So lobenswert
@Fierna s Versuch ist, alles zu bündeln, haben wir es hier doch mit einer ganzen Reihe eigenständiger Probleme zu tun, und ich frage mich, wie es uns gelingen soll, das halbwegs nachvollziehbar alles hier im Thread zu diskutieren. Ich sehe mindestens fünf Unterthemen, die alle viel politischen Sprengstoff beinhalten:
1) Das Erdowahn Problem: er möchte unbedingt eine grosse aussenpolitische Rolle spielen und Kontrolle über mindestens Syrien, aber offenbar auch noch andere angeschlagene, moslemische Länder wie Libyen erhalten. Sein Ego ist weitaus grösser als sein Einfluss und dieses Problem möchte er schon seit Jahren lösen, indem sein Einfluss grösser wird. Bisherige Bündnisse wie NATO oder der wohl schon lange ad acta gelegte Wunsch, einmal zur EU zu gehören, interessieren ihn offensichtlich nicht mehr. Wenn, dann sucht er Zweckbündnisse. Aus Amerika mag er gerne Waffen, aus der EU gerne Geld und mit Putin kuschelt er immer dann, wenn er die ersten beiden ärgern will. Dabei kollidieren seine Pläne immer öfter mit denen Putins, so dass er hier eine Gratwanderung unternehmen muss. Zwei Dinge hat er auf der Haben-Seite: die strategische Position seines Landes im östlichen Mittelmeer und ein paar Millionen sogenannte Flüchtlinge, mit welchen er die EU versucht zu erpressen.
Nicht vergessen werden sollte, dass Erdowahn inzwischen auch handfesten Streit mit der EU und anderen Nachbarn hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung hat: Stichwort Mittelmeer mit seinen Gasvorkommen. Das spielt sicherlich in seine Strategie mit herein.
2) Die sogenannten Flüchtlinge: Unbestritten befinden sich Menschen aus Syrien in der Türkei, die vermutlich auch dankbar dafür sind, dort aufgenommen worden zu sein, wenn auch das Leben nach Berichten nicht dem in einem Schlaraffenland gleicht. Und freilich haben alle vom scheinbar wundervollen Deutschland gehört in dem ein BMW und ein Haus im Grünen und ein garantiertes Grundeinkommen nur so warten... Wer will es den Menschen verdenken, dass sie vom Leben in der EU träumen?
Nur: aktuell finden sich an den EU-Grenzen gar nicht so viele Syrer, sondern vor allem Menschen aus Afghanistan, Pakistan, Afrika usw. Hier ist die Frage: wieso sind die eigentlich in der Türkei? Wieso scheinen sie recht einfach dort hineinzugelangen und sich dort aufhalten zu können? Hier darf die Frage gestellt werden, ob sie nicht in allererster Linie Spielball Erdowahns sind. Auch ist die Frage erlaubt, woher diese Menschen eigentlich kommen und wie, denn die Türkei grenzt an keines dieser Herkunftsländer.
Wenn die Diskussion immer auf Syrer verengt wird, blendet man diesen ganz interessanten Teil vollkommen aus. Und meine persönliche Meinung: ich glaube kaum, dass die Anwesenheit dieser Menschen in der Türkei auf Erdowahns grosszügigem Mitleid beruht und er eine Politik der "offenen Grenzen" verfolgt, die er jetzt von der EU verlangt.
Ich denke, selbst wenn wundersamer Weise über Nacht Syrien ein sicheres Land würde und alle Syrer gerne in ihre Heimat zurückkehren um diese wieder aufzubauen, würde Erdowahn einfach mit anderen Migranten sein Spiel mit der EU weiterbetreiben.
3) Griechenland. Seit Jahren fühlt sich dieses Land, das selbst wirtschaftlich noch vor ein paar Jahren am Abgrund stand und sich keineswegs bisher erholt hat, von der EU in der Migrationsfrage allein gelassen. Das hat es mit Italien gemeinsam. Und lustigerweise mit Deutschland, denn da meinen ja Viele, dass die allermeisten Migranten sich in Deutschland befinden. In Wirklichkeit würden den besorgten Deutschen wohl die Haare zu Berge stehen, wenn sich die Ereignisse an Griechenlands oder Italiens Küsten irgendwo zwischen Travemünde und Rügen abspielen würden.
