25h.nox schrieb:früher vlt, nach den nazis? nein, die haben den antisemitismus vom religiösen hass gegen eine religion zu einer rassentheorie ausgebaut(vorher gabs zwar ansätze aber nicht in diesem umfang)
Der Antisemitismus ist vom religiösen Hass (ergo Antijudaismus) bereits weit vor den Nazis zur rassistischen Lehre umgemodelt wurden; das Prinzip der Gegenrasse gab es schon etliche Jahrzehnte vor den Nürnberger Rassegesetzen. Bereits seit den 1860 Jahren setzte sich das Bild vom artfremden Juden in Deutschland, aber auch Österreich, Frankreich und Rußland, durch. Die Charakteristika dieses "artfremden Schädlings" fand dann in der Nazi-Propaganda zu sich.
Als „-ismus“ kennzeichnete der Begriff eine Weltanschauung mit bekennender Anhängerschaft und einem mehr oder minder ausgeprägten ideologischen System. Er wies „Semiten“ (Juden) gegenüber „Germanen“ (Deutschen) bzw. „Ariern“ (Nordeuropäern) bestimmte rassische und kulturelle Eigenarten zu, die sie einerseits minderwertig, andererseits überlegen erscheinen ließen:
-Arier seien Semiten an Körperstatur, Gesundheit und Moral überlegen,
-Arier seien einfach und fromm, Semiten dagegen sinnlich und verschlagen,
-Arier lebten von ehrlicher Arbeit, Semiten von Wucher, Spekulation, Ausbeutung,
-Arier seien Schöpfer geistiger Werte und des Fortschritts in Philosophie, Religion, Naturwissenschaften, Semiten seien nur Nachahmer und Plagiatoren.
In diesem Sinn wurde der Begriff im Kaiserreich rasch Allgemeingut und gut 75 Jahre lang zur Eigenbezeichnung „prinzipieller“ Judenfeinde. Diese Ideologie bereitete dem Nationalsozialismus den Boden, der zum staatlich organisierten Massenmord an den europäischen Juden (Holocaust) führte.(wiki)
Die völkische Reaktion stilisierte sie zum rassischen Gegenprinzip, als eine dem Germanentum fremde "Rasse" die aus dem "Volkskörper" geschnitten gehört. Von diesen völkisch-schwärmerischen, deutschtümelnden und mythologisch-rassistischen Irrationalismus waren nicht zuletzt weite Teile der Intelligenz befallen und konnten bei großen Teilen der Bevölkerung mit ihrem Dreck reüssieren: Haeckels "Welträtsel" war in ganz Europa ein Bestseller, Nordaus 1892 erschienenes "Entartung" (eine zeitgenössische Abhandlung über den Verfall des "nordischen" Menschen in der modernen Großstadt) ging weg wie geschnitten Brot. Ein weiterer einflussreicher Autor war der Kriminologe Cesare Lombroso, der einen Zusammenhang zwischen Schädelform und Verbrechensneigung kreierte. Der Mann bekannte sich gleichermaßen zum Sozialismus wie zum Rassismus, damals gar nicht so ungewöhnlich. Astrologische Zirkel konnten eine Anhängerschaft die bis in die Hunderttausende ging, hinter sich scharen; den bürgerlichen Altvorderen glitt ihre Jugend zusehends mehr und mehr in den völkischen Wahn ab. Was ja bekanntlich nicht nur dem Rassenantisemitismus Auftrieb gab. (Bspw. stieg auch der Antiziganismus unter den Vorzeichen einer pseudowissenschaftlichen, rassistischen "Völkerkunde" an, was nicht zuletzt in Deutschland zur "Anweisung zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens" führte.)
Das kirchliche Mittelalter hatte Juden prinzipiell eine jenseitige Erlösung offengehalten, die sie durch die Taufe schon in diesem Leben erreichen konnten. Deshalb wurden jüdische Gemeinden zeitweise geduldet und von manchen Päpsten und Kaisern ausdrücklich geschützt. Freiwillig getaufte Juden waren vor weiterer Verfolgung meist relativ sicher. Nur bei Zwangstaufen behielten andere Christen Vorbehalte gegen sie: besonders in Spanien. Nach der Massenvertreibung der spanischen Juden durch das Alhambra-Edikt von 1492 verfolgte die spanische Inquisition die im Land gebliebenen „Conversos“ als „Schweine“ (marranos) und begründete dies mit dem rassistischen Ideal der „Reinheit des Blutes“ (limpieza de sangre).
