@kiki1962 @roydigga wie immer bin ich ein netter User ;-)
Erste Arbeitsmigration
Die Zuwanderung von Arbeitskräften in die Bundesrepublik Deutschland war in den fünfziger Jahren noch vergleichsweise gering. Bis 1959 wurden etwa 50000 Personen vornehmlich italienischer Herkunft angeworben. Aufgrund der expandierenden Wirtschaft und der steigenden Nachfrage nach Industriearbeitskräften folgten 1960 Anwerbeverträge mit Griechenland und Spanien. Die Arbeitszeitverkürzung auf 45 Stunden, verlängerte Ausbildungszeiten, der Bau der Mauer, durch den der Übersiedlerstrom aus der DDR abriss, sowie der Eintritt der geburtenschwachen Kriegsjahrgänge ins Erwerbsleben führten zu einem Rückgang des inländischen Arbeitskräfteangebots. Deshalb wurden bereits 1961 weitere Anwerbeverträge mit der Türkei und später mit Portugal, Tunesien, Marokko und schließlich 1968 mit Jugoslawien unterzeichnet.
Die Abkommen boten einen allgemeinen Rahmen zur Anwerbung von Arbeitskräften in den genannten Staaten, die extra zu diesem Zweck Vermittlungsbüros einrichteten. Die deutschen Unternehmen meldeten ihren Arbeitskräftebedarf, woraufhin geeignete Bewerberinnen und Bewerber ausgewählt und an diese vermittelt wurden. Dabei ging die deutsche Seite davon aus, dass die Angeworbenen nach einer bestimmten Zeit in ihre Heimat zurückkehren würden.
Das „Abkommen zur Anwerbung türkischer Arbeitskräfte für den deutschen Arbeitsmarkt” wurde am 31. Oktober 1961 zwischen der Türkei und Deutschland geschlossen. In diesem Jahr lag die Zahl der gemeldeten offenen Arbeitsstellen um die 500000, dem standen nur circa 180000 als arbeitslos gemeldete Deutsche gegenüber. Als aufgrund der Ölpreisexplosion 1973 eine wirtschaftliche Rezession einsetzte, nahm der Arbeitskräftebedarf stark ab, und so verfügte die Bundesregierung im November 1973 einen Anwerbestopp. Damals lebten 910500 Türken in Deutschland. Eine erste Welle der Remigration hatte bereits während des Konjunkturrückgangs von 1966/67 stattgefunden. Da es in der Türkei aber kaum Möglichkeiten zu wirtschaftlichem Fortkommen gab, bemühten sich viele der Remigranten um eine Rückkehr nach Deutschland.
Familienzusammenführung
Ziel des Anwerbestopps war es, langfristig die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte in Deutschland zu verringern. Dies wurde nicht erreicht. In den Jahren zuvor hatte den türkischen Arbeitsmigranten die Möglichkeit offen gestanden, auch nach einer Rückkehr in ihre Heimat wieder nach Deutschland zurück zu kommen. Nun gab es nur noch die Wahl, entweder für immer zurückzukehren oder auf längere Sicht in der Bundesrepublik zu bleiben. Zudem hatten sich zu diesem Zeitpunkt die Planungen von Arbeitgebern und Arbeitsmigranten gleichermaßen verändert: Die deutsche Wirtschaft wollte die gerade angelernten Arbeitskräfte nicht durch neu eingereiste, ungelernte Kräfte ersetzen.
Gleichzeitig erwies sich die Vorstellung der türkischen Migranten, nach einer gewissen Zeit wieder in die Türkei zurückzukehren und ihre Ersparnisse dort zu investieren, als schwieriger durchführbar als vermutet. Die erwirtschafteten Mittel reichten für eine sorgenfreie Existenz nicht aus. Da sich ein längerer Aufenthalt in Deutschland abzeichnete, holten viele türkische Migranten ihre Familien nach. Sie konnten sich dabei auf internationale Abkommen stützen, die das Recht von Wanderarbeitern auf Familie festschreiben, wie zum Beispiel Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention oder Art. 9 der Europäischen Sozialcharta.
Rückkehrförderung
Zum Teil kamen über 200000 Familienmitglieder pro Jahr in die Bundesrepublik, bis im Dezember 1981 das Familienzusammenführungsalter von 18 auf 16 Jahre herabgesenkt wurde. In den achtziger Jahren pendelte sich die Zahl der in der Bundesrepublik lebenden türkischen Minderheit bei circa 1,5 Millionen ein, ab Anfang der neunziger Jahre wuchs sie auf heute 2,4 Millionen Türkischstämmige. Davon sind rund 400000 bereits eingebürgert.
Um finanzielle Anreize für die Rückkehr zu schaffen, verabschiedete der Bundestag am 28. November 1983 das „Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern”, das rund 250000 ausländische, meist türkischstämmige Personen in den Jahren 1983 und 1984 zur Heimkehr bewegte. Das Gesetz wurde nicht nur aus ökonomischen Erwägungen verabschiedet, sondern auch, weil der türkischen Minderheit die Fähigkeit abgesprochen wurde, sich in ein christlich geprägtes westeuropäisches Land zu integrieren.
Über die menschlichen und ökonomischen Folgen der Rückkehr erfuhr die deutsche Bevölkerung nur wenig. Für viele Kinder, die einen großen Teil ihrer Schulzeit in Deutschland verbracht hatten, war die Rückkehr ein Abschied für immer, da sich die Familien verpflichten mussten, im Familienverband und ohne Möglichkeit eines erneuten Zuzugs in die Bundesrepublik auszureisen. Familien, die jahrelang in Westdeutschland gearbeitet hatten, bekamen nur das ausgezahlt, was sie im Laufe der Jahre selbst in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hatten. Der Arbeitgeberanteil wurde einbehalten, und die Rückkehrer verzichteten auf spätere Rentenansprüche.
Dies bedeutete für viele eine folgenschwere Entscheidung, zumal die Modelle zur Eingliederung der ehemaligen Arbeitsmigranten in der Türkei Misserfolge waren. Hierzu gehörten auch die Arbeitnehmergesellschaften, die in Deutschland für eine erfolgreiche Reintegration in die Türkei konzipiert wurden. Die Remigranten sollten einerseits in ihnen Arbeitsplätze finden, und zum anderen sollten sie zu Teilhabern dieser Unternehmen werden. Aus unterschiedlichen Gründen scheiterten die Arbeitnehmergesellschaften innerhalb weniger Jahre.
Die in Deutschland verbleibenden Türken, die Mehrzahl der türkischen Migranten, richteten sich indessen fest im Land ein. Die Rückkehrabsicht wurde, inzwischen aber eher als eine bloße Willensbekundung, von vielen noch immer aufrecht erhalten, mitunter dankbar aufgenommen von der deutschen Gesellschaft, da sie das Fehlen von Integrationsangeboten entschuldigte.