Tatsächlich entstammt sie dem Gehirn eines rechtschaffenen Bürgers. Die geringe
Distanz zwischen legalen, bürgerlichen Überlegungen und denen des Mobs ist es,
die uns in der Zukunft mehr Sorgen machen wird als alles andere.
Schon in densiebziger Jahren gab es einen Fernschreib- verkehr zwischen allen
Landeskriminalämtern und der Kripo Saarbrücken mit dem Betreff: »Vermutliche
organisierte Kriminalität durch italienische Staatsangehörige in der
Bundesrepublik. «Italienische Staatsangehörige gründen Handelsunternehmen in
Form einer GmbH. Nach Eintragung ins Handelsregister werden die Gesellschaften
zum Schein an Strohmänner verkauft, die sich als Gesellschafter und
Geschäftsführer eintragen lassen. Die eigentlichen Drahtzieher führen die
Geschäfte als untergeordnete Angestellte. Sie lassen Ware liefern, die gegen
Bargeld bei Großhehlern abgesetzt werden kann. Die Firmen existieren nur wenige
Monate. Wenn die Ermittlungsbehörden tätig werden, sind Täter und Unterlagenverschwunden. Nach Meinung der Polizei in Saarbrücken soll es sich laut Telex slsblk nr59
0503 1105 »bei den taetem um mitglieder organisierter banden aus italien
handeln«. Genannt werden zum Teil flüchtige Täter aus Saarbrücken und Limburg.
Es ist dasselbe Prinzip wie bei der zunächst nur geplanten kriminellen
Ausbeutung der AIDS-Krankheit.
Bundesbürger kooperieren inzwischen bei solchenund ähnlichen Tricks. Man kann
darüber streiten, ob das letztere Beispiel nochWirtschaftskriminalität oder
schon Mob ist. Bisher ist keine Strategie der Angst zuerkennen. Es ist
andererseits nicht sicher, ob Muskel beim unternehmerischen Mob der
Zukunft noch
ein zuverlässiges Symptom bleiben wird.
Sicher ist nur eine:Der Mob wird sich auch in Zukunft nutzbar machen, was
nutzbar zu machen ist. Dasreicht vom Gesundheitssystem bis zu staatlichen
Subventionen, von der elektronischenDatenverarbeitung bis zur Schleichwerbung,
vom Handel mit transplantationsfähigemmenschlichem Gewebe bis zum Handel mit
Daten, die dem Datenschutz unterliegen.
Aus Amerika kommen die ersten Informationen über »Computer-Vandalen, die das
Chaos programmieren«. Die kriminellen Hacker entwickeln raffinierte Programme,
die sie per Telefon über Steuerzentralen in die Computer der angeschlossenen
Kunden schicken, wo sie die gespeicherten Daten regelrecht verwüsten.
DerComputer-Experte Eric Newhouse dazu : »Da kann in Sekunden die Arbeit eines
Jahresvernichtet werden. Wenn das ein Firmencomputer ist, dann ist es schwer,
so etwas demChef zu erklären.« Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen gelingt es
immer wiedersogenannten »Trojanern«, sich einzuschleichen. Ich bin ziemlich
sicher, daß dieseAktivitäten hoch organisiert und Vorübungen zur späteren
Schutzgelderpressung großenStils sind.
Mehr und mehr kriminelles Geld wird ins legale Geschäft fließen. »Esgibt kaum
Industrien oder Geschäftszweige«, stellt der Direktor des FBI, William H.
Webster, fest, »die nicht vom organisierten Verbrechen beeinflußt sind.« Der
Justizminister fügt an: »Die Öffentlichkeit sieht das Problem nicht, aber
es ist
ein schrecklicher Krebs, der uns alle Tag für Tag beeinflußt. Er erhöht unsere
Steuern und den Preis von allem, was wir kaufen. Er bedroht die öffentliche
Sicherheit und die unserer Familien.« Es wird nicht lange dauern, bis auch in
der Bundesrepublik Verantwortliche der Polizei solche Feststellungen machen
werden. Es gibt amerikanische Fachleute, die in Zukunft mit einem Verschwinden
des klassischen organisierten Verbrechens rechnen, weil einerseits die
astronomischen kriminellen Profite die Weltwirtschaft tragen und aus der
Wirtschaft nicht mehr wegzudenken sind und andererseits die Parias des Mobs in
gewöhnliche Kleinkriminalität zurücksinken müssen.
Wir werden uns an Mob undMuskel im bürgerlichen Alltag gewöhnen. Wer das
Gesetz
bricht und sich keinenguten Anwalt oder eine Manipulation von Zeugen und
Beweisen leisten kann, der bleibtheute schon im Gefängnis. Wer draußen Freunde
hat, die Geiseln nehmen oderAutobomben hochgehen lassen, darf in den meisten
Fällen gehen. Die Wähler werdennicht mehr verprügelt wie zu Zeiten Al Capones,
sondern verführt, konditioniert undgekauft. Demokratische Macht wird zunehmend
eine gekaufte oder durch Varianten derWaschmittelwerbung erschwindelte Macht
sein. Die Polizei wird ihre Methoden derBekämpfung verfeinern. Das wird den Mob
zwingen, sich anzupassen.
