Deutsche Leitmedien - Neutralität
20.02.2022 um 19:44geisterfrei schrieb:Warum erwartet man eigentlich, dass eine Zeitung stets neutral sein muss?Das muss man in einem größeren Zusammenhang sehen.
Vor 20Jahren war es noch Usus und Etikette, das neutral berichtet wurde. Groschenblätter und Bild und co mal ausgenommen.
Mit dem Internet kam die digitale Globalisierung und jeder konnte an der Meinung des Anderen teilnehmen. Stammtischgespräche die sonst am Stammtisch ausgefochten worden - und dort auch blieben - verlagerten sich in soziale Netzwerke und auf einmal ging der Geist um: Hey, ich habe eine Stimme, ich kann mich mitteilen und jeder kann dran teilnehmen. Die Geburtsstunde der Trolle. Ein Phänomen der grenzenlosen Kommunikation. Jeder konnte auf einmal Allianzen bilden, mit Menschen die die eigene Ansicht teilen oder sich battlen mit Menschen die es eben nicht so sehen. Allmy ist zum Beispiel ein Ergebnis dieser digitalen Revolution und Threads wie der des Rassismus zeigen, das es kaum noch möglich ist, Themen neutral und sachlich zu diskutieren.
Natürlich merkte auch die Politik das man mit der digitalen Verbreitung viel effektiver Menschen erreicht, die Verwuickung der Verleger mit der Politik bestand ja eh schon.
Ab hier war der öffentliche Meinungsaustausch en vogue - man schmückt sich mit der eigenen Meinung, man diskutiert öffentlich und schart Allys um sich. Gemeinsam ist die Stimme noch lauter usw.
Nun haben wir überall Grüppchen die laut ihre Meinung verkünden, muss man ja auch, weil auch die Anderen laut sind. Alles und jeder wird politisiert um den Schein der Diskursfähigkeit zu erhalten.
Das alles macht vor Redaktionsstuben keinen Halt. Dort sitzen mittlerweile ebenfalls die groß gewordenen Digital Natives die es gewohnt sind, das das eigene Überleben in der globalisierten Netzwelt einher geht mit Meinungsofferten. Man steht sogar in Meinungskonkurrenz mit anderen Blättern.
Wer die "alte" Zeit noch kennt, bemerkt das und weiß auch den Vorteil zu sehen. Medienkompetenz war früher nicht so wichtig, heute aber umso mehr weil jede Information dazu benutzt wird, den eigenen Standpunkt zu vertreten.
Jetzt ist das mit der Medienkompetenz aber so eine Sache, man kann nicht davon ausgehen das jeder die hat oder je erreichen wird. Das erhöht die Gefahr der Manipulationserfolge und öffnet erfolgreicher Propaganda mehr denn je die Tore - das ist die eigentliche Gefahr der immer weiter sinkenden Neutralität in der Berichterstattung.
Mich zum Beispiel interessiert aber garnicht der Standpunkt eines Journalisten, ich möchte Informationen.
Ohne Medienkompetenz wird man heute aber nur noch schwer an Informationen kommen, viel mehr an ganz viel Meinung.
Beispiel:
SUV kollidiert nach Überholmanöver mit Radfahrer – Verletzter in kritischem ZustandQuelle: https://www.google.com/amp/s/www.fnp.de/frankfurt/frankfurt-unfall-fahrrad-suv-polizei-ermittlungen-ursache-zr-13655981.amp.html
Lassen wir mal diese Überschrift kurz wirken.
SUV kollidiert mit Radfahrer.
Moment, da passt doch was nicht.
Müsste es nicht heißen:
Autofahrer kollidiert mit Radfahrer
Oder
Auto kollidiert mit Fahrrad
Hier wählt man ganz bewusst, die Entmenschlichung des Autofahrers (während man den Mensch auf dem Fahrrad explizit erwähnt) und bricht es runter auf den derzeit viel diskutierten Fahrzeugtyp SUV - kein anderer Autotyp steht so in der Kritik hinsichtlich Klimawandel wie der SUV.
Jetzt fährt der böse SUV sogar Radfahrer um. Nicht das andere Fahrzeugführer von anderen Fahrzeugtypen das nicht auch machen, nein, hier fährt der ohnehin gehasste SUV sogar Radfahrer um.
Das ist klassische Meinungsmache durch Meinungstransport. Fällt garnicht gleich auf, oder?