Nicht nur in Gaza gibt es Korruption:
Die Hilfsgelder helfen nicht nur den armen Palästinensern, um ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern:
Ramallahs korrupte Potentaten
Bisher geht die Autonomiebehörde zaghaft gegen Vetternwirtschaft vor. Nun gerät ein Arafat-Günstling ins Visier
Mohammed Dachlan übte scharfe Kritik am Präsidenten. Jetzt schlägt der Apparat zurück
Antikorruptionsbehörde musste ihre Untersuchungen offenlegen: Gegen drei Minister wird ermittelt
Die Nachbarn dachten zunächst, die israelische Armee sei in ihren Stadtteil eingedrungen, um jemanden festzunehmen. Doch es war ein schwer bewaffnetes Einsatzkommando der palästinensischen Polizei, das im Morgengrauen eine eindrucksvolle Villa im Al-Tirah-Stadtteil von Ramallah stürmte. Einige Polizisten seien sogar als Müllmänner der Stadtverwaltung verkleidet gewesen, wird sich ein Nachbar später erinnern. Mindestens ein Schuss sei gefallen, einige Minuten später hätten die Männer damit begonnen, Waffen, Aktenordner und Computer aus dem Haus zu tragen.
Mohammed Dachlan, einst einer der mächtigsten Männer in der Palästinenserregierung und bis zur Machtübernahme der Hamas im Sommer 2007 der starke Mann der Fatah-Partei im Gazastreifen, war zu der Zeit in einem Zimmer seiner Villa eingeschlossen. Dachlan, der als Mitglied des palästinensischen Legislativrates parlamentarische Immunität genießt, sei nicht das Ziel der Aktion gewesen, wird Adnan Admiri, ein Polizeisprecher, später sagen. "Die Aktion richtete sich gegen Personen, die des illegalen Waffenbesitzes verdächtigt wurden." Es seien deshalb zwölf Leibwächter Dachlans festgenommen worden, ein Dutzend Fahrzeuge wurde konfisziert, darunter zwei gepanzerte Limousinen und einige Panzerfahrzeuge. Außerdem hätte man 16 Pistolen und Maschinenpistolen sowie 10 000 Schuss Munition sichergestellt. In den Palästinensergebieten hätten nämlich nur zwei Personen das Recht, in Konvois mit bewaffneten Leibwächtern zu reisen, stellt der Sprecher klar: Präsident Machmud Abbas und Ministerpräsident Salam Fajad.
Dachlan aber wird gewusst haben, warum er sich eine kleine Privatarmee hielt. Aus Gaza musste er flüchten, nachdem seine Fatah-Truppen bei den Kämpfen 2007 der Hamas wenig entgegenzusetzen wussten. In den vergangenen Monaten nahm dann auch noch die Entfremdung von Präsident Abbas zu. Dachlan veröffentlichte beißende Kritik an der Politik des Präsidenten, der ließ streuen, er wisse einige sehr unschöne Dinge über Dachlan. Das durfte niemanden überraschen: Es ist kein Geheimnis, dass der aus einfachen Verhältnissen stammende Dachlan seinen erstaunlichen Reichtum nicht auf legalem Weg angehäuft hat. Er kontrollierte die Warenübergänge im Gazastreifen und errichtete ein Importmonopol für Zement im Küstenstreifen. Er soll über Jahre Geschäftsleute erpresst und mit Arafats ehemaligem Finanzberater Mohammed Raschid ein Geschäftsimperium in Nordafrika und am Persischen Golf aufgebaut haben.
Im Dezember wurde er deshalb aus dem Zentralkomitee der Fatah-Partei ausgeschlossen. Ihm werden Korruption, Mord und Verschwörung gegen die Palästinenserregierung zur Last gelegt. Nun soll Dachlan auch noch aus der Partei ausgeschlossen werden, einen Tag vor der Kommandoaktion hatte ein Disziplinargericht der Fatah einen Einspruch Dachlans abgelehnt und den Fall weitergeleitet an den Generalstaatsanwalt und die Antikorruptionskommission.
Doch Dachlan schlug zurück: Wütend flüchtete er nach dem Überfall auf seine Villa nach Jordanien und beschuldigte Abbas gegenüber arabischen Medien, er versuche, "eine Diktatur" zu errichten. Außerdem seien etwa 1,3 Milliarden Dollar aus dem "Palästinensischen Investmentfond" ( www.pif.ps) verschwunden, der Abbas nach dessen Wahl 2005 zur Verwaltung anvertraut worden war.
Das ist kein besonders überzeugender Vorwurf, Belege für die Veruntreuung bleibt Dachlan schuldig. Zwar hat es in der Vergangenheit Kritik daran gegeben, dass der Fondsmanager gleichzeitig der Wirtschaftsberater des Präsidenten ist und der Verwaltungsrat sich aus palästinensischen Geschäftsleuten zusammensetzt, die das Fondskapital zu ihrem eigenen Nutzen einsetzen könnten. Aber dass 1,3 Milliarden Dollar aus dem 2002 mit einem Anfangskapital von 800 Millionen Dollar gegründeten Fonds verschwunden sind, ist unwahrscheinlich. Für das Vertrauen der Palästinenser in ihre Regierung ist die jüngste Debatte aber dennoch fatal.
Die ausufernde Korruption war lange eines der größten Probleme der Palästinenser. Der langjährige PLO-Vorsitzende Jassir Arafat verwaltet die Finanzen der PLO und der Palästinenserbehörde wie seine private Haushaltskasse. Er kaufte sich politische Unterstützung, er bestach und unterschlug - allerdings nutzte er kaum einen Cent für sein Vergnügen. Arafat trug alte Uniformen, schlief oft auf dem Boden seines Büros und genoss so den Status des Saubermanns inmitten der von ihm selbst korrumpierten und beim Volk verhassten Politikerszene. Wer bei Arafat anfragte, bekam Geld, mal mehr und mal weniger, das der Empfänger dann wiederum nach Gutdünken und taktischen Abwägungen an seine Untergebenen weiterverteilen konnte. Auf Kontrolle verzichtete Arafat absichtlich.
Das System hat Ministerpräsident Salam Fajad, ein ehemaliger Angestellter der Weltbank, abgestellt. Der Rechenschaftsbericht der Palästinenserbehörde wird von den Geberländern und der Weltbank regelmäßig gelobt. Doch selbst für Fajad war es ein zu heißes Eisen, die alten korrupten Eliten aus ihren Machtpositionen zu drängen und die Justiz so zu stärken, dass sie auch vor Verfahren gegen ehemalige oder amtierende Minister nicht zurückschreckt.
Seit einem Jahr schon ermittelt zwar eine von Abbas eingesetzte Antikorruptionskommission - allerdings hinter verschlossenen Türen.
Bis vor einigen Wochen Journalisten der weitgehend unabhängigen Nachrichtenagentur Maan forderten, die Kommission müsse zumindest die Namen der Personen offenlegen, gegen die sie ermittle. Und siehe da:
Gleich vier amtierende Minister werden der Korruption verdächtigt. Der Wirtschaftsminister Hassan Abu Libdah beispielsweise soll noch zu seiner Zeit als Vorsitzender des palästinensischen Aktienmarktes Kurse zu seinem Vorteil manipuliert haben. Auch gegen die Landwirtschafts-, Justiz- und Gesundheitsminister wird ermittelt. Mit handfesten Ergebnissen rechnen die meisten Palästinenser nicht. Schließlich wurde noch nie ein palästinensischer Politiker wegen Korruption verurteilt. Auszug aus:
http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article13529465/Ramallahs-korrupte-Potentaten.html