Was sagt ihr zum Thema Globalisierung??
05.04.2014 um 07:20
Ob Globalisierung gut oder schlecht ist möchte ich nicht bewerten. Was ich zur Antwort beitragen kann ist ein Situationsbericht aus der Sicht eines Expats, welcher sich mit der Ansicht aller anderen Expats mit denen darüber diskutiert wurde deckt.
Es ist z.B. in Asien üblich das es in den größeren Städten internationale Gaststätten gibt, - und das sich regelmäßig dort angesiedelte oder zurzeit arbeitende Experten, Consultants, Unternehmer, Projektleiter, Bauleiter, Supervisoren, Techniker, Ingenieure, etc., zum monatlichen internationalen Stammtisch treffen. Dort sitzen nicht nur Deutsche, sondern auch Engländer, Italiener, Franzosen, Amis, etc.
Zirka 90% dieser Leute sind im Maschinenbau (Fertigung, Installation und Inbetriebnahme) und dem dazu gehörigen Bereich Automatisierung (in der Regel fast ausschließlich Inbetriebnehmer, Softwarespezialisten und Zulieferer) tätig. Dazu noch ein paar Technologen (hauptsächlich im Bereich Prozess & Material) und Produktionsleiter.
Man trifft also und arbeitet mit Leuten von Siemens, SVAI, ABB, Ferrostahl, Thyssen Krupp, SMS-Siemag, Danieli – um nur die größten europäischen Firmen zu nennen, - denn dazu kommen hunderte europäische und US Traditionsunternehmen, welche an den Großprojekten teilhaben, oder eigene kleinere Projekte selber durchführen. Die Projekte bewegen sich in einem Umfang von 10 Millionen bis 1 Milliarde Euro.
Natürlich gibt es in Fragen der Technik viele unterschiedliche Meinungen, doch ist man sich in den grundsätzlichen Dingen, bezüglich der Probleme der Firmen - insbesondere in China (!) - weitgehend einig, bzw. haben und berichten unterschiedliche Leute aus unterschiedlichen Firmen gleiche oder ähnliche Erfahrungen.
Ich fasse meine Erfahrungen, die sich mit anderen decken, mal kurz zusammen (für Deutschland – aber das Gleiche gilt weitestgehend auch für ausländische Firmen):
Deutsche Firmen haben früher fast ausschließlich in Deutschland selber gefertigt und/oder die Fertigung an andere deutsche Firmen unter- vergeben. Mit der Zeit musste man - um billiger zu werden - Fertigung immer mehr ins Ausland verlagern. Da gibt es viele Länder – aber ich möchte mich mal auf China konzentrieren – am Beispiel von Warmwalzanlagen, CSP Anlagen, Kaltwalzwerken, Folienwalzwerken, Prozesslinien – für den Bereich Stahl und Aluminium.
Als ich Mitte der 90er das erste Mal da war, wurden die zum Anlagenbau benötigten Teile, inklusive Elektroausrüstung und Automatisierung, noch alle aus Deutschland oder Europa geliefert.
Im Laufe der Jahre hat man mehr als 95% der Fertigung nach China verlagert, bzw. die Teile von chinesischen Fertigungsfirmen fertigen lassen.
Die deutschen Firmen haben dort Niederlassungen (s. Z.B. Siemens China, ABB China, Ferrostahl, SMS-Siemag, Thyssen Krpp, etc.) gegründet.
Die Niederlassungen sind zwar noch von Deutschen geführt, aber die meisten Mitarbeiter sind Chinesen, bzw. ist in den Fällen die ich kenne das Verhältnis ca. 1 zu 20, bzw. kommen auf einen Deutschen oder Europäer 20 Chinesen.
Die deutschen Mitarbeiter dort und auch auf den Baustellen bilden die Chinesen aus. Zwar ist das nicht offiziell, bzw. sind alle nur Mitarbeiter in einem Team – aber der Wissensfluss von D nach C findet unaufhörlich durch die „gemusste“ enge Zusammenarbeit statt.
2010 war es bereits soweit das ABB China angekündigt hat keine „Ausländer“ (in diesem Falle Europäer) mehr einsetzen zu wollen, bzw. die Inbetriebnahme von deutschen Anlagen nur noch mit Chinesen durchführen zu wollen.