Im November1986 wurden vor einem New Yorker Gericht acht Angeklagte unter
anderem deshalbverurteilt, weil sie »einer "commission" angehört haben, die in ganz Amerika die Mafiaregiert hat« (NYT, 20.11.1986).
Unter den Angeklagten waren die Bosse einigerkrimineller Familien : Anthony
»fat Tony« Salerno von den Genovese, Anthony »TonyDucks« Corallo von den
Lucchese und Carmine »junior« Persico von den Colombo.
Die Urteile werden den Mob nicht lahmlegen. Aber sie werden eingeführte
kriminelle Methoden stören und die Bekämpfung der Rackets in weiten Bereichen
der Wirtschaft erleichtern. "Das ist ein enormer Schlag gegen die Mafia", sagte
William Doran, Chef des Kriminaldezernats des FBI New York. Die Folge werde ein"Macht-Vakuum" sein, das die Struktur des Mobs erschüttern und verdeckte
Ermittlungen erleichtern würde.« (ibid.)
Einige Analytiker der Polizei und derStaatsanwaltschaft von New York sind ganz
anderer Meinung. Sie glauben, daß der Mobdurch diese Verfahren
»abgespeckt« und
den Ballast der »greaseballs« (alteMafia-Dons) abgeworfen hat, um eine
veraltete Struktur jetzt durch eine bessere undvon der Polizei
undurchdringliche und vor allem pseudolegale zu ersetzen.
EinBeispiel dafür, wie der Mob ethnische Grenzen überschreitet, ist New York.
Je mehrdie Cosa Nostra durch bessere Ermittlungen und mehr Verurteilungen aus
demRauschgifthandel herausgedrängt wird, desto mehr nehmen sich andere Gruppen
diesesMilliardengeschäfts an. "Der Heroinhandel in New York liegt zunehmend in
der Handvon kriminellen Vereinigungen, die auf den ersten Blick wirken
wie eine
UNO derRauschgifthändler; mit Chinesen, Thailändern, Pakistanis, Indern,
Iranern, Afghanen,Nigerianern und Israelis." (NYT Service, 20.3.1987)
In diesem Frühjahr hat eine NewYorker Staatsanwaltschaft verzweifelt nach
Leuten gesucht, die die afrikanischeSprache Twi verstehen, um die
Telefonüberwachung eines ghanesischen Händlerringsauswerten zu können.
Vertreter der Staatsanwaltschaft erklären, daß es mindestensvier große
israelische kriminelle Vereinigungen
gibt, die in Asien, Europa undNord-Amerika operieren. Chinesen mit
Kontakten in
Bangkok, Hongkong und den USAhaben »große, hochorganisierte und kaum
durchschaubare internationale kriminelleVereinigungen gebildet, die sich mit
dem Rauschgifthandel befassen« (IHT,23.3.1987). Durch politisch oder
ökonomisch
motivierte Emigration undImmigration wird es in Zukunft mehr geschlossene
ethnische Gruppierungen geben.Ähnlich wie zur Zeit der Einwanderung aus dem
Süden Italiens.
Ronald Goldstock,Direktor der New York State Organized Crime Task Force: »Sie
bluten zunächst ihreeigenen Leute durch die Rackets der Bedrohung und
Schutzgelderpressung aus, weil dieaus einer Kultur kommen, in der man
nicht zur
Polizei geht und (dann in einemLand leben) in dem die Polizei oft nicht ihre
Sprache versteht.« Die Polizei wird inneue Definitionsschwierigkeiten kommen, weil der
Unterschied
zwischenorganisiertem Verbrechen, organisierter Wirtschaftskriminalität,
korrupter Politikund einem wirtschaftlichen Wettbewerb mit harten
Bandagen kaum
noch zudefinieren sein wird. Der Prüfstein - ob ein Gesetz verletzt worden ist
oder nicht -wird untauglich geworden sein in einer Flut von sich
widersprechenden Gesetzen,Auslegungen und Toleranzen. Freiheit, Verantwortung,
Staatstreue werden zupolitischen Slogans reduziert sein.
Der Staat wird kaum wissen, wo er selbst steht,und er wird wie die Opfer des
Mobs zunehmend Schwierigkeiten haben zu erkennen, wernoch Freund und wer schon
Feind ist. Die Gesellschaft wird wenig Abwehrkraft habengegen Mob und Muskel, weil sie beides zunehmend in Geschäft und Politik tolerieren wird.
Quelle:
http://groups.google.com/group/de.sci.medizin.misc/msg/1b3590f8adf501f5?&q=ndrangheta+%2B+mob