Kapitalismus - Die Ausgeburt der Hölle
05.08.2015 um 12:39Fedaykin schrieb:Und das ist abhängig von der Wirtschaftsordnung.Bin mal gespannt, wann es endlich gelingt, das ernsthaft nachzuweisen. Die vielen aus dem Zusammenhang gerissenen Behauptungen werden dem Gesamtbild in keinster Weise gerecht.
Fedaykin schrieb:aber Thema erledigt.Ist erst dann erledigt, wenn es auch wirklich erledigst ist, nicht wenn du es mal wieder einfach so behauptest.
Dass es bei weitem nicht erledigt ist, zeigen zB. solche Kritiken.
Marktwirtschaft
Eine funktionierende Marktwirtschaft ist ein geradezu geniales System der Steuerung der Produktion, Verwendung und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen.
In der Theorie sorgt eine Vielzahl von annähernd gleichstarken Anbietern, dass man prinzipiell nur durch Neuerungen und Verbesserungen des Angebots auf Dauer Gewinn erzielen kann. Auf der Gegenseite gibt es so viele Nachfrager annähernd gleicher Kaufkraft, dass keiner seinen Kunden oder Lieferanten erpressen kann. Der Zustand vollständiger Information aller Marktteilnehmer sorgt dafür, dass niemand irrtümlich handelt oder übervorteilt werden kann.
Das Problem ist leider, dass selbst dann, wenn die Welt nur aus gutwilligen und fairen Partnern bestehen würde, dieser Idealzustand niemals erreicht werden kann. Es handelt sich um ein rein theoretisches Modell, tauglich allerdings für Feststellungen über den Grad der Abweichungen einer real existierenden Marktwirtschaft vom Idealfall und für Hinweise zu ihrer ständigen Verbesserung.
Die Aufrechterhaltung eines optimalen Zustandes der Marktwirtschaft ist Aufgabe des Staates. Gesetze sind notwendig, um den Drang des Kapitals nach marktbeherrschenden Stellungen, nach Lohndumping, nach Verbrauchertäuschung, Steuerhinterziehung und hemmungsloser Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in Grenzen zu halten.
Der erste Theoretiker der Marktwirtschaft, Adam Smith, hat bereits 1776 erkannt und beschrieben, dass es keine größeren Gegner des marktwirtschaftlichen Systems gibt, als die Unternehmer. „Leute aus demselben Gewerbe“, schreibt er, „treffen selten zusammen – und sei es zum Frohsinn und zur Erholung – ohne dass die Unterhaltung mit einem Komplott gegen die Allgemeinheit oder mit einem Plan zur Erhöhung der Preise endet.“
Je mehr sich ein Staat auf moralische Appelle, freiwillige „compliance“-Regeln verlässt und auf Selbstbeschränkung und Selbstregulierung hinausredet, um so mehr wird offenbar, wie abhängig er bereits vom Kapital ist.
Staat
Dem Kapitalismus soziale Schranken zu setzen und eine funktionierende Marktwirtschaft zu sichern, ist Aufgabe des Staates. Nicht etwa ein linker Ökonom, sondern der erzliberale Alexander Rüstow fordert „einen starken Staat, einen Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb der Interessenten, da, wo er hingehört.“
Ein solcher Staat soll dafür sorgen, dass Gewinnmaximierung im Rahmen rechtsstaatlicher und sozialverträglicher Grenzen möglich ist und die Funktionsfähigkeit der Märkte soweit als irgend möglich gewährleistet oder durch staatliche Organisationen (z.B. des Gesundheitswesens, des Bildungssystems, der Arbeitslosigkeits- und Altersvorsorge usw.) substituiert wird.
Lenin hat darüber gelacht, und wie Karl Marx den bürgerlich-demokratischen Staat als dazu unfähig, weil schieres Werkzeug der Kapitalisten angesehen und den Weg der Revolution gewählt. (Das Ergebnis ist bekannt, wobei allerdings nicht zu übersehen ist, dass auch eine ursprünglich kommunistische, autoritäre Staatsmacht in der Lage ist, für eine phänomenale ökonomische und soziale Entwicklung zu sorgen.)
