@Luminarah Wie? Die Länder haben innenpolitische Probleme?
:DKlar hat die innersyrische soziale Dynamik zum Aufstand geführt, in den meisten Ländern des arabischen Frühlings war der Revolutionsimpetus ein Mix aus der Sehnsucht nach bürgerlichen Freiheiten und einer Verbesserung der sozialen Lage.
Der Baathismus konnte sich, als er die größtenteils sunnitisch geprägte urbane Bourgeoisie marginalisierte, auf ein starkes ländliches Milieu stützen. Beispielsweise war Daraa, in dem es im März 2011 zu den ersten Massenprotesten kam, jahrzehntelang eine Hochburg des Baathismus. Es gab Zeiten, da stammten 1/5 der Führungskader der Baath-Partei aus Daraa; Farouk al-Sharaa, Assads Vizepräsident, stammt ebenfalls von dort. Daraa selbst liegt im Hauran wo es "ausgedehnte Weizenfelder, die auf fruchtbaren, rötlichen Verwitterungsböden gedeihen" hat. (wiki)
In den letzten Jahren hat sich die syrische Elite aber immer weiter von ihrer Basis entfernt und die ländliche Peripherie vernachlässigt und prekarisiert. Im Bündnis mit Händlern, Unternehmern und der urbanen Bourgeoisie fuhr man einen neoliberalen Kurs, der drastische Liberalisierungs- und Privatisierungsmaßnahmen einschloss. Assads Cousin Rami Makhlouf ist durch solche privatwirtschaftlichen Bestrebungen zum reichsten Mann des Landes geworden, er hält 40% der Anteile an Syriatel - die breiten Bevölkerungsschichten haben dafür nicht nur nichts gesehen, sie haben dafür bezahlt. Mittlerweile hat er seine Anteile ausgeschrieben, aber dennoch: ein wesentlicher Faktor dass der Aufstand in Daraa aufflammte, waren seine Umtriebe. Als der Riot losging, beschuldigten sie Makhlouf der Korruption und fackelten kurzerhand die Syriatel-Filialen ab.
Eine weitere von sozialer Benachteiligung betroffene Gruppe sind die Handwerker, für die es nach der Öffnung des syrischen Marktes für billige türkische Produkte immer schwerer wurde, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Eine Handwerker-Hochburg des Landes ist Duma, ein Vorort von Damaskus - seit letztem Jahr ist es auch eine Widerstandshochburg.
;) Und das städtische Bürgertum "scheint bis zu einem gewissen Grad schadenfroh auf die Gewalt zu blicken, auf die ländliche Bevölkerung, die sich gegenseitig umbringt". (Sadiq al Azm, FAZ vom 21.02.2012) Klar das es als Regimenutznießer nicht opponiert.
Die syrische Gesellschaft an sich ist dem Vernehmen nach auch religiöser geworden: in Banyas gingen die Massen 2011 wegen einem Niqab-Verbot für Lehrerinnen auf die Straße, welches das Regime erteilte. Bereits 2004 hieß es seitens der ICG, das islamistische Umtriebe bei den ländlichen, aber auch städtischen Unterschichten zunehmen, von salafistischen Umtrieben vor allem in den vernachlässigten ländlichen Bereichen war die Rede. Die Muslimbruderschaft ist seit Hama zwar in Syrien nicht mehr präsent und zumindest ihre Kader sind exiliert, aber laut ICG stecken in der Bevölkerung große Sympathien für sie. Ihren Einfluss auf das Geschehen versucht sie über den SNC geltend zu machen; prominente (Ex-)Unterstützer wie Kamal al-Labwani werfen der Bruderschaft vor, den ganzen Laden übernehmen zu wollen. (Wenn sie es nicht sogar schon haben.)
Weder der Aufstand als solcher noch die Islamisierung sind also vom Himmel gefallen oder verkürzt mit Einflussnahme von außen zu erklären.