@Leviathan84Leviathan84 schrieb:einen sich stetig steigernden Lebensstandard,
Steigender Lebensstandart ?
Ich bin vor 20 Jahren zum richtigen Deutschland dazugestossen.
Habe 20 Jahre hart gearbeitet. Zeitweise 10 Baustellen beim Aufbau der Telekommunikationsinfrastruktur zugleich geleitet.
Das heißt, bei Problemen draußen auf den Baustellen präsent zu sein, Netz- und Lagepläne erarbeiten, Trassen einmessen und gleichzeitig im Büro den kaufmännischen Teil erledigen.
Das heißt Frühstück mit Notebook auf den Knien, Mittag vergessen und Abends nicht auf die Uhr schauen, Zoff mit der Frau, 20 Jahre lang und Rechnungsaufmaße zu Hause erledigen.
Von 1990 bis 2000 dauerte es, bis der Lohn von anfänglich 75 Prozent auf 100 Prozent (des Westlohnes) gestiegen war. Währenddessen wurde aus Kostengründen schon mal das Urlaubsgeld gestrichen, dann wurde die Arbeitszeit auf 35 Stunden verkürzt (um Arbeitsplätze zu halten) und die Gleitzeit eingeführt. Da schon vorher die Arbeit nicht zu schaffen war und das Stundenkonto auf 90 Stunden im Extremfall begrenzt war, haben viele, ohne dass wir es uns eingestehen wollten, heimlich länger gearbeitet, heimlich sonntags gearbeitet, heimlich im Urlaub gearbeitet , bloß dass uns die Arbeit nicht über den Kopf wachsen sollte. Um die Lohneinbußen, die und durch die vermeintliche 35-Stunden-Woche, die in Wirklichkeit eine 60- Stunden-Woche war, etwas abzufedern, verzichteten wir auf das Weihnachtsgeld und es wurde auf alle Monate verteilt.
Und ständig wurde Personal in Beschäftigungsgesellschaften ausgegliedert und ständig stieg der Druck auf die Verbliebenen und die Arbeit wuchs uns über den Kopf.
So sehr viele in meinem Alter bekamen Herzinfarkte und Schlaganfälle, alle im Urlaub.
Und ständig fielen Zuschläge weg, wurde an Lohnkürzungen gebastelt.
Als 1999 der Netzausbau weitgehend abgeschlossen war, wurde die langjährig völlig vernachlässigte Instandhaltung in Angriff genommen um sie sogleich wieder aus Kostengründen abzuwürgen. Das einzigste, was bei uns anstieg, war die Angst vor morgen - nicht der Lebensstandart.
Lebensstandart, welch ein Unwort !
Ich bin froh, noch zu leben. Wenn ich für überflüssig erklärt worden bin, währendessen meine Arbeit seit drei Jahren liegengeblieben ist und ich schadenfroh weiß, dass das die Vernichtung von Millionenwerten bedeutet.
Ich bin froh, dass ich in Freiheit lebe, nun krank und verbraucht meines Glückes Schmied
mit der Perspektive Hartz4 sein kann und reisen kann, wohin ich will, wenn ich denn das Geld dazu hätte.
Und wie mir ging es 200.000 anderen. und da ich viel rumkam, weiß ich, dass es noch weit aus viel mehr Menschen so ging und weiter so geht.
Ich bin froh, wenn Grünschnäbel über steigenden Lebensstandart schwurbeln.
@Leviathan84 schrieb:
Volkswirte mögen an einer Unterscheidung zwischen Finanzmarkt und Realwirtschaft festhalten und eingedenk dieses gedanklichen Konstrukts gewisse Handlungsempfehlungen ableiten. In der Realität jedoch existiert so etwas nicht.So und hier hört für mich jede Diskussionsgrundlage auf, wenn sogar Leute, mit denen ich nichts gemein habe, wie Bundespräsident Köhler, Bundeskanzlerin Merkel und eben z.B. Arbeitgeberpräsident Kannegiesser eine Spaltung (keine Unterscheidung!) zwischen Finanzmärkten und Realwirtschaft sehen und beklagen.
Etwa in dieser Art:
Die Spaltung des bisherigen Geldes in Tauschmittel
und Spekulationsmittel treibt also nicht
nur den Zins hervor, sondern auch die Spaltung
der Ökonomie in Realwirtschaft und spekulative
Finanzmärkte. Aber es handelt sich dabei nicht
um eine klare Trennung zwischen beiden Sphären,
sondern um ein Ineinandergreifen und eine
vollständige Durchlässigkeit zwischen ihnen, mit
ständig drohenden Übergriffen der einen auf die
andere Sphäre, der Finanzmärkte auf die Sphäre
der Realwirtschaft.
Mit wachsendem Alter und Entwicklungsgrad
einer kapitalistischen Ökonomie und entsprechend
exponentiell wachsenden Geldvermögen
entsteht so etwas wie ein wachsender monetärer
Stauungsdruck für das auf Vermehrung drängende
Geldkapital, das sich zur Befriedigung
seiner Bedürfnisse immer neue Märkte, immer
neue Opfer sucht, mit all seinen Verführungskünsten
und Lockmitteln, nach der Devise: "Und
bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt" –
offene oder strukturelle Gewalt. Und wenn der
Kapitalmarkt für reale Investitionen nicht mehr
genügend Rendite abwirft, dann strömt das Geld
eben immer mehr auf die Finanzmärkte und
treibt die Kurse spekulativ in die Höhe – jederzeit
auf dem Absprung und auf der Suche nach
etwas Besserem, ohne jede längere Bindung und
Verpflichtung, ohne jede Rücksicht auf die Fol–
gen der flüchtigen finanziellen Beziehungen,
und ohne dass ihm die Gesellschaft bislang die
Verantwortung für die Folgen seines Tuns auferlegt.
Die Abfolge von Börsenfieber mit Spekulationsblasen
und anschließendem Kurssturz sind
für mich Ausdruck und Folge eines Geldsystems,
in dem der Wesenskern des Geldes in die Spaltung
geraten ist und in dem sich der Geldfluss
aufzweigt in zwei unterschiedliche, gegensätzliche
und unvereinbare Funktionen: Tauschmittel
einerseits und Spekulationsmittel andererseits
zu sein – das, was ich „monetäre Kernspaltung“
nenne. Diese Spaltung gilt es als problematisch
zu erkennen und zu überwinden.
http://www.berndsenf.de/pdf/ZfSO-156-157-SENF.pdfEs ist mir absolut unverständlich, wie hier von Verteidigern einer Sache, die in die Hose gegangen ist, noch rumgeschwurbelt wird, während selbst in den Spitzen von Staat und Wirtschaft langsam das Problem erkannt wird.
Allerdings dabei die Unfähigkeit demonstrierend, das Problem lösen zu können.
Es geht einzig und allein darum die Marktwirtschaft vor dem Zusammenbruch zu bewahren.
Und das geht schon gar nicht mit dem Verschwurbeln von längst überholten Lehrbuchweisheiten.