Türkische Verbände lehnen Integration ab
11.07.2007 um 11:34
2. INTEGRATIONSKURSE
Nach geltendem Recht, § 44 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, hat dieAusländerbehörde den Ausländer, der seiner Teilnahmepflicht aus selbst verschuldetenGründen nicht nachkommt, auf die Auswirkungen (Aufenthaltsrecht) hinzuweisen. Neuaufgenommen wird in Satz 1 eine Hinweispflicht auch bei einem nicht erfolgreichabgelegten Abschlusstest.
Nach dem neuen Satz 2 kann die Ausländerbehörde mit demMittel des Verwaltungszwangs den Ausländer zur Teilnahme anhalten.
Sogar derBezug von (rechtmäßigen) sozialen Leistungen wird als Grund für Teilnahme an einemIntegrationskurs angesehen (§ 44 Abs. 1 Satz 2).
Wir befürworten die Ausweitungder Deutschkurse. Integrationsprozesse sind aber nicht mit der Keule der Strafandrohungoder Drohung zur Aufenthaltsbeendigung zu gestalten, sondern müssen durch Inhalteüberzeugen. Die Integrationskurse dürfen nicht zu einer Sanktionsmaschinerie degradiertwerden. Anstatt mit Sanktionen zu drohen, sollten diejenigen, die mit Erfolg diese Kurseabsolvieren, viel früher eine Niederlassungserlaubnis erhalten und schneller eingebürgertwerden.
Nach unserer Überzeugung waren schon die bislang möglichen Hinweis- undSanktionsmöglichkeiten der Ausländerbehörden überflüssig.
3. DATENÜBERMITTLUNG UNDDATENSCHUTZ
Nach der Ergänzung des § 87 Abs. 2 sollen öffentliche Stellenunverzüglich die zuständige Ausländerbehörde unterrichten, wenn sie im Zusammenhang mitder Erfüllung ihrer Aufgaben Kenntnis von einer besonderen Integrationsbedürftigkeiterlangen.
Mit der vorgeschlagenen Übermittlungsvorschrift soll – so dieBegründung – § 87 Abs. 1 ergänzt werden, um damit den Ausländerbehörden dieMöglichkeit zu geben, integrationsbedürftigen Ausländern, „die die Ausländerbehördegar nicht im Blick hat“ zur Teilnahme an einem Integrationskurs zu verpflichten.
Wir lehnen diese Soll-Vorschrift zur Übermittlung von Daten zur„Integrationsbedürftigkeit“ öffentlicher Stellen an die Ausländerbehörden ab.
• Die Anforderung zur Übermittlung von Daten setzt voraus, dass dieöffentlichen Stellen beurteilen müssen, ob ein ausländischer Staatsangehörigerintegrationsbedürftig ist. Fraglich ist, ob öffentliche Stellen (z. B. Meldebehörden,Jugendämter) beurteilen können, ob der Ausländer die Anforderungen sich auf einfache Artmündlich zu verständigen zu können, erfüllt oder nicht.
• Zudem hebt dieBegründung nicht nur auf das Vorhandensein direkter Kontakte ab, wie sie beispielsweisezwischen Job-Centern und Arbeitssuchenden bestehen, sondern auch auf mittelbare Kontakte.Auch bei Erkenntnissen über eine mögliche Integrationsbedürftigkeit von Elternausländischer Kinder wären beispielsweise Kindergärten und Schulen aufgefordert, zu denSprachkompetenzen der Eltern Stellung zu beziehen. Damit würden die Bildungseinrichtungenzum Erfüllungsgehilfen der Ausländerbehörden. Voraussetzung für eine gute Kooperationzwischen Lehrern und Eltern ist aber das Vorhandensein von Vertrauen. Dieses wird mit derRegelung in nicht zu akzeptierender Weise beschädigt.
4. AUSWEISUNG
DasGesetz erweitert die Möglichkeiten der Ermessensausweisungen. Darin erkennen wir einLeitbild deutscher Integrationspolitik, das die Eingewanderten nicht als Bestandteilunserer Gesellschaft begreift, sondern als eine Gruppe, derer man sich bei Problemenentledigen kann.
