Ehrenmorde/Verbrechen im Namen der Ehre auch hier
10.06.2006 um 19:53
Souad wurde als Teenagerin von einem Jungen aus ihrem Dorf schwanger. Die beschmutzte,palästinensische Familie verurteile sie zum Tode und ihr Schwager setzte sie in Flammen.Jedes Jahr sterben tausende von Frauen (nicht nur) im nahen und mittleren Osten aufgrundvon "Ehrenmorden". Souad hat überlebt. Hier ist ihre qualvolle Geschichte.
Erkam zu mir und fragte mich lächelnd: "Hi. Wie geht´s dir?" Er kaute auf einem Grashalm."Ich werde auf dich aufpassen."
Ich hatte damit nicht gerechnet. Ich lächelteein wenig, um mich bei ihm zu bedanken und traute mich nicht, zu sprechen.
Plötzlich fühlte ich eine kühle Flüssigkeit auf meinem Kopf; ich brannte. Ich schlugmeine Haare. Ich schrie. Meine Kleidung blähte sich hinter mir auf. Brannte sie auch? Ichroch das Benzin und rannte weg. Verfolgte er mich? Wartete er darauf, dass ich hinfallenwürde, damit er mir zugucken könnte, wie ich in Flammen aufgehe?
Ich werdesterben, dachte ich. Das ist gut. Vielleicht bin ich schon tot. Irgendwann wird es vorbeisein.
Ich heiße Souad. Meine Geschichte begann vor fast 25 Jahren in meinemGeburtsdorf in der West Bank, einem kleinen Platz in einer Region, die damals von denIsraelis besetzt war. Wenn ich mein Dorf nennen würde, könnte ich in Gefahr sein, obwohlich jetzt tausende von Meilen weg von dort bin.
In meinem Dorf bin ich offizielltot; falls ich versuchen würde, dorthin zurückzukehren, würden sie ein zweites Malversuchen, mich umzubringen, um die Familienehre zu retten. Das ist das Gesetz desLandes.
Das ist so, weil ich eine Frau bin.
Eine Frau muss schnellgehen, den Kopf nach unten richten, als würde sie die Schritte zählen, die sie macht. Siesoll immer auf ihrem Weg bleiben und niemals nach oben gucken. Sollte ein Mann nämlichihre Augen sehen, wird das ganze Dorf sie als Hure bezeichnen. Damit eine Frau ihrenBlick nach oben richten darf, ein Geschäft betreten, ihre Augenbrauen schminken undSchmuck tragen darf, muss sie verheiratet sein. Meine Mutter wurde mit 14 Jahrenverheiratet. Wenn ein Mädchen in dem Alter noch nicht verheiratet ist, macht sich dasDorf über sie lustig. Aber ein Mädchen muss darauf warten, wann sie in der Familie an derReihe ist. Zuerst wird die älteste Tochter verheiratet, dann die anderen.
Inunserem Haus gab es vier Mädchen im heiratsfähigen Alter. Es gab auch noch zweiHalbgeschwister, die von der zweiten Frau von unserem Vater abstammten, die noch Kinderwaren. Der einzige männliche Nachkommen der Familie, der mit Stolz neben all den Töchterngeboren wurde, war unser Bruder Assad.
Vor 25 Jahren hab ich nur Arabischgesprochen. Ich war kaum mehr als ein paar Kilometer von dem letzten Haus auf derschmutzigen Straße entfernt. Ich wußte, dass es noch andere Städte gab, aber ich hab sienie gesehen. Ich wußte auch gar nicht, ob die Erde flach oder rund war. Aber was ichwußte war, dass wir die Juden hassen mußten, die uns unser Land genommen hatten. MeinVater nannte sie alle Schweine. Es wurde uns verboten, nahe an sie heranzutreten, damitwir nicht auch zu Schweinen werden würden.
Mein Bruder ging zur Schule, aber dieMädchen blieben daheim. Wo ich herkomme, ist es ein Fluch, als Frau geboren zu werden:zuerst muß eine Frau einen Sohn gebären, mindestens einen! Wenn sie nur Mädchen auf dieWelt bringt, wird sie verspottet. Bestenfalls zwei oder drei Mädchen werden benötigt, umim Haushalt zu helfen, auf dem Land zu arbeiten und sich um die Tiere zu kümmern.
Unser Haus aus Stein war groß und von einer Mauer umgeben, in der sich eine große Türaus Eisen befand. Sobad wir drinnen waren, wurde sie geschlossen um zu verhindern, dasswir nach draußen gingen. Du konntest durch diese Tür nach innen gelangen, aber dukonntest nicht mehr nach draußen gehen. Meine Mutter und mein Vater gingen nach draußen,aber niemals wir Mädchen. Mein Bruder ging hinaus und kam durch diese Tür zurück. Er gingauch ins Kino; er machte, was er wollte.
Ein Tag ohne Schläge war etwasungewöhnliches. Mein Vater schrie zum Beispiel "Warum sind die Schafe von alleinezurückgekommen?" . Dann zog er mich an den Haaren und brachte mich in die Küche, um michdort zu schlagen. Einmal hat er meine Schwester Kainat und mich festgebunden. Die Händewaren hinter dem Rücken festgemacht und auch unsere Füße waren gefesselt. Damit wir zuSchreien aufhören, band er uns einen Schal um den Mund. Wir mußten die ganze Nacht soverbringen: Angebunden an ein Tor, welches zum Stall führte.
So sah das Leben inunserem Dorf aus. Die Mädchen und Frauen in den anderen Häusern wurden auch regelmäßiggeschlagen. Du konntest ihre Schreie hören. Meine Schwester wurde von ihrem Ehemanngeschlagen und brachte Schande über unsere Familie, als sie sich darüber beschwerte.
