Luftwaffe - Göring der falsche Chef?
12.05.2007 um 11:21
Yeah, Rock me, Asmodeus!
Liebe Freunde des gepflegten militärhistorischen Halb-und Viertelwissens, wenn Hobby-Knopp Asmo einen seiner berüchtigten "Wie wir beinahe denKrieg gewonnen hätten, hätte ich die Gnade der frühen Geburt gehabt und der Kaiser oderder Führer auf mich gehört"-Threads eröffnet, kann man sicher sein, dass sie alle dasind: Die jungen Ewiggestrigen, diejenigen, deren historisches, militärisches undtechnisches Wissen sich aus Landser-Heften und Revell-Bauanleitungen speist und die, diehistorische Verbrechen gern, wenn nicht schon wegleugnen können, so doch wenigstenseinzelnen Personen anhängen möchten. Dazu die übliche Handvoll Schwafelhänse und ein paarDon Quichottes, die tapfer gegen die Windmühlflügel der Unwissenheit anrennen.
Schön,dass ihr alle da seid.
Ich könnte mich jetzt über die Verbrechen Hermann Göringswährend seiner Zeit als preussischer Innenminister auslassen, über die Morde, die er zuverantworten hat, über seine Arisierungsgewinne, seine europaweiten Kunstdiebstähle oderauch über banales wie Drogenabhängigkeit, Modelleisenbahnerei oder Uniformkult: Hermann,ziehst Du bitte die Bergmannsuniform an und holst mir ein paar Kohlen aus demKeller?
Die Vorstellung, der Dicke hätte, vielleicht neben Goebbels, den fetteren Partbei "Dick & Doof und das Dritte Reich", featuring Adolf als Charlie Chaplin, gespielt,verharmlost einen Mörder, Betrüger und Räuber. Nein, darauf will ich nichteingehen.
Seit mehr als dreissig Jahren beschäftige ich mich in meiner Freizeitmit Luftfahrt-Historie, was in diesem Land in erster Linie Luftkriegs-Historie bedeutet.Für verschiedene Publikationen im In- und Ausland habe ich im Laufe der Jahre Beiträgegeschrieben. Bei aller Faszination von Technik bedeutet dies auch immer eine politischeGratwanderung, denn Technik ist niemals zweckfrei.
Ich habe keine Lust, jedeneinzelnen historischen, politischen, militärischen und technischen Blödsinn des o.g.Halb- und Viertelwissens zu kommentieren.
Zuviele Perlen vor zu vieleBorstentiere.
Ich möchte zunächst nur auf die "Luftschlacht um England" bzw. "Battleof Britain", kurz BoB eingehen. Für eine britische Luftfahrtzeitschrift schrieb ichanlässlich des 50. Jahrestages der BoB einen Beitrag "Losing the Battle - Why theLuftwaffe couldn't win", aus dessen deutscher Rohfassung ich auszugsweise zitierenmöchte:
Der Versuch, GB ab Sommer 40 allein durch Luftangriffe "sturmreif" oderwenigstens an den Verhandlungstisch zu bomben, musste scheitern. Die deutscheLuftwaffenführung setzte seit dem Tod General Wevers und durch Fehleinschätzungen derLehren aus dem spanischen Bürgerkrieg auf eine taktische Luftwaffe, nicht auf einestrategische. Insofern hatten die deutschen Militärs Douhet und Trenchard entweder nicht gelesen - oder nicht begriffen.
Die Entwicklung viermotoriger Langstreckenbomber wurdenach dem Absturz Wevers sofort eingestellt, Do 19 und Ju 89, beides Muster mitEntwicklungspotenzial (bei der Ju grösser als bei der Do), wurdenverschrottet.
Die Luftwaffenführung setzte beim Aufbau auf Quantität statt aufQualität, was sich spätestens im Luftkrieg um die britischen Inseln rächte. Do 17, He 111und Ju 88 waren zu leicht, zu beschussempfindlich, Abwehrwaffen und Bombenlast waren zugering, ebenso ihre Reichweite. Für den frontnahen Einsatz im Blitzkriegskonzept noch voneinigem Wert, stiessen sie hier buchstäblich an ihre Grenzen.
Das auf demStuka-Konzept basierende Denkmodell der "fliegenden Artillerie" musste im strategischenLuftkrieg scheitern. Die Ju 87, in Polen, Skaninavien und im Westfeldzug noch dankabsoluter Luftüberlegenheit einsetzbar, scheiterte an Spitfire und Hurricane. Zu lahm, zuschlecht bewaffnet.
Zur BoB trat die Luftwaffe mit etwa 700 Bf 109 an. Alleinzahlenmässig reichte dies nicht für die befohlene Doppelrolle, nämlich freie Jagd gegendie RAF und Begleitschutz für die Kampfverbände, nicht aus. Die geringe Reichweite, max.bis London, begrenzte den Operationsraum auf Südengland. Und ohne Jagdschutz waren dieBomber hilflos.