Danach kann ausgewiesen werden, wer auf Kinder und Jugendlicheeinwirkt, um Hass gegenüber anderen ethnischen Minderheiten zu erzeugen, eine anderePerson von der Teilnahme am wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichem Lebenabhält oder eine andere Person zur Ehe nötigt (§ 55 Abs. 2 Satz 9 bis 11).
Wirsind der Überzeugung, dass die Möglichkeit zur Ermessensausweisung denkbar ungeeignetist, rassistische Verhaltensweisen, häusliche Gewalt und Zwangsverheiratungen zubekämpfen. Möglicherweise will die Bundesregierung mit diesen Verschärfungen gegenüberder Mehrheitsgesellschaft ihre Handlungsfähigkeit deutlich machen. Dies kann aber –wie aus der Vorurteilsforschung bekannt – auch einen gegenteiligen Effekt haben undfremdenfeindliche Vorurteile und Vorbehalte legitimieren.
5. ÄNDERUNG DESSTAATSANGEHÖRIGKEITSRECHTS (STAG)
• Mit der Änderung in § 9 Abs. 1 StAG wirddie bisherige Privilegierung von Ehegatten und Lebenspartnern deutscher Staatsangehörigergegenüber den übrigen Einbürgerungsbewerberinnen und -bewerbern aufgehoben. Nach derNeuregelung müssen sie ebenfalls über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (§ 10Abs. 1 S. 1 Nr. 6 und Abs. 4) verfügen.
Wir lehnen diese Verschärfung derEinbürgerungsvoraussetzungen für Ehegatten deutscher Staatsangehöriger ab. Sie ist– wie auch die Verschärfung der Voraussetzungen für den Nachzug – wederintegrationspolitisch geboten noch sinnvoll und führt zu unterschiedlichenRechtsstellungen in der Familie.
• Unterhaltsfähigkeit
Mit der Änderungin § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 wird die bisherige Erleichterung für jungeEinbürgerungsbewerberinnen und -bewerber, die das 23. Lebensjahr noch nicht vollendethaben, aufgehoben. Damit gilt auch für diesen Personenkreis, dass der Lebensunterhalt fürsich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme vonLeistungen des Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gesichert sein muss.Ausgeschlossen werden sollen, so die Begründung, junge Erwachsene von derAnspruchseinbürgerung, die sich nicht um Ausbildung oder Beschäftigung bemüht haben. Inder Begründung heißt es weiter, dass Personen dieser Altersgruppe weiterhin den Anspruchauf Einbürgerung behalten, „wenn sie wegen mangelndem Ausbildungs- oderArbeitsplatzangebot oder schwieriger beruflicher Situation den Bezug von staatlichenLeistungen nicht zu vertreten haben“.
Aus unserer Sicht ist die Streichungder erleichterten Einbürgerung für junge Erwachsene ein integrationspolitisch falschesSignal. Der Versuch der in der Begründung vorgenommen Eingrenzung auf einen bestimmtenPersonenkreis ist nicht ausreichend für eine Klarstellung, enthält sie doch einenerheblichen Bewertungs- und Beurteilungsspielraum.
•Sprachkenntnisse
Gegenüber dem bisherigen Recht werden mit dieser Änderung dieAnforderungen an die Deutschsprachkenntnisse erhöht (mündliche und schriftliche Prüfung).Gemäß den Erläuterungen zum Staatsangehörigkeitsrecht des Bundes liegen ausreichendeKenntnisse der deutschen Sprache vor, wenn sich der Einbürgerungsbewerber oder dieEinbürgerungsbewerberin im alltäglichen Leben, einschließlich der üblichen Kontakte mitBehörden, in seiner deutschen Umgebung sprachlich zurecht finden und mit ihm seinem Alterund Bildungsstand entsprechend ein Gespräch geführt werden kann. Dies beinhaltet auch dieFähigkeit, einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens zu lesen, zu verstehenund die wesentlichen Inhalte mündlich wiederzugeben. Nicht ausreichend war nach geltendemRecht die Fähigkeit, sich auf einfache Art mündlich verständigen zu können."