Wenn jedoch – im Gegensatz und als Widerlegung der pessimistischen Einschätzung von Marx und Lenin – der Staat in einer freiheitlichen und sozialen Demokratie seinen ökonomischen Aufgaben gerecht werden will, muss er unabhängig und bereit sein, rational im Sinne des Allgemeinwohls zu handeln.
Er muss entscheiden können, wie – grosso modo – das wirtschaftliche Ergebnis zustande kommen und zwischen Investition und Konsumtion aufgeteilt werden soll. Das eine wirkt sofort auf Wachstum und Ressourcenverbrauch und das andere auf dem Umweg über steigende Kaufkraft. Man nennt das makroökonomische Steuerung.
Die fortwährende Kampagne der Unternehmer, Löhne, Steuern und Abgaben ausschließlich als Produktionskosten zu sehen und ihre Einkommen, d.h. Nachfrage generierende Wirkung zu ignorieren, ist kurzsichtig und führt zu wirtschaftlichen Krisen, ausgelöst durch ein Missverhältnis zwischen den vorhandenen Produktionskapazitäten und der wirksamen, mit hinreichend Kaufkraft ausgestatten Nachfrage des Staates und der privaten Haushalte. Über kurze Phasen hinweg kann der Außenhandel über die Schwächen der Binnennachfrage hinweg helfen. Eine Wirtschaftspolitik zur dauerhaften Erringung der „Exportweltmeisterschaft“ durch Kostensenkungen im Bereich der Löhne und Steuern freut zwar nicht nur die Exportindustrie, sondern alle davon profitierenden Unternehmen, führt jedoch durch die wachsende Verarmung privater Haushalte und des Staates auch ohne Spekulations- und Bankencrash zwangsläufig zur Krise des gesamten Systems.
Die Situation in Deutschland ist seit der „Agenda 2010“ der Regierung Schröder und erst recht seit dem Antritt der schwarz-gelben Regierung gekennzeichnet durch eine nahezu grenzenlose Willfährigkeit gegenüber kurzsichtigen Kapitalinteressen und deren Kostensenkungs- und Deregulierungskampagnen. Nationalstaat und Europäische Union schieben sich wechselseitig die Verantwortung für die „Alternativlosigkeit“ einer solchen Wirtschaftspolitik zu: Auf der einen Seite wird behauptet, nationale Regelungen seien wirkungslos, auf der anderen Seite kann man sich leider nur im Grundsatz, nie aber im Detail einigen. Da hier wie dort die Kapitalinteressen dominieren, ist es keine Übertreibung, hierin ein abgekartetes Spiel zu sehen.
Weder die Gewerkschaften noch die politische Linke haben es bisher vermocht, den positiven Wirtschaftseffekt höherer Löhne und angemessener Steuern überzeugend darzustellen. Der dominierende rechte Flügel innerhalb der SPD hat eine solche Diskussion gar nicht erst aufkommen lassen.
Das Heil des kapitalistischen Deutschland wird unverändert darin gesehen, den Exportüberschuss auf Kosten einer zunehmenden Verarmung privater Haushalte und steigender Staatsverschuldung in immer größere Höhen zu treiben.
Den Gipfel des ökonomischen Irrsinns und der sozialen Unmoral stellt derzeit das so genannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz dar, womit Steuergeschenke durch höhere Staatsschulden kompensiert werden.
Ein Ausweg ist vorläufig nicht abzusehen.
Der Kapitalismus dominiert. Die Hörigen der Finanzwirtschaft, der Konzerne und Verbände haben in allen Parlamenten die Mehrheit.
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Fedaykin schrieb:Denn das konnte der Sozialismus offensichtlich nicht leisten.Offensichtlich doch. Wurde doch gestern weit und breit belegt. Auch wenn er -und das aus verschiedenen vielfältigen Gründen- den Weststandard ab den Siebzigern nicht ganz erreicht hatte, aber im Weltvergleich durchaus seinen Platz hatte.