Holocaust, oder die Frage wird doch erlaubt sein....
06.01.2006 um 16:26
Das sehr informative "Lexikon der antideutschen Fälschungen" des FZ-Verlages beschäftigt sich auch mit dem weit verbreiteten Vorwurf, die Deutschen hätten aus "Mein Kampf" ein Hitlersches Vorhaben zur Ausrottung der Juden entnehmen können und schreibt dazu: "Richtig ist, dass das Buch voller antijüdischer Gehässigkeiten steckt, doch nichts von geplanter Judenvernichtung enthält. Selbst die schärfsten Hitlerfeinde warteten seinerzeit nicht mit dem Argument auf, ,Mein Kampf' sei zu entnehmen, dass die Ausrottung der Juden im Schilde geführt werde. Hätte es eine solche Prophetie von irgendeinem namhaften damaligen Zeitgenosen gegeben, stünde sie heute in allen Schulbüchern und sonstigen Medien."
Was aber ist mit der schrecklichen "Mein Kampf"-Tirade gegen "hebräische Volksverderber", die man, so Hitler, anstatt der braven Frontsoldaten im Ersten Weltkrieg hätte "unter Giftgas halten" sollen? Das FZ-Lexikon: "Niemand in den 20er- bis frühen 40er- Jahren deutete dies als Verkündung einer Massenvergasung von Juden. Zu jener Zeit lieferte etwa ein Kurt Tucholsky in Ossietzkys ,Weltbühne' Nr. 30/1927 sogar eine Steigerung derartiger Rabulistik, indem er Teilen des Bürgertums wünschte: .Möge das Gas in die Spielstuben Eurer Kinder schleichen! Mögen sie langsam umsinken, die Püppchen!'"
Es war niemand anderes als Churchill, der sich zur Entstehungszeit von "Mein Kampf" öffentlich an der Vorstellung von "Giftgas von unglaublicher Bösartigkeit" weidete, gegen das es keine Gegenwehr geben könne und das jedes Leben auf Feindesseite auslösche (Winston Churchill, "Was Krieg im Jahre 1919 bedeutet hätte", in: "Nash's Pall Mall Magazine", September 1924). Jener Londoner Politiker also, über den der britisch-jüdische Publizist Ronald Lewin in "Churchill as Warlord" (London 1975) schreibt: "Er war ein Mann, der während der irischen Unruhen unzufrieden war, weil nicht genug Leute gehängt wurden und von dem während der Intervention gegen die Bolschewisten nach 1918 in den Kabinettsprotokollen zu lesen ist, dass er die Entsendung unverbrauchter Giftgasgranaten aus Frankreich befürwortet hat, wobei er sich klar darüber war, dass unschuldige Zivilpersonen leiden mussten. Es war ein Teufel in ihm." Die britischen Wähler statteten später bekanntlich den Mann, der Lewin zufolge "Satan intus" hatte, wiederholt mit parlamentarischer Mehrheit für seinen Posten als Premier aus.
Apropos Parlament: Wäre tatsächlich schon in "Mein Kampf" die Absicht einer Judenvernichtung offenkundig gewesen - wie hätte es geschehen können, dass Hunderte honorige demokratische Politiker 1933 bei der Abstimmung im Reichstag über das Ermächtigungsgesetz Hitler quasi-diktatorische Vollmacht erteilten? Darunter auch Reichstagsmitglieder jüdischer Herkunft wie Friedrich Dessauer und Reinhold Georg Quaatz sowie, gleich dutzendweise, hochrangige nachmalige bundesdeutsche Politiker, nicht zuletzt der erste Bundespräsident Prof. Dr. Theodor Heuss. Konrad Adenauer, damals Oberbürgermeister von Köln (Zentrumspartei), später erster Bundeskanzler, vertrat schon vor 1933 die Ansicht, die NSDAP gehöre in die Regierung (siehe: Rudolf Morsey/Hans Peter Schwarz, "Adenauer im Dritten Reich", 1992).
Auch der "Verein für die Abwehr des Antisemitismus", in dem zahlreiche jüdische und nichtjüdische Prominente wirkten, schlug nicht "Auschwitz-Alarm". Das von jüdischen Historikern herausgegebene "Neue Lexikon des Judentums" notiert: "Der Verein erließ am 27. März 1933 eine Deklaration gegen die ausländische ,Greuelpropaganda' und betonte in seinem ,Abschiedswort', dass er die Maximen des Vereins durch die neue Führung (die Regierung unter Hitler nämlich) gewährleistet sehe." Heinrich Krone, damals Chef des besagten Vereins, wurde nach dem Krieg CDU-Bundesminister.
Wenn auch Holocaust-Pläne aus "Mein Kampf" nicht hervorgingen, bleibt es doch ein Buch, dessen Inhalt vom rechtsstaatlichen, demokratischen Standpunkt aus, wie er auch von unserer Zeitung vertreten wird, scharf zu verurteilen ist. Bemerkenswerterweise wacht die bayerische Staatsregierung, nach Kriegsende mit den Rechten an Hab und Gut Hitlers ausgestattet, mit Argusaugen darüber, dass Heutige diesen verurteilenswerten Inhalt nicht selbst kennen lernen dürfen. Jede Neuauflage von "Mein Kampf" wird strikt verhindert.
Der Verfasser dieses Beitrages erinnert sich noch genau, wie ihm vor rund einem Dritteljahrhundert als Gymnasiast mit seinen Klassenkameraden "Mein Kampf" vom Geschichtslehrer als verabscheuenswürdiges Pamphlet vorgestellt wurde. Der Pauker besaß das Werk aber nicht, wie er auf Nachfrage einräumte. Was war das für ein Affentheater, als ich durch Lesen des Hitler-Buches die im Unterricht gewonnenen Erkenntnisse vertiefen wollte! Eine nahe gelegene, sehr gut sortierte öffentliche Bibliothek hütete in der Asservatenkammer ein Stück "Mein Kampf". Als ich den Leihzettel ausgefüllt hatte, musste ich zuerst bei einer subalternen Bibliothekarin antanzen, die mich ziemlich erregt verhörte, was ich denn mit dem Buche vorhätte. Antwort: "Na, lesen, was sonst?" Weiter ging's zwei Stockwerke höher zum obersten Chef der Bibliothek, einem leibhaftigen Professor. Erst nach zig Belehrungen und Ermahnungen, das Buch auch ja "richtig zu verstehen", konnte ich das Ding endlich anschauen, nicht aber mitnehmen. Meinen Vater informierte die Bibliotheksleitung vorsorglich über den verdächtigen Lesewunsch des Filius und belehrte auch ihn entsprechend. Das aber war nicht nötig. Denn der Senior, Jahrgang 1921, wusste schon lange über dies und das und jenes Bescheid.