Und genau deshalb, ist es auch evident und durchaus sachlich, faktisch richtig, was hier geschrieben steht. Vielleicht wird nun der Zusammenhang deutlicher.
Siehe:
1. Die Geschichte der Vernichtung großer Teile des armenischen Volkes vor 90
Jahren unter der Herrschaft der Jungtürken im Osmanischen Reich während des
Ersten Weltkrieges ist wissenschaftlich nicht nur strukturell, sondern auch bis in
die Einzelheiten so weit erforscht und hinreichend dokumentiert, daß das
Tatsachenmaterial vollkommen für die Beantwortung der Frage ausreicht „War es
Völkermord oder nicht?“
2. Die Antwort kann nur von Juristen – Richtern und Rechtswissenschaftlern –
gegeben werden, weil das Wort „Genozid“ bzw. „Völkermord“ als Rechtsbegriff
geprägt und entstanden ist, mit einem verbindlich definierten Inhalt nur als
Straftatbestand existiert und seine Feststellung deswegen keine „Tatfrage“,
sondern eine „Rechtsfrage“ ist.
3. Die (teilweise) Vernichtung des armenischen Volkes vor 90 Jahren erfüllt die
Tatbestandsvoraussetzungen des Völkermordverbrechens sowohl in objektiver
(Mordhandlungen usw.) , als auch in subjektiver Hinsicht (Zerstörungsabsicht).
4. Die von der türkischen Regierung vorgeschlagene Bildung einer zweiseitigen,
türkisch-armenischen Historikerkommission zur Aufklärung des Genozidvorwurfes
wäre für die Beantwortung der Rechtsfrage „War es Völkermord?“ letztlich
bedeutungslos, denn die Rechtsfrage ist bereits beantwortet : Es war Völkermord!
5. Die gemischte Historikerkommission würde der türkischen These von der
(angeblich) ungesicherten und unzureichenden Tatsachengrundlage des
Völkermordvorwurfes konkludent auf politisch-diplomatischer Ebene Anerkennung
verschaffen und auf diese Weise die türkische Position der strikten Leugnung des
Völkermordes jedenfalls bis zum Abschluß der Kommissionsarbeit international
legitimieren. Offenkundig ist dies der eigentliche, der strategische Zweck des
Vorschlages. Ebenso offenkundig zielt er darauf ab, die Türkei von dem
Genozidproblem in den bevorstehenden EU-Beitrittsverhandlungen politisch zu
entlasten. Es wäre fatal, wenn sie diese Ziele – und das auch noch mit deutscher
Hilfe – erreichen würde.
6. Deutschland trägt in dem Streit um den Völkermord an den Armeniern historisch,
politisch und moralisch wegen seiner Verstrickung in schwerste
Völkermordverbrechen in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts, darüber hinaus
ab auch deswegen eine besondere Verantwortung, weil das von der
Bundesregierung verwaltete Archivmaterial aus der Zeit des deutschen
Bündnisses mit dem Osmanischen Reich im Ersten Weltkrieg bereits für sich
allein, d.h. ohne die Hinzuziehung türkischer Archive ungeklärten Zustandes und
Qualität, für die verbindliche juristische Feststellung des Völkermordverbrechens
ausreicht.
7. Die förmliche Feststellung „Es war Völkermord.“ ist von prinzipieller rechtlicher,
moralischer und politischer Bedeutung. Die Vernichtung der Armenier im
Osmanischen Reich war der erste große Völkermord im Europa des 20.
Jahrhunderts. Seinen Opfern ist bis heute nicht einmal die minimale Genugtuung
durch die Nation der Täter, – das Eingeständnis der Tatsache selbst –
zuteilgeworden, von einer Sühne der Verbrechen ganz zu schweigen. Die
Überlebenden, ihre Kinder und Enkelkinder haben auf eine minimale Genugtuung
aber zumindest einen moralischen Anspruch. Förmliche Feststellungen des
Völkermords durch parlamentarische Gremien sind späte Akte historischer und
moralischer Gerechtigkeit. Sie geben solche Genugtuung. Darüber hinaus tragen
sie mit dazu bei zu verhindern, daß Völkermordverbrechen sprachlich zu
„Deportationen“, „ethnischen Säuberungen“, „Umsiedlungen“, „ vereinzelten,
spontanen Massakern“ heruntergestuft, falsch etikettiert, bagatellisiert und
verharmlost werden, um sie als unbequeme Tatsachen dann leichter vergessen
zu machen.
http://www.aga-online.org/downloads/de/document/Stellungsnahme_Prof_Otto_Luchterhand.pdfhttp://www.aga-online.org/de/ueberuns/index.php (Archiv-Version vom 15.03.2010)