Natürlich sendet der deutsche Lieferant dann noch 1-2 Leute zur Überwachung der Inbetriebnahme – aber der Irrwitz dieser Maßnahme ist, das diese Leute auf Fehler hinweisen müssen und auch erklären müssen wie es besser/richtig gemacht wird, und man somit den chinesischen Inbetriebnehmer wiederum nicht nur schlauer macht – sondern das man auch für deren Arbeit rein rechtlich gesehen die Verantwortung übernimmt, da alle Anweisungen in Meetings schriftlich dokumentiert werden.
Doch damit nicht genug, - denn mittlerweile ist man soweit das man auch chinesische Qualitätsabnehmer für die Abnahme des in China gefertigten deutschen Designs einsetzt. Natürlich gibt es deshalb viele Qualitätsprobleme, da chinesische Fertiger es leichter haben chinesische Qualitätsabnehmer unter Druck zu setzen oder zu bestechen als Europäische, um ggf. niedrigere Qualität durchzuwinken, bzw. mit dem Abnahmeprotokoll zu akzeptieren.
Besser gesagt: Qualitätsprobleme sowie Lieferverzug durch nicht kontrollierbare chinesische Fertiger sind an der Tagesordnung und fallen auf den Lieferanten zurück, da der Endkunde die durch chinesische Fertigungsfirmen verursachten Probleme an den Lieferanten zurück gibt.
Das verursacht wiederum Mehrkosten – und ich könnte wetten (ich weiß es also nicht wirklich – bin mir aber sehr sicher) das am Ende es fast genauso teuer wird als wenn man in Europa hätte fertigen lassen – wo man noch Kontrolle auf den Fertiger ausüben kann, sowie man rechtlich viel besser abgesichert ist.
Die großen Fertiger – China First and Second Heavy (Fertigungsfirmen mit den Ausmaßen einer Kleinstadt, die viele Deutsche erschauern lassen würden wenn sie da mal reinkämen, bzw. überhaupt davon wüssten)– haben eine Macht die weit über der ihrer weltweiten Auftragsgeber steht, bzw. machen die mit denen im Prinzip was sie wollen – und nicht umgekehrt.
Aber das ist nicht genug. Nun ist man bereits soweit das man selbst die hydraulische Ausrüstung (früher und natürlich teilweise immer noch Rexroth und Moog) nicht mehr liefert – sondern den Chinesen hydraulische Diagramme und Stücklisten zukommen lässt. Die Chinesen fertigen dann Pumpstationen und Ventilstände selber und kaufen die Ventile in den USA (Vickers).
Ich selbst habe bereits 1 zu 1 Kopien deutscher Walzwerke gesehen, die gut getarnt in Firmen gefertigt werden, wo man es nicht erwartet, und z.B. nach Arabien und Indien, Südkorea, die USA, Thailand, Kenia, Indonesien und Japan verkauft werden.
Ist doch klar das wenn man dort fertigt man denen auch Fertigungszeichnungen, Materialeigenschaften, etc., - eben Know How – zukommen lässt – und wenn man sie dann auch noch lehrt wie man die Anlagen in Betrieb zu setzen hat – sowie Zweigstellen im Land hat wo z.B. Software entwickelt wird, - ist es kein Wunder das die nun anfangen mit Kopien unserer Technik auf den Markt zu kommen.
Und eins scheint unserem Top-Management überhaupt nicht klar zu sein, nämlich das der chinesische Mitarbeiter nicht solch eine Loyalität zur Firma hat wie z.B. viele Deutsche – besser gesagt, er sein bei der deutschen Niederlassung erworbenes Know How, ggf. ohne jeglichen Skrupel zu einer chinesischen Konkurrenzfirma bringen wird – wenn er es kann.
Übrigens spielt sich das Gleiche auch in Indien ab – nur ist der Inder nicht so schlau und organisiert wie der Chinese.
Was ich beobachte ist der Ausverkauf von deutschem Know How – und insbesondere auf diesem Sektor wird man das in den nächsten Jahren in Deutschland schmerzlich bemerken müssen.