Rechtsextremismus - Ernst der Lage so hoch wie nie
30.07.2015 um 09:41
Die ,,neue Rechte" - gefährlicher als die alten Rechtsextremen?
Die ,,neue Rechte", was ist das eigentlich?
Und warum sollte sie, wie in der Überschrift impliziert, gefährlicher sein, als die alten Rechtsextremen, die früher noch mit Bomberjacken, Springerstiefeln und Glatze ausgestattet angriffen, was irgendwie ,,undeutsch" aussah?
Die Antwort lautet: Subtilität und Verwischung von Grenzen - auf diese Weise erschaffen die Akteure der neuen Rechten das Klima, in welchem es als ,,irgendwie verständlich" gilt, wenn Anschläge gegen Asylbewerber und Mitbürger ausländischer Herkunft oder Linke begangen werden.
Ich werde nun darauf näher eingehen und erklären, was ich meine.
Die ,,neue Rechte" ist keine Partei, sondern eher als Bewegung oder Denkrichtung zu betrachten. Zum Teil angetrieben von etwas intelligenteren ,,richtigen" Rechtsextremen, zum Teil schon ein Selbstläufer.
Der neue Rechte weist zumindest anfangs gerne von sich, dass er rechtsextrem wäre. Bei den gewöhnlichen Mitläufern der Denkrichtung kann man sogar annehmen, dass sie tatsächlich glauben, sie seien nur ,,aufrichtig besorgte Bürger".
Der neue Rechte gibt sich anfangs nicht ab mit dem plumpen, alten ,,Ausländer raus"- oder ,,Geld für die Oma, statt für Sinti und Roma"-Sprüchen.
Das würde ihn ja sofort als Neonazi erkennbar machen -> blöde Sache, denn noch immer sind Neonazis in weiten Teilen der Gesellschaft zu Recht verhasst und verachtet.
Der Verwandlungsprozess
Nein, der neue Rechte ist subtiler, er sagt anfangs Dinge, wie:
,,Ich bin der Meinung, dass verschiedene Kulturen nicht miteinander kompatibel sind, die Ausländer sind doch sicherlich in ihren Heimatländern viel glücklicher, man sollte ihnen helfen, dahin zurückzukehren" oder ,,Alle Kulturen und Ethnien sind doch einzigartig, man sollte sie bewahren, statt zu vermischen...".
Klingt auf den ersten Blick ganz anders, nicht wahr?
Vor allem dann, wenn es von einer gepflegten Person vorgetragen wird, die scheinbar ein ganz normaler, vernünftiger Bürger ist.
Eine Person, der man zuhören kann. Was hat die noch so zu sagen?
,,Ich bin ja nur gegen kriminelle Ausländer und Betrüger, die sollen verschwinden, gegen Flüchtlinge hab ich nichts..." - auch das klingt doch gar nicht so doof, eigentlich verständlich.
Und man hört und ließt doch immer wieder, dass Asylbewerber hier kriminell werden. Diebstahl, Körperverletzung, Drogenverkauf, Mädchen belästigen, Arbeitsplätze klauen, alles schmutzig machen...und die Mainstreampolitik tut immer wieder so, als stimmt das alles gar nicht. Diese Lügner. Man ist doch nicht blöd, aber wenn man was kritisiert, ist man gleich Nazi...
Nein also man will gefälligst kein neues Flüchtlingsheim in der Gegend, man will sich ja noch abends auf die Straße trauen!
Und überhaupt, die Politik macht doch sowieso alles falsch, sie verschenkt Gelder an die Asylanten, die nur abzocken wollen, aber man selbst muss sehen, wo man bleibt, obwohl man ein anständiger Deutscher ist und hier hart arbeitet (oder gearbeitet hat)...
Willkommen in der Szene der neuen Rechten
Man hat den entsprechenden Denkprozess durchlaufen, hält sich vielleicht immer noch für einen der Anständigen, die Chance ist jedoch hoch, dass nun markigere Worte folgen, Teilnahmen an Demos gegen Asylbewerberheime, Wutausbrüche auf unbestätigte Kriminalmeldungen...
Sowie Verteidigungen von Gewaltakten gegen Asylbewerber.
Auch für ungebildetere Teile der Bevölkerung ergibt sich eine attraktive Situation, in welcher man mal richtig schön Dampf ablassen kann, so wird sich dem geschriebenen Äquivalent des dumpfen, emotionalen Herumbrüllens hingegeben und Hass und Unzufriedenheit mit der eigenen Situation projiziert auf Asylbewerber und Ausländer.
Aber selbst dann, wenn man nicht selbst den Brandsatz wirft, den Sprengsatz legt, den Stein schmeißt oder zuschlägt, erschafft man das Klima, in welchem die gewalttätigen Rechtsextremen sich wohl und sicher fühlen. Das Klima, in dem sie zuschlagen.
Denn die Grenzen zwischen den Rechtsextremen und jenen, denen es tatsächlich abseits jeglicher rechtsextremer Ideologie nur beispielsweise um eine vernünftige Planung der Aufnahme von Asylbewerbern oder tatsächlich nur um die Ablehnung schwerkrimineller Personen geht, sind verwischt worden.
Und während der Rest der Gesellschaft sich langen und breiten, oft hitzigen Diskussionen hingibt, ob dies oder jenes rechtsextrem oder doch nur ein vernünftiges Bedenken sei, handeln die Neonazis und gewinnen an Boden auf den Straßen.
Deshalb halte ich die ,,neue Rechte" für gefährlicher, als die alten Rechtsextremen.