Meine Mutter hatte 14 Kinder, aber nur 5 überlebten. Eines Tages erfuhr ich, warum.Ich war wohl noch keine 10 Jahre alt und Noura, meine ältere Schwester, war mit mirzusammen. Wir kamen von den Feldern zurück und fanden meine Mutter auf einem Schafsfellauf dem Boden liegend. Sie lag in den Wehen und meine Tante Salima war bei ihr. Sehrschnell nahm meine Mutter das Schafsfell und erstickte das Baby. Ich sah, wie sich dasBaby einmal bewegte und dann war es vorbei. Es war ein Mädchen. Das war das erste Mal,dass ich meine Mutter dies tun sah. Es folgte auch ein zweites Mal. Ich bin nicht sicher,ob ich beim dritten Mal auch dabei war, aber ich wußte zumindest davon. Und ich hörte wirNoura sagte "Wenn ich Mädchen bekommen werde, werde ich das gleich wie du tun!"
So entledigte sich meine Mutter also ihrer 7 Töchter, die sie nach Hanan gebar, derletzten Überlebenden. Von diesem Tag an versteckte ich mich jedesmal und weinte, wennmein Vater ein Schaf oder ein Huhn schlachtete.
So lang ich mit meinen Elternzusammenlebte hatte ich Angst, dass ich plötzlich sterben müßte. Ich hatte Angst, eineLeiter nach oben zu besteigen, wenn mein Vater dabei war. Ich hatte Angst vor dem Beil,welches zum Holzhacken benutzt wurde, Angst vor dem Brunnen, wenn ich zum Wasserholenging. Sowohl meine Mutter, als auch ich fürchteten den Brunnen am meisten. Ich habe dasbemerkt. Manchmal, wenn meine Schwester Kainat und ich von den Feldern zurückkamen,sprachen wir darüber, was passieren könnte: "Stell dir vor, wenn jeder tot ist, wenn wirzurückkommen... Und was, wenn Vater unsere Mutter getötet hat? Er bräuchte nur einenStein zu nehmen und das war´s!"
Die Möglichkeit, dass unserer Mutter sterbenwürde, beschäftigte uns mehr als die Angst, dass eine Schwester sterben könnte.Schließlich gab es genug andere Schwestern. Auch unsere Mutter wurde oft geschlagen, sowie wir. Manchmal versuchte sie, dazwischen zu gehen, wenn unser Vater uns sehr grobschlug und dann schlug er auch sie und riss ihr Haare aus.
Ich habe meine BruderAssad seit 25 Jahren nicht gesehen, aber ich würde ihn gerne eine Frage fragen: "Wo istunsere Schwester Hanan, die verschwunden ist?" Hanan war ein sehr hübsches Mädchen, sehrdunkel und viel schöner als ich, mit dicken Haaren und schönen Augenbrauen über ihrenAugen. Sie war nicht dünn, so wie ich. Sie war eine Träumerin und achtete kaum darauf,was man zu ihr sagte. Wenn sie zu uns kam und uns dabei half, Oliven zu pflücken, tat siedies sehr langsam. Das war ziemlich unüblich in meiner Familie: Du gehst und arbeitestschnell und rennst, um die Tiere zu holen.
Ich war im Haus, als ich eines TageSchreie hörte. Meine kleineren Schwestern und ich rannten los, um zu sehen, waspassierte. Hanan saß auf dem Boden und fuchtelte mit ihren Armen und Beinen, währendAssad über ihr war und sie mit dem Telefonkabel strangulierte. Wir pressten uns gegen dieWand, damit uns niemand sehen würde. Assad muss uns aber gehört haben, denn er rief "Gehtraus! Verschwindet!"
Als unsere Eltern zurückkamen, sprach meine Mutter mitAssad. Ich sah, wie sie weinte, aber ich wußte, dass sie nur so tat. Allmählich verstandich, was mit Mädchen in meinem Land passiert. Es wird an einer Familienversammlungentschlossen und an einem schrecklichen Tag,wenn die Eltern niemals daheim sind, passiertdann die schlimme Tag. Nur derjenige, der dazu bestimmt ist, das Opfer zu töten, ist mitdem ernannten Opfer zusammen.
Ich weiß nicht, warum Hanan dazu verurteilt wurde,zu sterben. Ist sie alleine ausgegangen? Wurde gesehen, wie sie mit einem Mann spricht?Hat ein Nachbar sie angezeigt? Es braucht nicht viel , damit ein Mädchen von jedem alsHure abgestempelt wird, die Schande über die Familie gebracht hat und die sterben muß, umdie Familienehre zu bewahren, genauso wie die Ehre des gesamten Dorfes.
Währendich groß wurde wartete ich hoffnungsvoll auf meine Hochzeit. Ich war mittlerweile 18 undhaßte Dorfhochzeiten, weil alle Mädchen sich über mich kaputtlachten. Keiner wollteKainat, meine ältere Schwester, haben und sie hat resigniert und sich damit abgefunden,eine alte Jungfrau zu werden. Für mich war das absolut deprimierend, weil ich jaschließlich warten mußte, bis Kainat verheiratet war, um selbst heiraten zu können.
Dann fand ich heraus, dass ein Nachbar, Faiez, nach mir gefragt hatte. "Aber wirkönnen jetzt noch nicht über deine Hochzeit reden, " erklärte mir meine Mutter, "wirmüssen auf deine Schwester warten."
Faiez lebte in dem Haus gegenüber von uns.Manchmal konnte ich ihn von unserer Terrasse aus sehen, wenn ich unsere Wäsche zumTrocknen auslegte. Er mußte einen guten Job in der Stadt haben, denn er kleidete sichnicht wie ein Arbeiter. Er trug immer einen Anzug und er hatte eine Aktentasche und einAuto.