Die Bf 110 hatte zwar eine grössere Reichweite und war gut bewaffnet- aber dieser konzeptionslos entwickelte "Zerstörer", der den Bombern mit überlegenerFeuerkraft den Weg ebnen sollte, versagte spätestens im Kurvenkampf.
Bei der Rolleals Jagdschutz kam noch hinzu, dass beide Maschinen kostbare Treibstoffmengen durchKurverei verloren, um die langsamen Bomber nicht zu verlieren.
Die Bf 109 hatteerhebliche Ausfälle, meist durch ihr bekannt schlechtes Fahrwerk, so dass Klarständeselten 60% überschritten.
Die Chain Home Radarkette warnte die RAF rechtzeitig,die Operationsleitung vom Boden war sehr gut organisiert, hinzu kommen natürlich noch diehohe Motivation in der Heimatverteidigung, der logistische Vorteil der inneren Linie undnatürlich, dass ein über eigenem Territorium ausgestiegener Pilot, zumindest theoretisch,in die nächste Maschine steigen und weiterkämpfen konnte, während auf denLuftwaffen-Piloten das PoW-Camp wartete.
Entgegen deutscher Hoffnungen (wie kannman Kriege auf "Hoffnung" basieren?) sank die Produktion der britischenLuftfahrtindustrie währen der BoB nicht ab, im Gegenteil, bei gleicher Ausgangsstärke(rd. 700 Jäger), betrug die Jägerproduktion pro Monat mehr als das Doppelte der deutschenLuftfahrtindustrie
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1940 waren Bombenzielgeräte (auf beiden Seiten) noch nicht soausgereift, dass man zielgenau bei Schlechtwetter oder Nacht Präzisionsangriffe hättefliegen können. Also blieb der Luftwaffe nur der Tag, der bekanntlich im Herbst undSpätherbst zu massiven wetterbedingten Ausfällen von Flügen und Maschinen führenmusste.
Der Zielwechsel auf London, also weg vom Kampf um die Lufthoheit, vommöglichst präzisen Schlag gegen militärische, logistische und industrielle Zeile zumnächtlichen "Terrorangriff" auf die Zivilbevölkerung, markierte das endgültige Scheiternder Luftoffensive. In der Einschätzung der Wirkung von Nachtangriffen auf die Bewohnerder Städte und ihre Auswirkungen auf die Moral und Produktivität irrte dieLuftwaffenführung übrigens ebenso, wie später ihre allierten "Kollegen".
Selbstwenn die BoB für Deutschland siegreich ausgegangen wäre - was dann? Operation Seelöwehatte als Voraussetzung die Ausschaltung der britischen Luftwaffe UND Marine zum Ziel.Von dem einen wie von dem anderen war man weit entfernt. Schon die "Führerweisung Nr. 9"vom 29.11.39 konnte mangels Masse an Über- und Unterwasserschiffen nicht stattfinden.Eine ernsthafte Unterbindung der Zufuhr über See war undurchführbar und gelang in denGeleitzugschlachten um die britischen Inseln auch höchstens im Ansatz.
So wärendenn wohl die Landungstruppen von "Seelöwe" am Strand verblutet, wie später die Britenund Kanadier in Dieppe, wenn die Home Fleet nicht schon die aus Rheinkähnen undAlsterdampfern zusammen gestückelte "Landungsflotte" im Kanal zu den Fischen geschickthätte.
Übrigens stand für die militärische Führung Deutschlands die Entscheidung,die UdSSR zu überfallen, bereits im Juli 1940 fest, also schon deutlich VOR Beginn derBoB. Dem "Kampf im Westen" wurde zu diesem Zeitpunkt bereits keine hohe Priorität mehreingeräumt, die Luftwaffenrüstung wurde sogar zurück gefahren.
Als die Luftwaffeim Frühjahr 1941 ausgeblutet die BoB abbrach, viele meiner Kollegen weigern sich nochheute, richtigerweise zu sagen: verloren hatte, geschah dies nicht allein, weil sie sichgegen Osten wandte, sondern auch, weil zahlreiche ihrer besten Piloten und Besatzungengefallen, verwundet oder gefangengenommen waren. Von diesem Aderlass hat sich diedeutsche Luftwaffe bis zum 8. Mai 1945 nie wieder erholt.
So gesehen warGöring natürlich der "richtige Mann" - andernfalls hätte das Deutsche Reich, zumal mitExperten wie Asmo an der Seite, wohl noch den Krieg gewonnen, was vermulich höchstenseinige hier freuen dürfte. Mich nicht!