paranomal schrieb:Im folgenden verlinke ich einen interessanten Hörbeitrag über die gemeinsamen Ursprünge des westlichen Rechtsradikalismus und des politischen Islam:
Ich finde den Beitrag in weiten Teilen unseriös.
Nicht, dass ich diesen Zweig der Forschung nicht schätzen würde, gerade im Bezug auf die Symbiose von europäischem bis hin zum NS-Antisemitismus und dem islamischen Antisemitismus ist sie wichtig und berechtigt.
Sie krankt aber auch daran, dass man oftmals Parallelen zur Not an den Haaren herbeizieht, weil man eben gewisse Schlussfolgerungen treffen möchte...und das ist dann widerum kein wissenschaftliches Arbeiten.
Schariati bspw ist eine Propagandafigur der Mullahs.
Der Einfluss auf den modernen Islamismus sowie auf das Mullahregime wird hier gnadenlos überzeichnet, während ein Khomeini im gesamten überhaupt keinerlei Beachtung findet.
Den "dritten", islamischen "Weg", den Khomeini in einer Anwandlung übernahm, postulierte Schariati vor seiner Zeit in Paris, das kann also kaum darauf beruhen, dass er dort Carrel studiert hat.
Außerdem geht das auf eine Gruppe zurück in der er und sein Vater aktiv waren und war keine Erfindung Shariatis.
Desweiteren war Schariati zeitlebens ein Prediger des "islamischen Sozialismus". Und die Umdeutung Al Ghifaris dahingehend stammt aus dem Libanon Anfang des 20. Jhr und nicht von Ernst Jünger. Seine Bedeutung in der Shia ist noch viel älter. Das war ein immenser Einfluss aus Shariati. Findet alles keine Erwähnung.
Das mit dem anti-modernistischen und anti-zivilisatorischen Gehabe der Mullahs 1:1 gleichzusetzen ist schlicht eine Fehldeutung.
Shariatis Stellung beruht nicht auf seinem Einfluss auf irgendwas sondern darauf, dass man ihn in der Anti-Shah-Propaganda zu einem SAVAK-Opfer machte.
Die Geschichte des Iran wird dort sowieso verklärt.
Reza Shah wird als westliche Opposition zu den Nazi-Mullahs postuliert, was aber so völlig falsch dargestellt ist.
Reza Shah wurde ja gerade wegen seinen Sympathien für die Nazis von den Alliierten abgesetzt und weil man die Nachschubroute nach Russland brauchte.
Dass der Klerus auch mit solchem Gedankengut sympathisierte tut dem keinen Abbruch.
Das Gesetzbuch ist trotz islamischer Revolution in großen Teilen bis heute gültig.
Dann redet man über Osama bin Laden aber ein Abdullah Yusuf Azzam findet keinerlei Erwähnung?
Ein Al-Husseini nicht und auch kein Maududi. Die Muslimbruderschaft findet nur in Verbindung mit Qutb eine Erwähnung (Qutb taucht in dem Bericht allerdings völlig zurecht auf) und al-Banna findet auch keine Erwähnung. Kein Iqdal und kein al-Afghani.
Weil man denen keine Verbindung zu solchen Gestalten wie Ernst Jünger und Carell nachweisen kann?
Bei Iqdal wären das dann plötzlich Leute wie Nietzsche, Goethe und Hegel...die sind den Deutschen dann doch zu lieb vermutlich, um sie in eine solche Reihe zu stellen.
Iqdal war aber nebenbei ein großer Einfluss auf Schariati.
Der Verweis auf Frauenrechte und die Rückbesinnung auf relgiöse Identität ist dann vollkommen absurd. Als hätten die es tatsächlich nötig gehabt, sich solches Gedankengut im Westen anzueignen...
Die Rückbesinnung auf die Zeiten des Propheten und die damit postulierte Lösung Probleme aller Art, ist ein Gedanke, der sich mind 900 Jahre nachweisen lässt, auch wenn er erst mit der Industrialisierung und dem zunehmenden Gefühl der Unterlegenheit zur vorherrschenden Denkrichtung in einigen Schulen des Islam wurde.
Ein konservierter Minderwertigkeitskomplex...kennt man ja auch in Deutschland.
Der islamistische Anti-Modernismus lässt sich nicht erklären, indem man auf Ernst Jünger oder die konservative Revolution verweist.
Es ist doch nun so, dass dieses Gedankengut paradoxerweise gerade auf den islamischen "Modernismus" und dem Gedanken der individuellen Interpretation von Koran und Sunna zurückgeht. Auf ein Brechen des Monopols der Auslegung der Traditionalisten.
Das führte aber nicht zu einer Art Reformation sondern zu einer fanatischen Fixierung auf diese Texte und Authentizität und einer Identifikation dessen mit der "islamischen Moderne".
Das steht einfach in ziemlich Gegensatz zu:
Der Begriff Konservatismus bzw. konservativ bezeichnete zunächst im Sinne des Strukturkonservatismus eine Haltung, die eine gewachsene Gesellschaftsordnung bewahren will und sich positiv auf deren konstituierende Wertvorstellungen bezieht. Die konservative Revolution sei in diesem klassischen Sinne nicht mehr konservativ. Sie wolle nicht Tradiertes bewahren, sondern neue „lebendige Werte“ setzen. Arthur Moeller van den Bruck, Vertreter der Konservativen Revolution, schreibt dazu:
„Der konservative Mensch […] sucht heute wieder die Stelle, die Anfang ist. Er ist jetzt notwendiger Erhalter und Empörer zugleich. Er wirft die Frage auf: was ist erhaltenswert?“[52]
Dies „zu Erhaltende“ gilt es nach Auffassung des revolutionären Konservatismus erst noch zu schaffen. In diesem Sinne formulierte Moeller van den Bruck eine neue Definition, die noch heute von Konservativen und Neuen Rechten aufgegriffen wird: „Konservativ ist, Dinge zu schaffen, die zu erhalten sich lohnt.“[53]
Wikipedia: Konservative RevolutionWas ist Konservatismus? Wolfgang Fenske, der Leiter der Bibliothek des Konservatismus, nahm vor etwa 100 AfD-Mitgliedern und –Sympathisanten eine Begriffsbestimmung vor. Konservatismus bedeutet nicht jenen „Gärtnerkonservatismus“, der alles kritiklos bewahren will, was vorgefunden wurde, im Gegenteil. Es gilt vielmehr der Satz von Artur Moeller van den Bruck: „Konservativ ist, Dinge zu schaffen, die zu erhalten sich lohnt.“ Dadurch wird die Brücke zum liberalen Element geschlagen, das dem Konservatismus zuarbeitet.
http://afd.berlin/die-afd-ist-eine-liberalkonservative-partei/ (Archiv-Version vom 10.04.2019)Nun kann man natürlich die Parallelen in der Hinwendung zum Irrationalen und in den Konflikten einer Symbiose von konservativen Weltbildern mit der Moderne sehen und das tut man ja nun auch völlig zurecht.
Nur wage ich zu bezweifeln, dass es dafür europäische Vordenker benötigte, denn da kann der Islamismus auf eine weite Tradition zurückgreifen, ohne dass wer in Paris studieren muss oder in den USA.
Die Sympathien die Qutb etc diesen Leuten entgegenbringen sind an der Stelle wenig verwunderlich und wäre der ein oder andere islamistische Vordenker in Europa beachtet worden, könnte man das unter Umständen auch vice versa nachweisen.