Jedenfalls scheint Griechenland schon logistisch völlig überfordert. Und mit der Aussicht konfrontiert, eventuell Millionen Migranten aufnehmen und durchfüttern zu müssen, schliessen viele Griechen, dass das unmöglich ist, weil sie selbst nur von der Hand in den Mund leben.
Hier stellt sich die Frage, wie weit es wirklich her ist, mit der "europäischen Union."
4) Das bringt uns zum Thema Asylverfahren. Das moderne Asylrecht wurde in Deutschland wie auch in anderen europäischen Ländern nach den schrecklichen Erfahrungen des zweiten Weltkriegs geschaffen. Nie wieder will man Menschen, die in ihrem Heimatland von Konzentrationslagern und Gaskammern bedroht sind und dort ausgelöscht werden sollen, eine sichere Zuflucht verwehren, wie es leider vorher durchaus vorgekommen ist. Von Millionen Afrikanern oder Asiaten, die einfach keine Lust mehr auf die Armut und Perspektivlosigkeit in ihren Ländern haben, dürften die "Väter des Grundgesetzes" nicht einmal geträumt haben, das war völlig ausserhalb der Vorstellungswelt. Und daher hat man ein recht kompliziertes juristisches Gebilde namens Asylrecht erfunden, das sicherlich in der Lage ist, ein paar Hundert Bewerber pro Jahr abzufertigen, aber nicht Millionen.
Hier ist zu fragen, warum man nicht schon lange begonnen hat, die Parameter den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen? Warum dauern Asylverfahren mehrere Jahre? Warum gibt es nur selten eine funktionierende Abschiebepraxis mit den Herkunftsländern, obwohl man mit diesen ja in der Regel nicht nur diplomatische Beziehungen hat, sondern auch mehr oder weniger enge wirtschaftliche Beziehungen. Warum gibt es weder ein einheitliches europäisches Recht, wenn man doch sonst immer so auf "Europa" als Union stolz ist, und warum gibt es kein einheitliches, zentral organisiertes Verfahren? Europa lässt nicht nur die einzelnen Staaten damit allein, sondern diese bürden die Verfahren meist noch den Kommunen oder Provinzen/Ländern auf, die ebenfalls damit zumeist überfordert sind.
Selbst die alternativlose Kanzlerin hat das ja 2015 in Deutschland vorgemacht: sie entscheidet die Grenzen zu öffnen, aber auf die Frage, wer denn all die Neuankömmlinge unterbringen soll usw. heisst es nur: das ist Sache der Kommunen. Das Scheitern war abzusehen.
5) Hier schliesst sich der Kreis. Vor lauter Angst, Wahlen zu verlieren wurde dann schnell ein "Abkommen" mit der Türkei (und anderen, z.B. ja auch mit Gaddhafi) geschlossen. Dieses Abkommen war von Anfang an ziemlich verlogen dargestellt worden, denn dass es z.B. den Tausch 'ein aus Griechenland zurückgenommener Flüchtling = ein anderer Flüchtling aus der Türkei darf einreisen' enthält, wissen vermutlich selbst heute nur die Wenigsten.
Und so hat man in Europa fünf Jahre lang sich durchgewurschtelt. Im Mittelmeer fischte man weiter Leute aus dem Wasser und, sobald sie in Italien waren, wurden sie vergessen. In der Türkei sammelten sich immer mehr, aber man vertraute Erdowahn, er werde diese Leute schon daran hindern, ins gelobte Europa zu gelangen. Man gab ein wenig Geld.
Wundert es denn irgendjemand, dass nun Erdowahn die Sache für sich ausnutzen will?
Summa summarum sage ich: Europa und damit freilich Deutschland muss sich endlich einigen, wie man mit Erdowahn weiter verkehren will. Und da muss dann alles auf den Tisch: wirtschaftliche Zusammenarbeit, finanzielle Hilfen, usw. Und zweitens muss Europa schnellstmöglich ein effektives Asylsystem aufbauen, welches nicht nur Entscheidungen innerhalb weniger Wochen, sondern auch ein funktionierendes System zur Rückkehr in die Herkunftsländer umfasst, was wohl ebenfalls nur über klare Verhandlungen mit diesen funktioniert.
Wir das passieren? Da habe ich meine Zweifel.