicht zu diesem Staatsvolk Gehörende gelegentlich diversen Unannehmlichkeiten auszusetzen und es mit dem bürgerlichen Gleichheitsversprechen bisweilen nicht ganz so genau zu nehmen. Insofern besteht die Welt praktisch nur aus Apartheidregimes – ein sehr unerfreulicher Missstand natürlich, der behoben gehört. Und warum damit nicht gerade in Israel beginnen, wo man aus dem Holocaust ja viel weniger gelernt hat als in jenem Land, das ihn einst veranstaltete?
Wolfgang Benz ist also ein eminent kluger Mann, der schon früher erkannt hat, dass der Antisemitismus letztlich bloß ein Vorurteil unter vielen ist und der Antisemitismusvorwurf überdies eine derart inflationäre Verwendung findet, dass selbst einem »Mann von Reputation und einigem Nachruhm« wie Heinrich von Treitschke bitteres Unrecht angetan wird, wenn man ihm ankreidet, dass die Nazis seine harmlose Parole »Die Juden sind unser Unglück« in Anspruch genommen haben. Deshalb liegt Benz auch völlig richtig, wenn er den Attentäter von Toulouse partout nicht als Antisemiten bezeichnen will – zumal das ja schon der pietätvolle lateinische Grundsatz »De mortuis nil nisi bene« gebietet. Hierzulande kann, nein: muss man daher überaus stolz auf seinen führenden Antisemitismusforscher sein.[/quote]
http://lizaswelt.net/2012/03/22/kein-antisemitismus-nirgends/