Nachdem man sich hier ja immer den Vorwurf anhören muss, dass die Deutschen, oder besser gesagt Deutschland, an dem Integrationsproblem der Türken selbst Schuld wäre, weil man von Anfang an die Segregation forciert hätte, habe ich mich meinem Hobby des Lesen intensiv in dieser Problematik gewidmet und will jetzt mal, zu der mittlerweile verklärten (Selbst)Schulzuweisung, eine Gegendarstellung beschreiben.
Beginnen wir mit den auf das Türkentum selbstkritischen Worten des Orhan Pamuk:
Wir sind anders! Wir bleiben anders! Und das ist auch gut so!
In der Zeit der Arbeitsmigration der Türken (1962-1973) kam zu uns Menschen, die aus dem unterentwickelten Osten und Süden der Türkei stammten. Diese völlig verarmten und ungebildeten Menschen hatten zumeist schon eine Binnenmigration innerhalb der Türkei hinter sich, wo sie unter einfachsten Bedingungen hausten und unter sehr, sehr schlechten Bedingungen für weniger als einen Hungerlohn arbeiten mussten. Darin lag eben auch die überaus große Attraktivität, für eine kurzweilige Arbeitsmigration nach Deutschland.
Und Kurzweiligkeit ist dann auch direkt das nächste Stichwort.
Eigentlich hatte der Arbeitsmigrant nämlich nur eine kurzweilige Aufenthaltsdauer in Deutschland geplant. Man dachte da so an zwei oder drei Jahre; halt nur so lange, wie man dachte innerhalb dieser kurzen Zeit genügend Geld verdienen zu können, um sich dann in der Türkei eine Existenz sichern zu können.
Und so dachte auch der deutsche Staat…denn weder suchte der deutsche Staat neue Staatsbürger, was für ein Einwanderungsland ja typisch wäre, noch beabsichtigten die Gastarbeiter ihre Bindung zu Kultur und Heimat aufzugeben. Also stellten die Betriebe, welche die Gastarbeiter benötigten, Unterkünfte zur Verfügung die nach hiesigen Stand unterste Schicht waren, aber im Vergleich zu dem gewohnten schon eine Verbesserung für die meisten bedeutete. Man wollte den Gastarbeitern ja keinen Kulturschock aussetzen und wollte auch nicht, dass sich dieser heimisch fühlt.
Dann kam die Rezession in Deutschland Anfang der siebziger Jahre und damit wurde dann auch offiziell dem Anwerbestopp stattgegeben.
Zu dieser Zeit, als die Gastarbeiter erkannten dass das schnelle Geld eine Illusion war und man wesentlich länger brauchen würde um das Sparziel zu erreichen, begann dann der Familiennachzug und da seinerzeit der Nachzug für Frauen leichter war, ließ man die Kinder zunächst bei Verwandten zurück. Beispielhaft zwei Auszüge aus Erzählungen von Türkinnen:
„Nach zwei Monaten fanden meine Eltern durch die Vermittlung eines Bekannten aus unserem Dorf eine Einzimmerwohnung in Wedding. Die Gemeinschaft funktionierte auch in der Migration. Es gab in Berlin ganze Straßenzüge, in denen Menschen aus dem gleichen Dorf leben, zuweilen wie eine Kopie der Anordnung ihrer Häuser auf dem Dorf (...)
(Seyran Ates)
1970 holten die Eltern die Kinder nach und mieteten in dem Haus zusätzliche Zimmer. Nach und nach zogen weitere Verwandte und Bekannte aus der Heimat in das Haus und die benachbarten Gebäude ein.
„Das Haus war sehr alt, eigentlich bruchreif, aber billig und das war entscheidend. Denn jeder Pfennig wurde gespart und unnötige Ausgaben vermeiden, weil meine Eltern das Ziel vor Augen hatten, eines Tages in die Türkei zurückzukehren. Unnötig war alles, was man nicht mitnehmen konnte, eine Wohnung also oder Tapeten an den Zimmerwänden“
(Necla Kelek)
Von einem Wegdrängen der Gastarbeiter die nunmehr zu Migranten wurden, kann also nicht wirklich die Rede sein denn auch Sen F. hat bestätigt, dass durch die Orientierung an eine Rückkehr bei den Türken vor allem das Sparen von Geld bei der Wohnungswahl entscheidend war (Gutachten des Zentrum für Türkeistudien für die Unabhängige Kommision „Zuwanderung“. Und die Wohnungen wurden in aller Regel durch Verwandte vermittelt und glichen eher Bauplätzen, wie man sie aus der Türkei durch die Gecekondu-Siedlungen gewohnt war.
Und jetzt beginnt das Problem der ethnisch verdichteten Viertel, wobei Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt nur eine marginale Rolle spielten.
Die erwähnten Sparziele zur immer im Hinterkopf umherrschwirrenden angestrebten Rückkehr paarten sich nun mit dem Vorteil die eigene Verwandtschaft und Landsmannschaft in direkter Umgebung zu haben. Man empfand es als angenehm die gleichen Verhältnisse wie in der Türkei um sich zu haben und war froh, von der kulturell fremden einheimischen Bevölkerung getrennt zu sein.
„Die Freundschaften mit den Deutschen hatten meine Eltern beendet, als die ersten Türken in die kleine Stadt zogen. (…) Man musste sich nicht mehr um Kontakte zu den Deutschen bemühen, und sich nicht mehr mit der deutschen Sprache quälen. Ohnehin gab es in unserer kleinen Stadt inzwischen genügend Landsleute, mit denen man sich treffen, mit denen man feiern und mit denen man sich so viel leichter verständigen konnte.“
(Necla Kelek)
Dadurch, dass mittlerweile in einigen Gegenden so viele Menschen aus dem eigenen Dorf und der eigenen Kultur lebten, wurde der Kontakt zur einheimischen Bevölkerung quasi überflüssig und man konnte seine gewohnten Lebensweisen weiterführen. Ein großer Teil widersetzte sich also der Integration, grenzte sich ab und erschwerte somit auch die Integration der Kinder, sowie der Integrationsbereiten.
Weiter schreibe ich gleich oder so