@Doors Wie gesagt, wenn es zu meiner Kernaufgabe zählt, Inhalte zu sortieren, zu recherchieren und zu gewichten, kann ich gar nicht neutral bleiben, das beißt sich schon mit dem Anspruch. Darum mein Verweis auf die Blattlinie, wer möglichst viele Ansichten oder gar Wertungen zu einem Sachverhalt lesen will -um mal den Begriff Neutralität zu vermeiden- der wird sich zwangsläufig mit mehreren Medien auseinandersetzen müssen.
Doors schrieb:Das "Leitmedium" halte ich ohnehin für ebenso überbewertet wie ausgestorben. Welches sollte das denn sein? Spiegel oder Focus, Stern oder Bunte, FAZ oder TAZ, ARD oder RTL? Wen sollte dieses Medium denn "leiten"? Einer schreibt vor, alle anderen schreiben nach bzw. ab?
Leitmedien, das Leitmedium gibt es nicht. Und was damit gemeint ist, werde ich dir als alten Hasen sicher nicht erläutern müssen, folgende Statistik ist da viel aufschlussreicher:
https://kress.de/news/detail/beitrag/148687-exklusiv-die-meistzitierten-medien-des-jahres-2021.htmlSpoilerTop 20 meistzitierte Medien, Januar bis Dezember 2021
1. Spiegel - 1.164 Zitate (Vorjahr: 1077)
2. Bild - 861 (656)
3. Bild am Sonntag - 767 (514)
4. New York Times - 592 (861)
5. Handelsblatt - 579 (615)
6. Süddeutsche - 509 (541)
7. ZDF - 491 (333)
8. Funke Mediengruppe - 457 (378)
9. ARD - 430 (neu)
10. Financial Times - 420 (595)
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11. Rheinische Post - 405 (317)
12. FAZ - 365 (404)
13. Welt am Sonntag - 354 (439)
14. Wall Street Journal - 336 (328)
15. BBC - 317 (neu)
16. Tagesspiegel - 304 (373)
16. Welt - 304 (329)
18. RTL / ntv - 293 (neu)
19. CNN - 281 (365)
20. Washington Post - 267 (400)Wie du sicher ebenfalls weißt, Redakteure lesen ja nicht nur gerne bei anderen Blättern, sie schreiben auch manchmal voneinander ab. Und so passiert es dann auch, wenn iwo eine falsche oder fehlerhafte Meldung veröffentlicht wird, sie so Verbreitung findet (oft trotz Korrektur) - sozusagen als Schattenseite für bekanntere, überregionale und mit entsprechender Reichweite ausgestatteten Erscheinungen.
Doors schrieb:Der Medien-Markt ist eigentlich schon immer im Umbruch gewesen.
Denke nicht, viel mehr fanden die statt, wenn ein neuer Verbreitungskanal für die Öffentlichkeit auf den Plan tritt oder halt wie speziell in Deutschlands Fall, als das NS-Schriftleitergesetz zwangsverordnet wurde und nach Niedergang des Regimes der Neuaufbau der Presse durch die Alliierten stattfand. Im frühen 20. Jahrhundert wurden teilweise
vier Ausgaben am Tag gedruckt (morgens, mittags, abends, nachts, manche Zeitungen haben davon heute noch ihren Namen), diese Tendenz und auch das Informationsmonopol der Zeitungen erledigte sich langsam, als zunächst das Radio und später das Fernsehen zu Massenmedien wurden. Den letzten Peak dieser Entwicklung würde ich Ende der Neunziger verorten, als das Web immer rasanter für die Allgemeinheit zugänglicher wurde.
Doors schrieb:Grosse überregionale Tageszeitungen werden mittelfristig nicht überleben, auch für regionale Blätter stehen die Chancen schlecht
Meine Prognose: Die Tageszeitungen sind gearscht. Wie du schreibst, deren Konzept stirbt mit den Lesern. Da aber eh viele in Verlagsbünden und Reddesks stecken, wird es eher ein halber Tod, der die Print-Ableger trifft, während Online und epaper weiter laufen. Anzeigenblättern ist das eher wurschd, die organisieren ihren Vertrieb und damit die Auflage selbst, denen geht man eher mit einer Erhöhung des Mindestlohns an die Gurgel.
Doors schrieb:Hier war es oft NDR und WDR, die darüber umfassend recherchierten und informierten. Guter (TV-)Journalismus kostet nun mal Geld. Anzeigenbediene hingegen nicht.
Oft, aber nicht immer. Ich find übertriebenes Gebashe von den ÖR selbst albern, aber allein schmeissen die den Laden halt auch nicht. Lass mich lügen, aber bei CumEx müsste der Spiegel ganz vorne dran gewesen sein, bei den PanamaPapers waren Journalisten der SZ beim Recherchenetzwerk von Anfang an dabei und der wirecard-Skandal etwa wurde von einem Redakteur der Financial Times aufgedeckt. Da kann man jetzt lange auseinander dividieren, für mich bleibt zu sagen: Die haben alle ihren Anteil, öffentlich wie werbefinanziert, selbst ein fuckin RTL gelegentlich.