Dieses Muster wiederholte sich im 19. Jahrhundert gegen die Judenemanzipation. Schon 1790 entwickelte der Göttinger Popularphilosoph Christoph Meiners (1747–1810) ein Rangsystem der Rassen, das Juden zwar über „Orang-Utans“, „Negern“, „Finnen“ (Lappen) und „Mongolen“ einstufte, aber unter Weißen und Christen. Deshalb stünden ihnen weniger Rechte als diesen zu. Seit Ernest Renan wurde es zunehmend üblich, Juden als „Semiten“ einen Mangel an Zivilisiertheit nachzusagen. Frühe Antisemiten wie Grattenauer und Hartwig von Hundt-Radowsky beschrieben Juden direkt als Affen, um ihnen die Menschenrechte abzusprechen und ihren Emanzipationsprozess, ihr Streben nach Bildung und Aufklärung als von vornherein lächerlich und illusorisch abzuwerten.[44]
1853 unterschied Arthur de Gobineau mit dem Aufsatz Die Ungleichheit der Rassen Arier von angeblich minderwertigen semitischen und negriden Rassen. 1858 begründete Charles Darwins Aufsatz Über die Entstehung der Arten die Evolutionstheorie und moderne Genetik mit den Prinzipien Variation, Vererbung und Selektion: Der „Kampf ums Dasein“ führe zu einer Auslese der dem Überleben angepasstesten Arten. Dies übertrugen Rassisten auf die Völkergeschichte: Sie sei als ewiger Kampf zwischen höheren und niedrigeren Rassen zu deuten. Das ermöglichte Antisemiten, die „Judenfrage“ mit pseudobiologischen Argumenten als Rassenproblem zu propagieren.
So schrieb der österreichische Kulturhistoriker Friedrich von Hellwald (1842–1892) 1872 in einem Zeitungsartikel, Juden seien aus Asien eingewanderte Fremdrassige; dies würden Europäer „instinktiv“ spüren. Das sogenannte Vorurteil gegen Juden sei also durch zivilisatorischen Fortschritt nie zu überwinden. Als Kosmopolit sei der Jude dem „ehrlichen Arier“ an Schläue überlegen. Von Osteuropa aus grabe er sich als Krebsgeschwür in die übrigen europäischen Völker ein. Ausbeutung des Volkes sei sein einziges Ziel. Egoismus und Feigheit seien seine Haupteigenschaften; Selbstaufopferung und Patriotismus seien ihm völlig fremd.
Nach der rechtlichen Gleichstellung der Juden überhöhten Antisemiten den rassischen zum welthistorischen Gegensatz: „Arier“ galten als zur Weltherrschaft berufen, „Semiten“ als ihre zur Unterlegenheit bestimmten Konkurrenten, die gleichwohl zur Zeit noch über die Arier herrschten. Der Nationalökonom Karl Eugen Dühring (1833–1921) begründete dies mit seinem populären Buch Die Judenfrage als Racen-, Sitten- und Culturfrage (1881), das eine Art Bibel für Antisemiten wurde. Er erklärte die „Selbstsucht“ und „Machtgier“ der Juden als unveränderbare Erbanlage und verband damit antichristliche und antikapitalistische Motive: Die Bibel sei eine vom „Asiatismus“ durchtränkte Religionsurkunde. Juden seien „Drahtzieher“ der Krisenphänomene und sozialen Missstände der Industrialisierung. Als einer der Ersten sprach er von einer „Endlösung“. Da diese vorläufig nicht möglich sei, solle man die Juden wieder in Ghettos zwingen und dort überwachen.[45] Ziel aber bleibe:[46]
„Der unter dem kühlen nordischen Himmel gereifte nordische Mensch hat die Pflicht, die parasitären Rassen auszurotten, wie man eben Giftschlangen und wilde Raubtiere ausrotten muss!“
Diese seit dem Mittelalter bekannten Sprachbilder der Entmenschlichung passten die Antisemiten der wissenschaftlichen Sprache der Bakteriologie, Mimikry-Theorie und Rassenlehre an. Juden wurden immer mehr nicht nur mit Blutsaugern, Krebsgeschwüren, Schmarotzern, Seuchen, Ungeziefer, Volksschädlingen, wuchernden Schlingpflanzen usw. verglichen, sondern identifiziert. Stand im mittelalterlichen Aberglauben hinter ihnen der Teufel, also eine letztlich unbesiegbare dämonische Macht, so wurde es mit dem medizinisch-technischen Fortschritt denkbar, sich dieser „menschlichen Viren“ radikal zu entledigen.[47]
Das verschloss Juden jede Möglichkeit, sich sozial anzupassen. Denn auch getaufte Juden blieben nun Juden, die von Vorfahren mit jüdischer Religion abstammten, egal ob und wie lange ihre Vorfahren schon Christen waren. Damit war die Religionszugehörigkeit für Antisemiten nur noch als pseudobiologisches Merkmal wichtig, das Judesein zum unentrinnbaren Schicksal machte. Die Juden zugeordneten negativen Erbanlagen erschienen durch keinerlei Erziehung, Bildung, Integration und Emanzipation veränderbar. So wurde ihre völlige Vertreibung oder Vernichtung in ganz Europa als einzig realistische „Lösung der Judenfrage“ nahegelegt.
