@Sophosaurus Das Volk rebelliert, Soldaten desertieren, Libyens Diktator Ghadhafi kämpft um die Macht – und verlässt sich laut Augenzeugen auf Söldner aus dem Ausland. Beat Stauffer, Journalist und Libyen-Kenner, über das brutale Söldner-Geschäft.
Woher kommen die Söldner in Libyen?
Die meisten Söldner kommen aus den Staaten südlich der Sahara: Niger, Tschad, Mali, Sudan. Offenbar sind aber auch Söldner aus asiatischen und europäischen Ländern im Einsatz.
Wie viele Söldner sind zurzeit in Libyen?
Schätzungen gehen von ein paar Tausend bis zu 30'000 Söldnern. Die tatsächliche Zahl bleibt das Geheimnis von Ghadhafi.
Wurden die Söldner in den letzten Tagen rekrutiert, oder waren sie bereits im Land?
Die meisten Söldner in Libyen, die jetzt als eigentliche Killerkommandos agieren, waren bereits im Land. Aber Ghadhafi hat wohl kurz nach dem Sturz von Ben Ali kurzfristig noch zusätzliche Söldner angeheuert, die für ihn die Drecksarbeit machen. Das Söldnertum hat in Libyen eine lange Tradition - ein Unikum in Nordafrika.
Es wurden sicher auch nordafrikanische Immigranten, die bereits lange im Land waren, als Söldner verdingt. Ghadhafi liess sich einst als «König von Afrika» krönen. Damit lockte er viele Menschen nach Libyen, die versuchten der Armut ihrer Heimat zu enfliehen.
Wie spezialisiert sind die Söldner?
Es gibt in Libyen auch Söldner, die als Kampfpiloten im Einsatz sind, die die demonstrierende Bevölkerung aus der Luft beschiessen. Das sind hochspezialisierte Fachkräfte, die vor allem aus dem Libanon und Syrien kommen.
Was ist die Hauptaufgabe der Söldner?
Für Terror auf der Strasse zu sorgen, ist die Hauptaufgabe der Söldner in Libyen. Ghadhafi ist ein unglaublich durchtriebener und brutaler Machtpolitiker. Er weiss, dass es heikel ist, die eigenen Soldaten einzusetzen, um einen Aufstand niederzuschlagen. Denn die Soldaten könnten sich ja weigern, auf die eigenen Leute, auf den eigenen Stamm, zu schiessen. Söldner können die Sprache nicht, kennen das Land nicht und leben vollkommen abgekoppelt von der einheimischen Bevölkerung.
Sind diese Söldner loyal bis zur letzten Kugel?
Die Söldner haben nur eine beschränke Loyalität mit dem Ghadhafi-Regime. Wenn sie eine Möglichkeit finden, um zu flüchten, dann werden sie das im letzten Moment vermutlich tun. Sie machen einen sehr gut bezahlten Job, aber eben nur einen Job.
Damit sind die Söldner nicht die letzte Rettung für Ghadhafi?
Nein, man kann auch nicht mit 30'000 Söldnern, die ausschliesslich als Heckenschützen fungieren, mittelfristig oder gar langfristig ein Regime stützen. Ein Regime kann sich nicht auf eine Killertruppe abstützen.
Die Brutalität der Söldner ist also im Endeffekt kontraproduktiv für's Regime?
Der Söldner-Einsatz ist absolut kontraproduktiv. Es ist ein ähnliches Phänomen wie beim Fall von Tunesien. Die Killerkommandos brachten einen grossen Teil der Bevölkerung gegen das Regime auf - allen voran einfache Soldaten und Polizisten. Die Söldner einzusetzen, war ein kapitaler Fehler von Ghadhafi.