Der Rassismus untermauerte auch sonst die Ablehnung fremder Völker nach außen und ethnischer oder anderer Minderheiten nach innen. So wuchs parallel zum Antisemitismus in ganz Europa die Fremdenfeindlichkeit. In Deutschland richtete sich diese z. B. gegen „Zigeuner“ oder Sorben.
Darwin distanzierte sich 1880 von diesem politischen Missbrauch seiner Theorien. Nach seinem Tod 1882 wurden diese jedoch immer stärker rassistisch umgedeutet. Man redete nun von der „Zersetzungskraft jüdischen Blutes“ und zählte auch „Halb“- oder „Viertel“-Juden zum Judentum, während die „arische Rasse“ immer stärker zur einheitsstiftenden Idee wurde. Deren „Notwehr“ gegen die Juden wurde als Naturgesetz dargestellt. Damit wurde das Recht des Stärkeren gegenüber Natur- und Menschenrecht deterministisch legitimiert. So forderte z. B. Paul de Lagarde (1827–1891) in Juden und Indogermanen 1887 die Einheit von „Rasse und Volk“ unter Ausschluss des Judentums. Er beklagte, dass in Berlin mehr Juden lebten als in Palästina, und forderte, „dies wuchernde Ungeziefer zu zertreten“:[48]
„Mit Trichinen und Bacillen wird nicht verhandelt, Trichinen und Bacillen werden auch nicht erzogen, sie werden so rasch und so gründlich wie möglich vernichtet.“
Auch Wilhelm Marr verwendete 1879 das Bild von den Jesusmördern und sprach kulturpessimistisch von einem Sieg des Judenthums über das Germanenthum, wobei er die Juden als eigene Rasse darstellte.
Die Überzeugung von einem jüdischen Weltherrschaftsstreben vertraten auch aufgeklärt-liberale Bildungsbürger wie Eduard Hartmann. In seinem Buch Das Judentum in Gegenwart und Zukunft (1885) grenzte er sich wie Heinrich von Treitschke vom Antisemitismus ab und versuchte eine ausgleichende Position einzunehmen. Gleichwohl sprach er von „Wirtsvölkern“, die die Juden bei sich aufgenommen und denen sie die Menschenrechte gewährt hätten. Zum Dank dafür hätten die Juden sich aber nicht vollständig assimiliert, sondern an ihrer religiös-nationalen Sonderexistenz festgehalten und so den Antisemitismus erzeugt. In ihrem Messiasglauben, ihrem internationalen Gemeinschaftsgefühl und ihren Organisationen sah er ihr Herrschaftsstreben:
„So bildet das Judentum eine internationale Freimaurerei, die an der Religion ihren idealen Inhalt, an dem ethnologischen Typus ihr sichtbares Erkennungszeichen und an der Alliance Israelite Universelle und deren Kapitalmacht das Kristallisationszentrum einer internationalen Organisation besitzt.“
Diese sei „die erste embryonale Anlage zu einer Zentralregierung der künftigen jüdischen Weltherrschaft“ und ein „bedauerliches Hindernis für die schnellere Entjudung der Juden“. Würde das Judentum also an seiner Identität festhalten, dann hätte es „das deutsche Volk durch die Forderung und Annahme der Jüdischen Emanzipation betrogen“.[49]
1899 forderte Houston Stewart Chamberlain (1855–1927) in seinem Buch Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts als Erster die „Reinheit der arischen Rasse“ gegen „Vermischung“. Das Buch las Kaiser Wilhelm II. persönlich seinen Kindern vor und empfahl es als Lehrstoff für die Kadettenschulen.
In den 1920er Jahren erreichte die Massenproduktion rassistischer und antisemitischer Traktate, Bücher und Neuauflagen neue Höhepunkte. In Deutschland wurden z. B. die Schriften von Hans F. K. Günther populär: Rassenkunde des deutschen Volkes (München 1922, 16. Auflage 1933), Kleine Rassenkunde des deutschen Volkes (München 1929) und Rassenkunde des jüdischen Volkes (München 1930).(wiki)
Die Nazi-Ideen sind ja schließlich auch nicht vom Himmel gefallen. Aber logisch - in Umsetzung und Härte waren sie die radikalsten.